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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

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Er: Ich will dir's sagen! Ein religiöses Kunst-
werk ist ein Meisterstück, worin man religiöse, durch
den Aberglauben geheiligte Histörchen und Fabeln
so vorstellt, daß sich die Einbildungskraft diese
Fabeln als wirklich, oder wirklich geschehen vor-
stellen kann.

Ich: Gut: aber ein Vernünftiger wird die
Fabeln dennoch nicht glauben, wenn auch seine
Einbildung noch so sehr dadurch afficirt wird.

Er: Ganz recht: ein Vernünftiger d. i. ein
von Vorurtheilen freyer Mensch: Aber der Pöbel! --

Ich: In Frankreich giebt's ja keinen Pöbel
mehr! --

Er: (lacht) Im politischen Sinne sind wir
freilich Alle gleich: aber im moralischen! Es giebt
in Frankreich eben so schwache Leute, wie in Deutsch-
land: und da doch die Fratzen bey uns einmal
durchs Gesetz vertilgt sind, so muß auch der Sa-
men vertilgt werden, woraus sie wieder entstehen
könnten. Dahin gehören denn die religiösen Cere-
monien, die Kirchen, die Bilder, die Gemälde,
und Alles, was darauf Bezug hat. Mit den
Kunstwerken, welche den Despotismus laut pre-
digen, und die Tyranney ehrwürdig machen hel-
fen, hat es eben die Bewandniß. Und eben dar-
um sind die Ehrensäulen, Trophäen, Grabmäler,
Inschriften, nebst den Sklaven in Fesseln um Für-

Er: Ich will dir's ſagen! Ein religioͤſes Kunſt-
werk iſt ein Meiſterſtuͤck, worin man religioͤſe, durch
den Aberglauben geheiligte Hiſtoͤrchen und Fabeln
ſo vorſtellt, daß ſich die Einbildungskraft dieſe
Fabeln als wirklich, oder wirklich geſchehen vor-
ſtellen kann.

Ich: Gut: aber ein Vernuͤnftiger wird die
Fabeln dennoch nicht glauben, wenn auch ſeine
Einbildung noch ſo ſehr dadurch afficirt wird.

Er: Ganz recht: ein Vernuͤnftiger d. i. ein
von Vorurtheilen freyer Menſch: Aber der Poͤbel! —

Ich: In Frankreich giebt's ja keinen Poͤbel
mehr! —

Er: (lacht) Im politiſchen Sinne ſind wir
freilich Alle gleich: aber im moraliſchen! Es giebt
in Frankreich eben ſo ſchwache Leute, wie in Deutſch-
land: und da doch die Fratzen bey uns einmal
durchs Geſetz vertilgt ſind, ſo muß auch der Sa-
men vertilgt werden, woraus ſie wieder entſtehen
koͤnnten. Dahin gehoͤren denn die religioͤſen Cere-
monien, die Kirchen, die Bilder, die Gemaͤlde,
und Alles, was darauf Bezug hat. Mit den
Kunſtwerken, welche den Deſpotismus laut pre-
digen, und die Tyranney ehrwuͤrdig machen hel-
fen, hat es eben die Bewandniß. Und eben dar-
um ſind die Ehrenſaͤulen, Trophaͤen, Grabmaͤler,
Inſchriften, nebſt den Sklaven in Feſſeln um Fuͤr-

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[191/0195] Er: Ich will dir's ſagen! Ein religioͤſes Kunſt- werk iſt ein Meiſterſtuͤck, worin man religioͤſe, durch den Aberglauben geheiligte Hiſtoͤrchen und Fabeln ſo vorſtellt, daß ſich die Einbildungskraft dieſe Fabeln als wirklich, oder wirklich geſchehen vor- ſtellen kann. Ich: Gut: aber ein Vernuͤnftiger wird die Fabeln dennoch nicht glauben, wenn auch ſeine Einbildung noch ſo ſehr dadurch afficirt wird. Er: Ganz recht: ein Vernuͤnftiger d. i. ein von Vorurtheilen freyer Menſch: Aber der Poͤbel! — Ich: In Frankreich giebt's ja keinen Poͤbel mehr! — Er: (lacht) Im politiſchen Sinne ſind wir freilich Alle gleich: aber im moraliſchen! Es giebt in Frankreich eben ſo ſchwache Leute, wie in Deutſch- land: und da doch die Fratzen bey uns einmal durchs Geſetz vertilgt ſind, ſo muß auch der Sa- men vertilgt werden, woraus ſie wieder entſtehen koͤnnten. Dahin gehoͤren denn die religioͤſen Cere- monien, die Kirchen, die Bilder, die Gemaͤlde, und Alles, was darauf Bezug hat. Mit den Kunſtwerken, welche den Deſpotismus laut pre- digen, und die Tyranney ehrwuͤrdig machen hel- fen, hat es eben die Bewandniß. Und eben dar- um ſind die Ehrenſaͤulen, Trophaͤen, Grabmaͤler, Inſchriften, nebſt den Sklaven in Feſſeln um Fuͤr-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/195>, abgerufen am 29.04.2024.