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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833.

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Die Fürstin vertheidigt zum Beispiel den Genuß aller
Vergnügungen, auch wenn sie nach unsern bürgerlichen
Ansichten zu den verbotnen gehören. Sie hält z. B.
die Ehe nur für eine Form, welche der äußeren Dinge
wegen da sei, und namentlich den materiellen Besitz
des Weibes sichere. Es wird mir unheimlich, wenn
ich eine verheirathete Frau so sprechen höre -- wenn
dergleichen verwirklicht werden sollte, so müßte ja ein
trostloses Durcheinander entstehen. Valer, welcher die
Frauen selbstständiger gestellt sehen will, und wunderlich
genug von den neuen verwirrenden Zeitbewegungen Viel
für uns erwartet, opponirte der Fürstin in vielen Din¬
gen. Er machte sie darauf aufmerksam, wie gerade
jetzt das äußere Leben der Frauen in der Luft schwebe,
wenn sie ihren einzigen Haltpunkt, die Ehe, aufgäben;
wie nur die stärksten und edelsten Weiber einen Ueber¬
gang zu besserem freierem Gesellschaftsleben dadurch bil¬
den könnten, daß sie sich der Ehe nicht unterwürfen,
die neuen Begriffe aber auf alle Weise unterstützten,
weil nach der politischen Revolution die sociale vor den
Thoren läge, durch welche das Weib eine gesellschaft¬
liche Stellung erlangen würde. Das Christenthum
habe das Weib nur zur Hälfte frei gemacht, sie müsse

Die Fürſtin vertheidigt zum Beiſpiel den Genuß aller
Vergnügungen, auch wenn ſie nach unſern bürgerlichen
Anſichten zu den verbotnen gehören. Sie hält z. B.
die Ehe nur für eine Form, welche der äußeren Dinge
wegen da ſei, und namentlich den materiellen Beſitz
des Weibes ſichere. Es wird mir unheimlich, wenn
ich eine verheirathete Frau ſo ſprechen höre — wenn
dergleichen verwirklicht werden ſollte, ſo müßte ja ein
troſtloſes Durcheinander entſtehen. Valer, welcher die
Frauen ſelbſtſtändiger geſtellt ſehen will, und wunderlich
genug von den neuen verwirrenden Zeitbewegungen Viel
für uns erwartet, opponirte der Fürſtin in vielen Din¬
gen. Er machte ſie darauf aufmerkſam, wie gerade
jetzt das äußere Leben der Frauen in der Luft ſchwebe,
wenn ſie ihren einzigen Haltpunkt, die Ehe, aufgäben;
wie nur die ſtärkſten und edelſten Weiber einen Ueber¬
gang zu beſſerem freierem Geſellſchaftsleben dadurch bil¬
den könnten, daß ſie ſich der Ehe nicht unterwürfen,
die neuen Begriffe aber auf alle Weiſe unterſtützten,
weil nach der politiſchen Revolution die ſociale vor den
Thoren läge, durch welche das Weib eine geſellſchaft¬
liche Stellung erlangen würde. Das Chriſtenthum
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[53/0065] Die Fürſtin vertheidigt zum Beiſpiel den Genuß aller Vergnügungen, auch wenn ſie nach unſern bürgerlichen Anſichten zu den verbotnen gehören. Sie hält z. B. die Ehe nur für eine Form, welche der äußeren Dinge wegen da ſei, und namentlich den materiellen Beſitz des Weibes ſichere. Es wird mir unheimlich, wenn ich eine verheirathete Frau ſo ſprechen höre — wenn dergleichen verwirklicht werden ſollte, ſo müßte ja ein troſtloſes Durcheinander entſtehen. Valer, welcher die Frauen ſelbſtſtändiger geſtellt ſehen will, und wunderlich genug von den neuen verwirrenden Zeitbewegungen Viel für uns erwartet, opponirte der Fürſtin in vielen Din¬ gen. Er machte ſie darauf aufmerkſam, wie gerade jetzt das äußere Leben der Frauen in der Luft ſchwebe, wenn ſie ihren einzigen Haltpunkt, die Ehe, aufgäben; wie nur die ſtärkſten und edelſten Weiber einen Ueber¬ gang zu beſſerem freierem Geſellſchaftsleben dadurch bil¬ den könnten, daß ſie ſich der Ehe nicht unterwürfen, die neuen Begriffe aber auf alle Weiſe unterſtützten, weil nach der politiſchen Revolution die ſociale vor den Thoren läge, durch welche das Weib eine geſellſchaft¬ liche Stellung erlangen würde. Das Chriſtenthum habe das Weib nur zur Hälfte frei gemacht, ſie müſſe

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/65>, abgerufen am 28.04.2024.