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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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ster, daß diese hineinstürzten und einige Scheiben
zerbrachen. Der Spektakel ward auf der Straße
allgemein, bis endlich Bartolini hinzukam, und
mich nach Hause führte. Die Sache kam zwar vor
meine Vorgesetzte, allein da weiter niemand klagte,
so blieb es bei einem Wischer.

Der Schwarzrock that freilich klug, daß er
meine Vorwürfe geduldig einstach und verschmerzte.
Hätte er sich rein gefühlt, so würde er schon als
hochhinauswollender Pfaffe geklagt haben; so aber
schwieg er, um seine Schande nicht auch noch gericht-
lich zu vernehmen. Was für Erbauung läßt sich in-
deß von einem Mann erwarten, der die ärgsten
Präsumptionen durch selbstverschuldete böse Gerüchte
wider sich hat? Und doch will dieser Mann die reine
Lehre retten helfen!! Sonderbar ist das immer! --
-- -- -- -- -- -- -- -- -- --
-- -- -- -- -- -- -- Doch was ist
leichter, als kirchliche Schibolets papageienmäßig nach-
zubeten; und was ist schwerer, als als Mann von
Einsicht und Ehre zu handeln? Zu jenem ließe sich
gar ein Rabbi bestechen; und nur ein Vanini be-
steigt für dieses den Scheiterhaufen als -- Mann i).

i) "Geh mit deinem Christus! der schwizte Blut vor
Angst; ich aber gehe meinem Tod unbekümmert entge-
gen," -- versezte Vanini, als auf der Hinführung
zum Scheiterhaufen einer von den Inquisitoren ihm

ſter, daß dieſe hineinſtuͤrzten und einige Scheiben
zerbrachen. Der Spektakel ward auf der Straße
allgemein, bis endlich Bartolini hinzukam, und
mich nach Hauſe fuͤhrte. Die Sache kam zwar vor
meine Vorgeſetzte, allein da weiter niemand klagte,
ſo blieb es bei einem Wiſcher.

Der Schwarzrock that freilich klug, daß er
meine Vorwuͤrfe geduldig einſtach und verſchmerzte.
Haͤtte er ſich rein gefuͤhlt, ſo wuͤrde er ſchon als
hochhinauswollender Pfaffe geklagt haben; ſo aber
ſchwieg er, um ſeine Schande nicht auch noch gericht-
lich zu vernehmen. Was fuͤr Erbauung laͤßt ſich in-
deß von einem Mann erwarten, der die aͤrgſten
Praͤſumptionen durch ſelbſtverſchuldete boͤſe Geruͤchte
wider ſich hat? Und doch will dieſer Mann die reine
Lehre retten helfen!! Sonderbar iſt das immer! —
— — — — — — — — — —
— — — — — — — Doch was iſt
leichter, als kirchliche Schibolets papageienmaͤßig nach-
zubeten; und was iſt ſchwerer, als als Mann von
Einſicht und Ehre zu handeln? Zu jenem ließe ſich
gar ein Rabbi beſtechen; und nur ein Vanini be-
ſteigt fuͤr dieſes den Scheiterhaufen als — Mann i).

i) „Geh mit deinem Chriſtus! der ſchwizte Blut vor
Angſt; ich aber gehe meinem Tod unbekuͤmmert entge-
gen,“ — verſezte Vanini, als auf der Hinfuͤhrung
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[358[360]/0362] ſter, daß dieſe hineinſtuͤrzten und einige Scheiben zerbrachen. Der Spektakel ward auf der Straße allgemein, bis endlich Bartolini hinzukam, und mich nach Hauſe fuͤhrte. Die Sache kam zwar vor meine Vorgeſetzte, allein da weiter niemand klagte, ſo blieb es bei einem Wiſcher. Der Schwarzrock that freilich klug, daß er meine Vorwuͤrfe geduldig einſtach und verſchmerzte. Haͤtte er ſich rein gefuͤhlt, ſo wuͤrde er ſchon als hochhinauswollender Pfaffe geklagt haben; ſo aber ſchwieg er, um ſeine Schande nicht auch noch gericht- lich zu vernehmen. Was fuͤr Erbauung laͤßt ſich in- deß von einem Mann erwarten, der die aͤrgſten Praͤſumptionen durch ſelbſtverſchuldete boͤſe Geruͤchte wider ſich hat? Und doch will dieſer Mann die reine Lehre retten helfen!! Sonderbar iſt das immer! — — — — — — — — — — — — — — — — — — Doch was iſt leichter, als kirchliche Schibolets papageienmaͤßig nach- zubeten; und was iſt ſchwerer, als als Mann von Einſicht und Ehre zu handeln? Zu jenem ließe ſich gar ein Rabbi beſtechen; und nur ein Vanini be- ſteigt fuͤr dieſes den Scheiterhaufen als — Mann i). i) „Geh mit deinem Chriſtus! der ſchwizte Blut vor Angſt; ich aber gehe meinem Tod unbekuͤmmert entge- gen,“ — verſezte Vanini, als auf der Hinfuͤhrung zum Scheiterhaufen einer von den Inquiſitoren ihm

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 358[360]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/362>, abgerufen am 29.04.2024.