Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Die vortreffliche Bibliothek zu Göttingen, die
wohl leicht die beste Universitätsbibliothek in Deutsch-
land ist, habe ich zu meinem wahren Vortheil fleißig
benutzt, und bin überhaupt in Göttingen anhalten-
der und ordentlicher im Studiren gewesen, als in
Gießen: einmal waren da nicht so viel herrschende
Reitze zur Renommisterei und zur Liederlichkeit, und
fürs andere hatte ich Männer von Ansehn und Ge-
wicht vor mir, fand mehr Muster und mehr Gele-
genheit, etwas rechts zu lernen.

Acht und zwanzigstes Kapitel.

Jung gewöhnt; alt gethan!



Ich fand auch in Göttingen einen gewissen Italiä-
ner, Badiggi, einen Exjesuiten, mit dem ich
schon in Gießen Umgang gepflogen hatte. Dieser
Badiggi war ein Mensch von viel Kopf und viel Er-
fahrung; aber auch ohne Religion, ohne Sitten und
ohne Gesetze, kurz, ein wahres moralisches Unge-
heuer. Er erzählte von sich alle mögliche Schand-
thaten, ohne Erröthen, und schrieb gewöhnlich in
die Stammbücher den Denkspruch des Pabstes Ale-
xanders VI.


Erster Theil. R

Die vortreffliche Bibliothek zu Goͤttingen, die
wohl leicht die beſte Univerſitaͤtsbibliothek in Deutſch-
land iſt, habe ich zu meinem wahren Vortheil fleißig
benutzt, und bin uͤberhaupt in Goͤttingen anhalten-
der und ordentlicher im Studiren geweſen, als in
Gießen: einmal waren da nicht ſo viel herrſchende
Reitze zur Renommiſterei und zur Liederlichkeit, und
fuͤrs andere hatte ich Maͤnner von Anſehn und Ge-
wicht vor mir, fand mehr Muſter und mehr Gele-
genheit, etwas rechts zu lernen.

Acht und zwanzigſtes Kapitel.

Jung gewoͤhnt; alt gethan!



Ich fand auch in Goͤttingen einen gewiſſen Italiaͤ-
ner, Badiggi, einen Exjeſuiten, mit dem ich
ſchon in Gießen Umgang gepflogen hatte. Dieſer
Badiggi war ein Menſch von viel Kopf und viel Er-
fahrung; aber auch ohne Religion, ohne Sitten und
ohne Geſetze, kurz, ein wahres moraliſches Unge-
heuer. Er erzaͤhlte von ſich alle moͤgliche Schand-
thaten, ohne Erroͤthen, und ſchrieb gewoͤhnlich in
die Stammbuͤcher den Denkſpruch des Pabſtes Ale-
xanders VI.


Erſter Theil. R
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0271" n="257"/>
        <p>Die vortreffliche Bibliothek zu Go&#x0364;ttingen, die<lb/>
wohl leicht die be&#x017F;te Univer&#x017F;ita&#x0364;tsbibliothek in Deut&#x017F;ch-<lb/>
land i&#x017F;t, habe ich zu meinem wahren Vortheil fleißig<lb/>
benutzt, und bin u&#x0364;berhaupt in Go&#x0364;ttingen anhalten-<lb/>
der und ordentlicher im Studiren gewe&#x017F;en, als in<lb/>
Gießen: einmal waren da nicht &#x017F;o viel herr&#x017F;chende<lb/>
Reitze zur Renommi&#x017F;terei und zur Liederlichkeit, und<lb/>
fu&#x0364;rs andere hatte ich Ma&#x0364;nner von An&#x017F;ehn und Ge-<lb/>
wicht vor mir, fand mehr Mu&#x017F;ter und mehr Gele-<lb/>
genheit, etwas rechts zu lernen.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>Acht und zwanzig&#x017F;tes Kapitel.</head><lb/>
        <p>Jung gewo&#x0364;hnt; alt gethan!</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p><hi rendition="#in">I</hi>ch fand auch in Go&#x0364;ttingen einen gewi&#x017F;&#x017F;en Italia&#x0364;-<lb/>
ner, <hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">Badiggi</hi></hi>, einen Exje&#x017F;uiten, mit dem ich<lb/>
&#x017F;chon in Gießen Umgang gepflogen hatte. Die&#x017F;er<lb/>
Badiggi war ein Men&#x017F;ch von viel Kopf und viel Er-<lb/>
fahrung; aber auch ohne Religion, ohne Sitten und<lb/>
ohne Ge&#x017F;etze, kurz, ein wahres morali&#x017F;ches Unge-<lb/>
heuer. Er erza&#x0364;hlte von &#x017F;ich alle mo&#x0364;gliche Schand-<lb/>
thaten, ohne Erro&#x0364;then, und &#x017F;chrieb gewo&#x0364;hnlich in<lb/>
die Stammbu&#x0364;cher den Denk&#x017F;pruch des Pab&#x017F;tes Ale-<lb/>
xanders <hi rendition="#aq">VI.</hi></p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">Er&#x017F;ter Theil. R</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[257/0271] Die vortreffliche Bibliothek zu Goͤttingen, die wohl leicht die beſte Univerſitaͤtsbibliothek in Deutſch- land iſt, habe ich zu meinem wahren Vortheil fleißig benutzt, und bin uͤberhaupt in Goͤttingen anhalten- der und ordentlicher im Studiren geweſen, als in Gießen: einmal waren da nicht ſo viel herrſchende Reitze zur Renommiſterei und zur Liederlichkeit, und fuͤrs andere hatte ich Maͤnner von Anſehn und Ge- wicht vor mir, fand mehr Muſter und mehr Gele- genheit, etwas rechts zu lernen. Acht und zwanzigſtes Kapitel. Jung gewoͤhnt; alt gethan! Ich fand auch in Goͤttingen einen gewiſſen Italiaͤ- ner, Badiggi, einen Exjeſuiten, mit dem ich ſchon in Gießen Umgang gepflogen hatte. Dieſer Badiggi war ein Menſch von viel Kopf und viel Er- fahrung; aber auch ohne Religion, ohne Sitten und ohne Geſetze, kurz, ein wahres moraliſches Unge- heuer. Er erzaͤhlte von ſich alle moͤgliche Schand- thaten, ohne Erroͤthen, und ſchrieb gewoͤhnlich in die Stammbuͤcher den Denkſpruch des Pabſtes Ale- xanders VI. Erſter Theil. R

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/271
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/271>, abgerufen am 26.04.2024.