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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833.

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wendigkeit derselben finden läßt, so ist dieß die steife
Lehre von der Treue. Nur was Blut hat, soll le¬
ben, nicht was nach Leben aussieht; ist Deines Lebens
Blut in Deiner alten Liebe zu finden, dann sei treu,
dann ist Deine Liebe jung. Dies ist die schöne
Lehre von der Beständigkeit, die dann eine Tugend ist,
wenn die äußeren Verhältnisse mit den inneren harmo¬
niren. So ist die Ehe nur ein Damm gegen den
Strom der Geselligkeit; wißt ihr auf freiere Weise den
Strom zu leiten, so braucht Ihr keine Dämme. Wenn
erst Tausende nichts mehr dem Herkommen zu Liebe thun,
so ist das Lebenselement des Herkommens, seine Un¬
zweifelhaftigkeit, vernichtet, und eine neue Welt nähert
sich im Sturmschritt. Es geht Alles Hand in Hand,
die Gesetze sind eine große Kette: trennt ein Glied und
die andern klirren ebenfalls auseinander. Es hat keine
Zeit gegeben, wo mehr und mehr die Jugend ihrer
eignen Kraft vertrauend die Ruhebänke des Staates,
die Aemter der stillen Gewässer, wo keine Welle steigt
und fällt, so mit dem Rücken ansieht, und diese Faul¬
plätze dem jungen Alter überläßt, was keine eigne Kraft
in sich spürt und in dem Schooße der hergebrachten
Ordnungskraft Schutz sucht. Die neuen Staaten ma¬

wendigkeit derſelben finden läßt, ſo iſt dieß die ſteife
Lehre von der Treue. Nur was Blut hat, ſoll le¬
ben, nicht was nach Leben ausſieht; iſt Deines Lebens
Blut in Deiner alten Liebe zu finden, dann ſei treu,
dann iſt Deine Liebe jung. Dies iſt die ſchöne
Lehre von der Beſtändigkeit, die dann eine Tugend iſt,
wenn die äußeren Verhältniſſe mit den inneren harmo¬
niren. So iſt die Ehe nur ein Damm gegen den
Strom der Geſelligkeit; wißt ihr auf freiere Weiſe den
Strom zu leiten, ſo braucht Ihr keine Dämme. Wenn
erſt Tauſende nichts mehr dem Herkommen zu Liebe thun,
ſo iſt das Lebenselement des Herkommens, ſeine Un¬
zweifelhaftigkeit, vernichtet, und eine neue Welt nähert
ſich im Sturmſchritt. Es geht Alles Hand in Hand,
die Geſetze ſind eine große Kette: trennt ein Glied und
die andern klirren ebenfalls auseinander. Es hat keine
Zeit gegeben, wo mehr und mehr die Jugend ihrer
eignen Kraft vertrauend die Ruhebänke des Staates,
die Aemter der ſtillen Gewäſſer, wo keine Welle ſteigt
und fällt, ſo mit dem Rücken anſieht, und dieſe Faul¬
plätze dem jungen Alter überläßt, was keine eigne Kraft
in ſich ſpürt und in dem Schooße der hergebrachten
Ordnungskraft Schutz ſucht. Die neuen Staaten ma¬

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[157/0169] wendigkeit derſelben finden läßt, ſo iſt dieß die ſteife Lehre von der Treue. Nur was Blut hat, ſoll le¬ ben, nicht was nach Leben ausſieht; iſt Deines Lebens Blut in Deiner alten Liebe zu finden, dann ſei treu, dann iſt Deine Liebe jung. Dies iſt die ſchöne Lehre von der Beſtändigkeit, die dann eine Tugend iſt, wenn die äußeren Verhältniſſe mit den inneren harmo¬ niren. So iſt die Ehe nur ein Damm gegen den Strom der Geſelligkeit; wißt ihr auf freiere Weiſe den Strom zu leiten, ſo braucht Ihr keine Dämme. Wenn erſt Tauſende nichts mehr dem Herkommen zu Liebe thun, ſo iſt das Lebenselement des Herkommens, ſeine Un¬ zweifelhaftigkeit, vernichtet, und eine neue Welt nähert ſich im Sturmſchritt. Es geht Alles Hand in Hand, die Geſetze ſind eine große Kette: trennt ein Glied und die andern klirren ebenfalls auseinander. Es hat keine Zeit gegeben, wo mehr und mehr die Jugend ihrer eignen Kraft vertrauend die Ruhebänke des Staates, die Aemter der ſtillen Gewäſſer, wo keine Welle ſteigt und fällt, ſo mit dem Rücken anſieht, und dieſe Faul¬ plätze dem jungen Alter überläßt, was keine eigne Kraft in ſich ſpürt und in dem Schooße der hergebrachten Ordnungskraft Schutz ſucht. Die neuen Staaten ma¬

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/169>, abgerufen am 30.04.2024.