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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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nicht für einen Menschen, der fürs liebe Brod ar-
beiten muß: dergleichen Geschäfte müßte man den
müßigen Dickwänsten auftragen, welche in der christ-
lichen Kirche sich nach Pauli Ausspruch, vom Evan-
gelio mästen -- einem Brum* und Consorten, um
dieser Art Leuten das niederträchtige Geschäft eines
verrätherischen Spions gegen Männer zu legen, deren
Schuhriemen sie nicht werth sind aufzulösen.

Um diese Zeit fing ich auch an, Romane und
Komödien zu lesen. Ich hatte zwar schon vorher
dergleichen Sächelchen in Händen gehabt, sowohl
französische als deutsche: aber niemals war ich er-
picht darauf, und ward es erst im Jahr 1784 und
blieb es lange Zeit. Der verstorbene Antiquar Ernst,
welcher mit guten und schlechten Büchern der ange-
nehmen Leserei mittelmäßig versehn war, und um
den ich mich auf mehr als eine Art verdient gemacht
hatte, brachte mir, da er fand, daß ich dergleichen
Büchleins liebte, faß täglich einige, die ich Anfangs
nur so durchblätterte, dann mit Behagen las, und
endlich gar verschlang. Dies ging so weit, daß ich
zuletzt nicht mehr im Stande war, zwei Stunden
nach einander bei einem ernsthaften Buche auszuhal-
ten, ob ich gleich Tage lang in den abgeschmacktesten
Romanen lesen konnte, sogar in denen, welche vom
Verfasser der Emilie Sommer und Consorten
fabricirt waren.


nicht fuͤr einen Menſchen, der fuͤrs liebe Brod ar-
beiten muß: dergleichen Geſchaͤfte muͤßte man den
muͤßigen Dickwaͤnſten auftragen, welche in der chriſt-
lichen Kirche ſich nach Pauli Ausſpruch, vom Evan-
gelio maͤſten — einem Brum* und Conſorten, um
dieſer Art Leuten das niedertraͤchtige Geſchaͤft eines
verraͤtheriſchen Spions gegen Maͤnner zu legen, deren
Schuhriemen ſie nicht werth ſind aufzuloͤſen.

Um dieſe Zeit fing ich auch an, Romane und
Komoͤdien zu leſen. Ich hatte zwar ſchon vorher
dergleichen Saͤchelchen in Haͤnden gehabt, ſowohl
franzoͤſiſche als deutſche: aber niemals war ich er-
picht darauf, und ward es erſt im Jahr 1784 und
blieb es lange Zeit. Der verſtorbene Antiquar Ernſt,
welcher mit guten und ſchlechten Buͤchern der ange-
nehmen Leſerei mittelmaͤßig verſehn war, und um
den ich mich auf mehr als eine Art verdient gemacht
hatte, brachte mir, da er fand, daß ich dergleichen
Buͤchleins liebte, faß taͤglich einige, die ich Anfangs
nur ſo durchblaͤtterte, dann mit Behagen las, und
endlich gar verſchlang. Dies ging ſo weit, daß ich
zuletzt nicht mehr im Stande war, zwei Stunden
nach einander bei einem ernſthaften Buche auszuhal-
ten, ob ich gleich Tage lang in den abgeſchmackteſten
Romanen leſen konnte, ſogar in denen, welche vom
Verfaſſer der Emilie Sommer und Conſorten
fabricirt waren.


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[281[291]/0293] nicht fuͤr einen Menſchen, der fuͤrs liebe Brod ar- beiten muß: dergleichen Geſchaͤfte muͤßte man den muͤßigen Dickwaͤnſten auftragen, welche in der chriſt- lichen Kirche ſich nach Pauli Ausſpruch, vom Evan- gelio maͤſten — einem Brum* und Conſorten, um dieſer Art Leuten das niedertraͤchtige Geſchaͤft eines verraͤtheriſchen Spions gegen Maͤnner zu legen, deren Schuhriemen ſie nicht werth ſind aufzuloͤſen. Um dieſe Zeit fing ich auch an, Romane und Komoͤdien zu leſen. Ich hatte zwar ſchon vorher dergleichen Saͤchelchen in Haͤnden gehabt, ſowohl franzoͤſiſche als deutſche: aber niemals war ich er- picht darauf, und ward es erſt im Jahr 1784 und blieb es lange Zeit. Der verſtorbene Antiquar Ernſt, welcher mit guten und ſchlechten Buͤchern der ange- nehmen Leſerei mittelmaͤßig verſehn war, und um den ich mich auf mehr als eine Art verdient gemacht hatte, brachte mir, da er fand, daß ich dergleichen Buͤchleins liebte, faß taͤglich einige, die ich Anfangs nur ſo durchblaͤtterte, dann mit Behagen las, und endlich gar verſchlang. Dies ging ſo weit, daß ich zuletzt nicht mehr im Stande war, zwei Stunden nach einander bei einem ernſthaften Buche auszuhal- ten, ob ich gleich Tage lang in den abgeſchmackteſten Romanen leſen konnte, ſogar in denen, welche vom Verfaſſer der Emilie Sommer und Conſorten fabricirt waren.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 281[291]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/293>, abgerufen am 13.05.2024.