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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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willst du sagen, wenn dich jemand frägt: was du
in dem Hause zu thun hast? -- Dergleichen Fragen
beunruhigten mich stark; aber ich überwand alle
Schwierigkeiten, und ging Nachmittags um zwei
Uhr in das Haus des Herrn -- Namen und Würde
bin ich vergessen. Zum Glück war die Herrschaft
nicht zu Hause. Ich fragte, wo die Demoi-
sell Chambriere logire? -- nach ihrem eigentlichen
Namen hatte der Herr von H... nicht gefragt --
und wurde an ihr Zimmer gewiesen. Ich klopfte an und
die Mamsell empfing mich mit einer Unbefangenheit,
die mich entzückte. Erst ließ sie mich niedersitzen, und
dann fragte sie nach der Absicht meines Besuchs.
Ich überreichte ihr den Brief des Herrn von H...,
den sie mit vieler Aufmerksamkeit zu lesen schien.
Hierauf lächelte sie und sagte mir: der Herr Brief-
steller würde ihr willkommen seyn: für heute wäre
sie allein.

Ich eilte, meinem Freund den guten Er-
folg meiner Ambassade zu berichten, und begleite-
te ihn zu seiner Heloise, zog mich aber bald zu-
rück, um seine Toridonischen Herzergiessungen nicht
zu stören. Nach der Zeit habe ich dieses Frauen-
zimmer mehrmals gesprochen und an ihr eine von
denen gefunden, die den meist Bietenden feil
sind. Der Baron H... hatte ihr ansehnliche

Zweiter Theil. E

willſt du ſagen, wenn dich jemand fraͤgt: was du
in dem Hauſe zu thun haſt? — Dergleichen Fragen
beunruhigten mich ſtark; aber ich uͤberwand alle
Schwierigkeiten, und ging Nachmittags um zwei
Uhr in das Haus des Herrn — Namen und Wuͤrde
bin ich vergeſſen. Zum Gluͤck war die Herrſchaft
nicht zu Hauſe. Ich fragte, wo die Demoi-
ſell Chambriere logire? — nach ihrem eigentlichen
Namen hatte der Herr von H... nicht gefragt —
und wurde an ihr Zimmer gewieſen. Ich klopfte an und
die Mamſell empfing mich mit einer Unbefangenheit,
die mich entzuͤckte. Erſt ließ ſie mich niederſitzen, und
dann fragte ſie nach der Abſicht meines Beſuchs.
Ich uͤberreichte ihr den Brief des Herrn von H...,
den ſie mit vieler Aufmerkſamkeit zu leſen ſchien.
Hierauf laͤchelte ſie und ſagte mir: der Herr Brief-
ſteller wuͤrde ihr willkommen ſeyn: fuͤr heute waͤre
ſie allein.

Ich eilte, meinem Freund den guten Er-
folg meiner Ambaſſade zu berichten, und begleite-
te ihn zu ſeiner Heloiſe, zog mich aber bald zu-
ruͤck, um ſeine Toridoniſchen Herzergieſſungen nicht
zu ſtoͤren. Nach der Zeit habe ich dieſes Frauen-
zimmer mehrmals geſprochen und an ihr eine von
denen gefunden, die den meiſt Bietenden feil
ſind. Der Baron H... hatte ihr anſehnliche

Zweiter Theil. E
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[65/0067] willſt du ſagen, wenn dich jemand fraͤgt: was du in dem Hauſe zu thun haſt? — Dergleichen Fragen beunruhigten mich ſtark; aber ich uͤberwand alle Schwierigkeiten, und ging Nachmittags um zwei Uhr in das Haus des Herrn — Namen und Wuͤrde bin ich vergeſſen. Zum Gluͤck war die Herrſchaft nicht zu Hauſe. Ich fragte, wo die Demoi- ſell Chambriere logire? — nach ihrem eigentlichen Namen hatte der Herr von H... nicht gefragt — und wurde an ihr Zimmer gewieſen. Ich klopfte an und die Mamſell empfing mich mit einer Unbefangenheit, die mich entzuͤckte. Erſt ließ ſie mich niederſitzen, und dann fragte ſie nach der Abſicht meines Beſuchs. Ich uͤberreichte ihr den Brief des Herrn von H..., den ſie mit vieler Aufmerkſamkeit zu leſen ſchien. Hierauf laͤchelte ſie und ſagte mir: der Herr Brief- ſteller wuͤrde ihr willkommen ſeyn: fuͤr heute waͤre ſie allein. Ich eilte, meinem Freund den guten Er- folg meiner Ambaſſade zu berichten, und begleite- te ihn zu ſeiner Heloiſe, zog mich aber bald zu- ruͤck, um ſeine Toridoniſchen Herzergieſſungen nicht zu ſtoͤren. Nach der Zeit habe ich dieſes Frauen- zimmer mehrmals geſprochen und an ihr eine von denen gefunden, die den meiſt Bietenden feil ſind. Der Baron H... hatte ihr anſehnliche Zweiter Theil. E

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/67>, abgerufen am 26.04.2024.