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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833.

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schen Staate behauptet: es sind beides Klassiker mit
ein wenig romantischem Odem. Ich bin begierig, wer
der Erde zuerst den Tribut des Todes wird zahlen müs¬
sen. Die Natur ist sparsam mit solchen Leuten und
da es ihr leichter zu werden scheint, gute Herzen als gute
Köpfe zu schaffen, so wird wohl Göthe länger leben
und dadurch bekunden, daß er wichtiger für die Mensch¬
heit sei als La Fayette. Dieser letztere ist mir zu platt
praktisch und sein Amerikanismus ist doch eigentlich eine
Armuth. So sieht auch sein Kopf aus, nüchtern, pro¬
saisch amerikanisch. Es ist kein Geist in dem formlos
gutmüthigen Gesichte, nicht ein Zug thatkräftigen Ver¬
standes. Aber seine Manieren würden Dich entzücken:
alle Feinheit des französischen Styls, alle liebenswür¬
dige Artigkeit ist darin, und doch nimmt ihnen jene de¬
mokratische Bonhommie, jene amerikanische Gleichstellung
von Hoch und Niedrig, jene Poesie der Gleichheit aus
dem neunziger Jahren doch nimmt ihm diese allen Bei¬
satz von Künstlichkeit, von Geckenhaftigkeit, was man
namentlich bei alten Leuten so oft findet. Das ist La
Faytte's Poesie: er hat in abstrakte Begriffe, ja in kon¬
ventionelle Formen Blut und warmes Leben gebracht;
er ist nicht die abstrakte Lehre von Freiheit und Civi¬

ſchen Staate behauptet: es ſind beides Klaſſiker mit
ein wenig romantiſchem Odem. Ich bin begierig, wer
der Erde zuerſt den Tribut des Todes wird zahlen müſ¬
ſen. Die Natur iſt ſparſam mit ſolchen Leuten und
da es ihr leichter zu werden ſcheint, gute Herzen als gute
Köpfe zu ſchaffen, ſo wird wohl Göthe länger leben
und dadurch bekunden, daß er wichtiger für die Menſch¬
heit ſei als La Fayette. Dieſer letztere iſt mir zu platt
praktiſch und ſein Amerikanismus iſt doch eigentlich eine
Armuth. So ſieht auch ſein Kopf aus, nüchtern, pro¬
ſaiſch amerikaniſch. Es iſt kein Geiſt in dem formlos
gutmüthigen Geſichte, nicht ein Zug thatkräftigen Ver¬
ſtandes. Aber ſeine Manieren würden Dich entzücken:
alle Feinheit des franzöſiſchen Styls, alle liebenswür¬
dige Artigkeit iſt darin, und doch nimmt ihnen jene de¬
mokratiſche Bonhommie, jene amerikaniſche Gleichſtellung
von Hoch und Niedrig, jene Poeſie der Gleichheit aus
dem neunziger Jahren doch nimmt ihm dieſe allen Bei¬
ſatz von Künſtlichkeit, von Geckenhaftigkeit, was man
namentlich bei alten Leuten ſo oft findet. Das iſt La
Faytte’s Poeſie: er hat in abſtrakte Begriffe, ja in kon¬
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[178/0190] ſchen Staate behauptet: es ſind beides Klaſſiker mit ein wenig romantiſchem Odem. Ich bin begierig, wer der Erde zuerſt den Tribut des Todes wird zahlen müſ¬ ſen. Die Natur iſt ſparſam mit ſolchen Leuten und da es ihr leichter zu werden ſcheint, gute Herzen als gute Köpfe zu ſchaffen, ſo wird wohl Göthe länger leben und dadurch bekunden, daß er wichtiger für die Menſch¬ heit ſei als La Fayette. Dieſer letztere iſt mir zu platt praktiſch und ſein Amerikanismus iſt doch eigentlich eine Armuth. So ſieht auch ſein Kopf aus, nüchtern, pro¬ ſaiſch amerikaniſch. Es iſt kein Geiſt in dem formlos gutmüthigen Geſichte, nicht ein Zug thatkräftigen Ver¬ ſtandes. Aber ſeine Manieren würden Dich entzücken: alle Feinheit des franzöſiſchen Styls, alle liebenswür¬ dige Artigkeit iſt darin, und doch nimmt ihnen jene de¬ mokratiſche Bonhommie, jene amerikaniſche Gleichſtellung von Hoch und Niedrig, jene Poeſie der Gleichheit aus dem neunziger Jahren doch nimmt ihm dieſe allen Bei¬ ſatz von Künſtlichkeit, von Geckenhaftigkeit, was man namentlich bei alten Leuten ſo oft findet. Das iſt La Faytte’s Poeſie: er hat in abſtrakte Begriffe, ja in kon¬ ventionelle Formen Blut und warmes Leben gebracht; er iſt nicht die abſtrakte Lehre von Freiheit und Civi¬

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/190>, abgerufen am 30.04.2024.