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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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daß manche Bursche in seiner Abwesenheit auf seine
Stube zu gehen pflegten, und da könnte es immer
seyn, daß sie den Muthwillen verübt hätten. Er
für seine Person wäre von dergleichen schmutzigen
Affären weit entfernt. -- Auf diese Art kam Bru-
der Schacht -- eben der, von dem oben gesprochen
ist -- ohne Strafe davon, und der Rector lachte
blos über den Einfall, einen Kammertopf in ein
fremdes Visitenzimmer auszuleeren.

Den folgenden Sonntag versammelte Herr
Schacht eine große Menge Studenten auf seine Stu-
be. Kaum war Euler mit Frau und Tochter zur
Kirche, so wurde sein Fenster mit einer Stange ein-
gestoßen, und auf die vorhin beschriebene Art eine
Menge Ladungen in die Putzstube transportirt. Eu-
ler erfuhr schon auf dem Rückweg nach Hause, was
vorgefallen war. Er klagte; aber nun halfen dem
guten Schacht seine Ausflüche nicht: er mußte vier
Tage ins Karcer, mußte Eulern das Fenster neu
einscheiben lassen, und dreißig Kreutzer zur Reinigung
der Putzstube hergeben.

Zu Gießen war es damals Mode, daß ein in-
karcerirter Student einen andern des Nachts zur Ge-
sellschaft bei sich haben konnte. Herr Schacht wählte
mich dazu: ich ging hin, und hier verbanden wir
uns, den Euler forthin auf alle mögliche Art zu
necken und zu beschimpfen. Ich hielt redlich Wort,

daß manche Burſche in ſeiner Abweſenheit auf ſeine
Stube zu gehen pflegten, und da koͤnnte es immer
ſeyn, daß ſie den Muthwillen veruͤbt haͤtten. Er
fuͤr ſeine Perſon waͤre von dergleichen ſchmutzigen
Affaͤren weit entfernt. — Auf dieſe Art kam Bru-
der Schacht — eben der, von dem oben geſprochen
iſt — ohne Strafe davon, und der Rector lachte
blos uͤber den Einfall, einen Kammertopf in ein
fremdes Viſitenzimmer auszuleeren.

Den folgenden Sonntag verſammelte Herr
Schacht eine große Menge Studenten auf ſeine Stu-
be. Kaum war Euler mit Frau und Tochter zur
Kirche, ſo wurde ſein Fenſter mit einer Stange ein-
geſtoßen, und auf die vorhin beſchriebene Art eine
Menge Ladungen in die Putzſtube transportirt. Eu-
ler erfuhr ſchon auf dem Ruͤckweg nach Hauſe, was
vorgefallen war. Er klagte; aber nun halfen dem
guten Schacht ſeine Ausfluͤche nicht: er mußte vier
Tage ins Karcer, mußte Eulern das Fenſter neu
einſcheiben laſſen, und dreißig Kreutzer zur Reinigung
der Putzſtube hergeben.

Zu Gießen war es damals Mode, daß ein in-
karcerirter Student einen andern des Nachts zur Ge-
ſellſchaft bei ſich haben konnte. Herr Schacht waͤhlte
mich dazu: ich ging hin, und hier verbanden wir
uns, den Euler forthin auf alle moͤgliche Art zu
necken und zu beſchimpfen. Ich hielt redlich Wort,

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[130/0144] daß manche Burſche in ſeiner Abweſenheit auf ſeine Stube zu gehen pflegten, und da koͤnnte es immer ſeyn, daß ſie den Muthwillen veruͤbt haͤtten. Er fuͤr ſeine Perſon waͤre von dergleichen ſchmutzigen Affaͤren weit entfernt. — Auf dieſe Art kam Bru- der Schacht — eben der, von dem oben geſprochen iſt — ohne Strafe davon, und der Rector lachte blos uͤber den Einfall, einen Kammertopf in ein fremdes Viſitenzimmer auszuleeren. Den folgenden Sonntag verſammelte Herr Schacht eine große Menge Studenten auf ſeine Stu- be. Kaum war Euler mit Frau und Tochter zur Kirche, ſo wurde ſein Fenſter mit einer Stange ein- geſtoßen, und auf die vorhin beſchriebene Art eine Menge Ladungen in die Putzſtube transportirt. Eu- ler erfuhr ſchon auf dem Ruͤckweg nach Hauſe, was vorgefallen war. Er klagte; aber nun halfen dem guten Schacht ſeine Ausfluͤche nicht: er mußte vier Tage ins Karcer, mußte Eulern das Fenſter neu einſcheiben laſſen, und dreißig Kreutzer zur Reinigung der Putzſtube hergeben. Zu Gießen war es damals Mode, daß ein in- karcerirter Student einen andern des Nachts zur Ge- ſellſchaft bei ſich haben konnte. Herr Schacht waͤhlte mich dazu: ich ging hin, und hier verbanden wir uns, den Euler forthin auf alle moͤgliche Art zu necken und zu beſchimpfen. Ich hielt redlich Wort,

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/144>, abgerufen am 29.04.2024.