Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

ein katholischer Pfaffe, besonders ein emigrirter,
konnte wohl nicht gescheider sprechen! Die meisten
Emigrirten räsonniren ja ohnehin von den franzö-
sischen Angelegenheiten wie der Blinde von der
Farbe.

In Frankreich bindet der bloße Ehe-Verspruch
ganz und gar nicht: vor der Bestätigung desselben
steht es jedem Theile frey, abzutreten, sobald er
Ursache dazu zu haben glaubt; aber von dem Ter-
min der legalen Bestätigung der Ehe (confirmation
du mariage
) an, wird diese als ganz vollzogen an-
gesehn.

Ich äußerte einst meine Verwunderung über
diese Einrichtung, und gab zu verstehen, daß es
doch wohl besser seyn mögte, wenn man auch dem
bloßen Versprechen wenigstens so viel gesetzliche
Verbindlichkeit zueignete, als jedes andre bürger-
liche Versprechen hätte. Mein Antagonist aber
bewies mir, daß dieses hier der Fall nicht wohl
seyn dürfte. Denn wenn sich, sagte er, schon vor
der Vollziehung der Ehe Hindernisse zeigen, so ist
es sehr rathsam, die Heurath ganz einzustellen,
um die kontrahirenden Theile nicht unglücklich zu
machen. Lieben sie sich wirklich, und finden sie
ihr gemeinschaftliches Glück, in ihrer nähern Ver-
bindung, so werden sie zusammeneilen, auch ohne
vorhergegangne gesetzmäßige Verlobung: und ist

ein katholiſcher Pfaffe, beſonders ein emigrirter,
konnte wohl nicht geſcheider ſprechen! Die meiſten
Emigrirten raͤſonniren ja ohnehin von den franzoͤ-
ſiſchen Angelegenheiten wie der Blinde von der
Farbe.

In Frankreich bindet der bloße Ehe-Verſpruch
ganz und gar nicht: vor der Beſtaͤtigung deſſelben
ſteht es jedem Theile frey, abzutreten, ſobald er
Urſache dazu zu haben glaubt; aber von dem Ter-
min der legalen Beſtaͤtigung der Ehe (confirmation
du mariage
) an, wird dieſe als ganz vollzogen an-
geſehn.

Ich aͤußerte einſt meine Verwunderung uͤber
dieſe Einrichtung, und gab zu verſtehen, daß es
doch wohl beſſer ſeyn moͤgte, wenn man auch dem
bloßen Verſprechen wenigſtens ſo viel geſetzliche
Verbindlichkeit zueignete, als jedes andre buͤrger-
liche Verſprechen haͤtte. Mein Antagoniſt aber
bewies mir, daß dieſes hier der Fall nicht wohl
ſeyn duͤrfte. Denn wenn ſich, ſagte er, ſchon vor
der Vollziehung der Ehe Hinderniſſe zeigen, ſo iſt
es ſehr rathſam, die Heurath ganz einzuſtellen,
um die kontrahirenden Theile nicht ungluͤcklich zu
machen. Lieben ſie ſich wirklich, und finden ſie
ihr gemeinſchaftliches Gluͤck, in ihrer naͤhern Ver-
bindung, ſo werden ſie zuſammeneilen, auch ohne
vorhergegangne geſetzmaͤßige Verlobung: und iſt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0139" n="135"/>
ein katholi&#x017F;cher Pfaffe, be&#x017F;onders ein emigrirter,<lb/>
konnte wohl nicht ge&#x017F;cheider &#x017F;prechen! Die mei&#x017F;ten<lb/>
Emigrirten ra&#x0364;&#x017F;onniren ja ohnehin von den franzo&#x0364;-<lb/>
&#x017F;i&#x017F;chen Angelegenheiten wie der Blinde von der<lb/>
Farbe.</p><lb/>
        <p>In Frankreich bindet der bloße Ehe-Ver&#x017F;pruch<lb/>
ganz und gar nicht: vor der Be&#x017F;ta&#x0364;tigung de&#x017F;&#x017F;elben<lb/>
&#x017F;teht es jedem Theile frey, abzutreten, &#x017F;obald er<lb/>
Ur&#x017F;ache dazu zu haben glaubt; aber von dem Ter-<lb/>
min der legalen Be&#x017F;ta&#x0364;tigung der Ehe (<hi rendition="#aq">confirmation<lb/>
du mariage</hi>) an, wird die&#x017F;e als ganz vollzogen an-<lb/>
ge&#x017F;ehn.</p><lb/>
        <p>Ich a&#x0364;ußerte ein&#x017F;t meine Verwunderung u&#x0364;ber<lb/>
die&#x017F;e Einrichtung, und gab zu ver&#x017F;tehen, daß es<lb/>
doch wohl be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;eyn mo&#x0364;gte, wenn man auch dem<lb/>
bloßen Ver&#x017F;prechen wenig&#x017F;tens &#x017F;o viel ge&#x017F;etzliche<lb/>
Verbindlichkeit zueignete, als jedes andre bu&#x0364;rger-<lb/>
liche Ver&#x017F;prechen ha&#x0364;tte. Mein Antagoni&#x017F;t aber<lb/>
bewies mir, daß die&#x017F;es hier der Fall nicht wohl<lb/>
&#x017F;eyn du&#x0364;rfte. Denn wenn &#x017F;ich, &#x017F;agte er, &#x017F;chon vor<lb/>
der Vollziehung der Ehe Hinderni&#x017F;&#x017F;e zeigen, &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
es &#x017F;ehr rath&#x017F;am, die Heurath ganz einzu&#x017F;tellen,<lb/>
um die kontrahirenden Theile nicht unglu&#x0364;cklich zu<lb/>
machen. Lieben &#x017F;ie &#x017F;ich wirklich, und finden &#x017F;ie<lb/>
ihr gemein&#x017F;chaftliches Glu&#x0364;ck, in ihrer na&#x0364;hern Ver-<lb/>
bindung, &#x017F;o werden &#x017F;ie zu&#x017F;ammeneilen, auch ohne<lb/>
vorhergegangne ge&#x017F;etzma&#x0364;ßige Verlobung: und i&#x017F;t<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0139] ein katholiſcher Pfaffe, beſonders ein emigrirter, konnte wohl nicht geſcheider ſprechen! Die meiſten Emigrirten raͤſonniren ja ohnehin von den franzoͤ- ſiſchen Angelegenheiten wie der Blinde von der Farbe. In Frankreich bindet der bloße Ehe-Verſpruch ganz und gar nicht: vor der Beſtaͤtigung deſſelben ſteht es jedem Theile frey, abzutreten, ſobald er Urſache dazu zu haben glaubt; aber von dem Ter- min der legalen Beſtaͤtigung der Ehe (confirmation du mariage) an, wird dieſe als ganz vollzogen an- geſehn. Ich aͤußerte einſt meine Verwunderung uͤber dieſe Einrichtung, und gab zu verſtehen, daß es doch wohl beſſer ſeyn moͤgte, wenn man auch dem bloßen Verſprechen wenigſtens ſo viel geſetzliche Verbindlichkeit zueignete, als jedes andre buͤrger- liche Verſprechen haͤtte. Mein Antagoniſt aber bewies mir, daß dieſes hier der Fall nicht wohl ſeyn duͤrfte. Denn wenn ſich, ſagte er, ſchon vor der Vollziehung der Ehe Hinderniſſe zeigen, ſo iſt es ſehr rathſam, die Heurath ganz einzuſtellen, um die kontrahirenden Theile nicht ungluͤcklich zu machen. Lieben ſie ſich wirklich, und finden ſie ihr gemeinſchaftliches Gluͤck, in ihrer naͤhern Ver- bindung, ſo werden ſie zuſammeneilen, auch ohne vorhergegangne geſetzmaͤßige Verlobung: und iſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/139
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/139>, abgerufen am 03.05.2024.