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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796.

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ging der Bube zur Thür hinaus. Ich sagte zum Kran-
kenwärter Müller, vom Hallischen Regimente: das
sey doch abscheulich: ob denn das so geschehen dürfte?
Er antwortete mir: die Feldscheere wären nun ein-
mal nicht anders, besonders dieser; der sitze den
ganzen Tag im Wirthshause zum wilden Mann
und trinke. Ich gleich hin, und fand den un-
menschlichen Firlefanz wirklich bey einer Flasche
Wein. Ich sezte mich ihm gegenüber, und redete
ihn an. Herr Chirurgus, sagte ich, wie können
Sie aber die armen Leute so unverbunden liegen
lassen? die Kerls jammern einen ja in der Seele!

Er. Hab heute schon Sechse verbunden; will
auch einen Augenblick Ruhe haben!

Ich. Aber wenn ihre Kranken so schrecklich
leiden, und obendrein den kalten Brand befürchten
müssen: so müßten sie, denk ich, bis sie ihnen Hülfe
geschafft haben, gar nicht an Ruhe denken!

Er. So? Wer nicht warten will, mag hin-
laufen!

Ich. Ja, wenn das die armen Leute könnten,
dann wollt' ich's Ihnen verdenken, wenn sie nicht
längst aus dem Mordloche gelaufen wären!

Er. Mordloch? Herr, das ist zuviel gesprochen!
Wenn ich das dem Offizier sage, kommt der Herr in
Arrest: versteht mich der Herr?


ging der Bube zur Thuͤr hinaus. Ich ſagte zum Kran-
kenwaͤrter Muͤller, vom Halliſchen Regimente: das
ſey doch abſcheulich: ob denn das ſo geſchehen duͤrfte?
Er antwortete mir: die Feldſcheere waͤren nun ein-
mal nicht anders, beſonders dieſer; der ſitze den
ganzen Tag im Wirthshauſe zum wilden Mann
und trinke. Ich gleich hin, und fand den un-
menſchlichen Firlefanz wirklich bey einer Flaſche
Wein. Ich ſezte mich ihm gegenuͤber, und redete
ihn an. Herr Chirurgus, ſagte ich, wie koͤnnen
Sie aber die armen Leute ſo unverbunden liegen
laſſen? die Kerls jammern einen ja in der Seele!

Er. Hab heute ſchon Sechſe verbunden; will
auch einen Augenblick Ruhe haben!

Ich. Aber wenn ihre Kranken ſo ſchrecklich
leiden, und obendrein den kalten Brand befuͤrchten
muͤſſen: ſo muͤßten ſie, denk ich, bis ſie ihnen Huͤlfe
geſchafft haben, gar nicht an Ruhe denken!

Er. So? Wer nicht warten will, mag hin-
laufen!

Ich. Ja, wenn das die armen Leute koͤnnten,
dann wollt' ich's Ihnen verdenken, wenn ſie nicht
laͤngſt aus dem Mordloche gelaufen waͤren!

Er. Mordloch? Herr, das iſt zuviel geſprochen!
Wenn ich das dem Offizier ſage, kommt der Herr in
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[256/0268] ging der Bube zur Thuͤr hinaus. Ich ſagte zum Kran- kenwaͤrter Muͤller, vom Halliſchen Regimente: das ſey doch abſcheulich: ob denn das ſo geſchehen duͤrfte? Er antwortete mir: die Feldſcheere waͤren nun ein- mal nicht anders, beſonders dieſer; der ſitze den ganzen Tag im Wirthshauſe zum wilden Mann und trinke. Ich gleich hin, und fand den un- menſchlichen Firlefanz wirklich bey einer Flaſche Wein. Ich ſezte mich ihm gegenuͤber, und redete ihn an. Herr Chirurgus, ſagte ich, wie koͤnnen Sie aber die armen Leute ſo unverbunden liegen laſſen? die Kerls jammern einen ja in der Seele! Er. Hab heute ſchon Sechſe verbunden; will auch einen Augenblick Ruhe haben! Ich. Aber wenn ihre Kranken ſo ſchrecklich leiden, und obendrein den kalten Brand befuͤrchten muͤſſen: ſo muͤßten ſie, denk ich, bis ſie ihnen Huͤlfe geſchafft haben, gar nicht an Ruhe denken! Er. So? Wer nicht warten will, mag hin- laufen! Ich. Ja, wenn das die armen Leute koͤnnten, dann wollt' ich's Ihnen verdenken, wenn ſie nicht laͤngſt aus dem Mordloche gelaufen waͤren! Er. Mordloch? Herr, das iſt zuviel geſprochen! Wenn ich das dem Offizier ſage, kommt der Herr in Arreſt: verſteht mich der Herr?

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/268>, abgerufen am 06.05.2024.