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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796.

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Mädchen hängt sich leicht an jeden, der ihren Ei-
gennutz und ihre Putzsucht befriedigen kann: für
Geld und schönen Putz sind die meisten feil; aber
ein Mädchen aus der Pfalz oder aus Schwaben --
von denen rede ich freilich nicht, welche von den
französischen Pestkindern, den Emigranten, ver-
giftet sind -- liebt ihren Hans um Seinetwillen.
Dort denkt man noch immer: ein braver Kerl sey
eines guten Mädchens werth: in Sachsen aber,
und da herum, soll das Mädchen blos dem gehö-
ren, der brav geben kann: auro conciliatur amor.
Hier ist Liebe -- Kunst; dort -- Natur.

Ich ging also in die Kirche, und sah dem Spe-
ctakel der Procession, und der Weihe der Kräuter
und Blumen zu, welche an diesem Tage für das
ganze Jahr zur Verjagung der Gespenster, Hexen
und alles Zaubers, wie auch der Krankheiten und
andrer Uebel geweihet werden. Während des Hoch-
amts oder der feierlichen Messe, präsentirten die
Bauren einigemal die Gewehre in der Kirche, nah-
men sie nach Tempos bey Fuß, knieten nieder nach
Tempos, zogen die Hüte nach Tempos ab, und
sezten sie eben so regelmäßig wieder auf: Alles
während der Messe! Endlich bestieg der Kaplan
die Kanzel, und ich erwartete nun auch eine ähn-
liche Predigt, voll katholischer Salbung, das heißt,
eine magere, jämmerliche Abhandlung, über die

Maͤdchen haͤngt ſich leicht an jeden, der ihren Ei-
gennutz und ihre Putzſucht befriedigen kann: fuͤr
Geld und ſchoͤnen Putz ſind die meiſten feil; aber
ein Maͤdchen aus der Pfalz oder aus Schwaben —
von denen rede ich freilich nicht, welche von den
franzoͤſiſchen Peſtkindern, den Emigranten, ver-
giftet ſind — liebt ihren Hans um Seinetwillen.
Dort denkt man noch immer: ein braver Kerl ſey
eines guten Maͤdchens werth: in Sachſen aber,
und da herum, ſoll das Maͤdchen blos dem gehoͤ-
ren, der brav geben kann: auro conciliatur amor.
Hier iſt Liebe — Kunſt; dort — Natur.

Ich ging alſo in die Kirche, und ſah dem Spe-
ctakel der Proceſſion, und der Weihe der Kraͤuter
und Blumen zu, welche an dieſem Tage fuͤr das
ganze Jahr zur Verjagung der Geſpenſter, Hexen
und alles Zaubers, wie auch der Krankheiten und
andrer Uebel geweihet werden. Waͤhrend des Hoch-
amts oder der feierlichen Meſſe, praͤſentirten die
Bauren einigemal die Gewehre in der Kirche, nah-
men ſie nach Tempos bey Fuß, knieten nieder nach
Tempos, zogen die Huͤte nach Tempos ab, und
ſezten ſie eben ſo regelmaͤßig wieder auf: Alles
waͤhrend der Meſſe! Endlich beſtieg der Kaplan
die Kanzel, und ich erwartete nun auch eine aͤhn-
liche Predigt, voll katholiſcher Salbung, das heißt,
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[440/0452] Maͤdchen haͤngt ſich leicht an jeden, der ihren Ei- gennutz und ihre Putzſucht befriedigen kann: fuͤr Geld und ſchoͤnen Putz ſind die meiſten feil; aber ein Maͤdchen aus der Pfalz oder aus Schwaben — von denen rede ich freilich nicht, welche von den franzoͤſiſchen Peſtkindern, den Emigranten, ver- giftet ſind — liebt ihren Hans um Seinetwillen. Dort denkt man noch immer: ein braver Kerl ſey eines guten Maͤdchens werth: in Sachſen aber, und da herum, ſoll das Maͤdchen blos dem gehoͤ- ren, der brav geben kann: auro conciliatur amor. Hier iſt Liebe — Kunſt; dort — Natur. Ich ging alſo in die Kirche, und ſah dem Spe- ctakel der Proceſſion, und der Weihe der Kraͤuter und Blumen zu, welche an dieſem Tage fuͤr das ganze Jahr zur Verjagung der Geſpenſter, Hexen und alles Zaubers, wie auch der Krankheiten und andrer Uebel geweihet werden. Waͤhrend des Hoch- amts oder der feierlichen Meſſe, praͤſentirten die Bauren einigemal die Gewehre in der Kirche, nah- men ſie nach Tempos bey Fuß, knieten nieder nach Tempos, zogen die Huͤte nach Tempos ab, und ſezten ſie eben ſo regelmaͤßig wieder auf: Alles waͤhrend der Meſſe! Endlich beſtieg der Kaplan die Kanzel, und ich erwartete nun auch eine aͤhn- liche Predigt, voll katholiſcher Salbung, das heißt, eine magere, jaͤmmerliche Abhandlung, uͤber die

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/452>, abgerufen am 24.05.2024.