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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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oft nur hochmüehige Narren sind, die nach derglei-
chen trachten.

An meinem erklärten Feind; dem Pfarrer
Fliedner von Bornheim, hätte ich mich gewaltig
rächen können, wenn ich gewollt hätte. Ich bin
aber froh, daß ichs unterlassen habe. Dieser Pfar-
rer hatte ein Frauenzimmer im Hause, deren Ur-
sprung und Character der ganzen Gegend ein Räth-
sel war. Sie gab sich für die Frau eines Hessischen
Kapitäns aus, der, wie sie vorgab, nach Amerika
gegangen sey. Sie sah sehr gut aus und war ohn-
gefähr 20 Jahre alt. Die Bauern, welche ohnehin
ihrem Pfarrer nicht gut waren, späheten der Ge-
schichte nach, und endlich brachte der Schulmeister
aus authentischen Nachrichten heraus, daß das
Frauenzimmer ein gemeines Mädchen aus dem Ha-
nauischen wäre, das aber ein gewisser junger Frei-
herr zur Mätresse genommen hätte. Die Eltern des
Freiherrn, welche ihn gern mit einem Fräulein
von *** verheirathen wollten, hätten dies erfahren,
und dem jungen Herrn, welcher sonst die Zierde des
... Adels und ein vortreflicher junger Mann war,
allen Umgang mit dem Mädchen scharf untersagt.
Aber nun schlug Herr Fliedner sich ins Mittel: er
nahm das Frauenzimmer zu sich und gestattete, daß
der junge Herr manche Nacht in seinem Hause zu-
brachte und sich in den Armen seiner Dulcinea diver-

oft nur hochmuͤehige Narren ſind, die nach derglei-
chen trachten.

An meinem erklaͤrten Feind; dem Pfarrer
Fliedner von Bornheim, haͤtte ich mich gewaltig
raͤchen koͤnnen, wenn ich gewollt haͤtte. Ich bin
aber froh, daß ichs unterlaſſen habe. Dieſer Pfar-
rer hatte ein Frauenzimmer im Hauſe, deren Ur-
ſprung und Character der ganzen Gegend ein Raͤth-
ſel war. Sie gab ſich fuͤr die Frau eines Heſſiſchen
Kapitaͤns aus, der, wie ſie vorgab, nach Amerika
gegangen ſey. Sie ſah ſehr gut aus und war ohn-
gefaͤhr 20 Jahre alt. Die Bauern, welche ohnehin
ihrem Pfarrer nicht gut waren, ſpaͤheten der Ge-
ſchichte nach, und endlich brachte der Schulmeiſter
aus authentiſchen Nachrichten heraus, daß das
Frauenzimmer ein gemeines Maͤdchen aus dem Ha-
nauiſchen waͤre, das aber ein gewiſſer junger Frei-
herr zur Maͤtreſſe genommen haͤtte. Die Eltern des
Freiherrn, welche ihn gern mit einem Fraͤulein
von *** verheirathen wollten, haͤtten dies erfahren,
und dem jungen Herrn, welcher ſonſt die Zierde des
... Adels und ein vortreflicher junger Mann war,
allen Umgang mit dem Maͤdchen ſcharf unterſagt.
Aber nun ſchlug Herr Fliedner ſich ins Mittel: er
nahm das Frauenzimmer zu ſich und geſtattete, daß
der junge Herr manche Nacht in ſeinem Hauſe zu-
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[55/0057] oft nur hochmuͤehige Narren ſind, die nach derglei- chen trachten. An meinem erklaͤrten Feind; dem Pfarrer Fliedner von Bornheim, haͤtte ich mich gewaltig raͤchen koͤnnen, wenn ich gewollt haͤtte. Ich bin aber froh, daß ichs unterlaſſen habe. Dieſer Pfar- rer hatte ein Frauenzimmer im Hauſe, deren Ur- ſprung und Character der ganzen Gegend ein Raͤth- ſel war. Sie gab ſich fuͤr die Frau eines Heſſiſchen Kapitaͤns aus, der, wie ſie vorgab, nach Amerika gegangen ſey. Sie ſah ſehr gut aus und war ohn- gefaͤhr 20 Jahre alt. Die Bauern, welche ohnehin ihrem Pfarrer nicht gut waren, ſpaͤheten der Ge- ſchichte nach, und endlich brachte der Schulmeiſter aus authentiſchen Nachrichten heraus, daß das Frauenzimmer ein gemeines Maͤdchen aus dem Ha- nauiſchen waͤre, das aber ein gewiſſer junger Frei- herr zur Maͤtreſſe genommen haͤtte. Die Eltern des Freiherrn, welche ihn gern mit einem Fraͤulein von *** verheirathen wollten, haͤtten dies erfahren, und dem jungen Herrn, welcher ſonſt die Zierde des ... Adels und ein vortreflicher junger Mann war, allen Umgang mit dem Maͤdchen ſcharf unterſagt. Aber nun ſchlug Herr Fliedner ſich ins Mittel: er nahm das Frauenzimmer zu ſich und geſtattete, daß der junge Herr manche Nacht in ſeinem Hauſe zu- brachte und ſich in den Armen ſeiner Dulcinea diver-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/57>, abgerufen am 26.04.2024.