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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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seines Gleichen seyn, besonders dort übern Rhein,
wo alles saalbadert, und alles kurirt! --

Einige Zeit hernach bekannt' ich Köstern die
ganze Sache, und erzählte ihm die Art, wie Strack
mit mir verfahren wäre. Er lobte diese Procedur,
und versicherte, daß sie die einzig vernünftige sey,
dergleichen Uebel zu heben, und daß die, welche hier
das Messer gebrauchten, nur auf den Namen der Af-
terärzte und Kuhdoktoren Anspruch machen könnten.

Quod nocet, docet optime. Seit jener
Zeit bin ich in Absicht des nähern Umgangs mit fei-
len Mädchen sehr behutsam geworden, und die Lust,
mich auf eine so grobe Art zu vergnügen, ist mir ver-
gangen, so bald ich das augenblickliche Angenehme
mit dem vielen möglichen und wirklichen Unangeneh-
men genau berechnete. Schade nur, daß bei den
meisten jungen Leuten, wie bei mir, Ciceros Aus-
spruch eintrifft: Eventus Stultorum Magister.

Ich höre hier einige, ja sehr viele fragen, ob
ich Sünder mich denn nicht gefürchtet und ge-
schämt habe, mit einer solchen Krankheit behaftet,
noch das Wort Gottes zu verkündigen? -- Freilich
schämte ich mich; indeß meine Reflexionen über an-
dere meines Gleichen, welche mit der schwarzesten,
boshaftesten Seele, mit räuberischen Händen, und
mit giftiger Zunge auch hintreten und Tugend predi-
gen, machten mich glauben, daß ich, wo nicht

ſeines Gleichen ſeyn, beſonders dort uͤbern Rhein,
wo alles ſaalbadert, und alles kurirt! —

Einige Zeit hernach bekannt' ich Koͤſtern die
ganze Sache, und erzaͤhlte ihm die Art, wie Strack
mit mir verfahren waͤre. Er lobte dieſe Procedur,
und verſicherte, daß ſie die einzig vernuͤnftige ſey,
dergleichen Uebel zu heben, und daß die, welche hier
das Meſſer gebrauchten, nur auf den Namen der Af-
teraͤrzte und Kuhdoktoren Anſpruch machen koͤnnten.

Quod nocet, docet optime. Seit jener
Zeit bin ich in Abſicht des naͤhern Umgangs mit fei-
len Maͤdchen ſehr behutſam geworden, und die Luſt,
mich auf eine ſo grobe Art zu vergnuͤgen, iſt mir ver-
gangen, ſo bald ich das augenblickliche Angenehme
mit dem vielen moͤglichen und wirklichen Unangeneh-
men genau berechnete. Schade nur, daß bei den
meiſten jungen Leuten, wie bei mir, Ciceros Aus-
ſpruch eintrifft: Eventus Stultorum Magiſter.

Ich hoͤre hier einige, ja ſehr viele fragen, ob
ich Suͤnder mich denn nicht gefuͤrchtet und ge-
ſchaͤmt habe, mit einer ſolchen Krankheit behaftet,
noch das Wort Gottes zu verkuͤndigen? — Freilich
ſchaͤmte ich mich; indeß meine Reflexionen uͤber an-
dere meines Gleichen, welche mit der ſchwarzeſten,
boshafteſten Seele, mit raͤuberiſchen Haͤnden, und
mit giftiger Zunge auch hintreten und Tugend predi-
gen, machten mich glauben, daß ich, wo nicht

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[382/0396] ſeines Gleichen ſeyn, beſonders dort uͤbern Rhein, wo alles ſaalbadert, und alles kurirt! — Einige Zeit hernach bekannt' ich Koͤſtern die ganze Sache, und erzaͤhlte ihm die Art, wie Strack mit mir verfahren waͤre. Er lobte dieſe Procedur, und verſicherte, daß ſie die einzig vernuͤnftige ſey, dergleichen Uebel zu heben, und daß die, welche hier das Meſſer gebrauchten, nur auf den Namen der Af- teraͤrzte und Kuhdoktoren Anſpruch machen koͤnnten. Quod nocet, docet optime. Seit jener Zeit bin ich in Abſicht des naͤhern Umgangs mit fei- len Maͤdchen ſehr behutſam geworden, und die Luſt, mich auf eine ſo grobe Art zu vergnuͤgen, iſt mir ver- gangen, ſo bald ich das augenblickliche Angenehme mit dem vielen moͤglichen und wirklichen Unangeneh- men genau berechnete. Schade nur, daß bei den meiſten jungen Leuten, wie bei mir, Ciceros Aus- ſpruch eintrifft: Eventus Stultorum Magiſter. Ich hoͤre hier einige, ja ſehr viele fragen, ob ich Suͤnder mich denn nicht gefuͤrchtet und ge- ſchaͤmt habe, mit einer ſolchen Krankheit behaftet, noch das Wort Gottes zu verkuͤndigen? — Freilich ſchaͤmte ich mich; indeß meine Reflexionen uͤber an- dere meines Gleichen, welche mit der ſchwarzeſten, boshafteſten Seele, mit raͤuberiſchen Haͤnden, und mit giftiger Zunge auch hintreten und Tugend predi- gen, machten mich glauben, daß ich, wo nicht

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/396>, abgerufen am 27.04.2024.