Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

fangnen in den Niederlanden und an den Gränzen
von Elsaß die Rede ist. Denn in diesen Gegenden,
vorzüglich in den Niederlanden, hatten die frem-
den Völker alle nur ersinnlichen Exzesse begangen:
und daher war es nicht zu erwarten, daß die
Bauern sich freundlich gegen Leute betragen würden,
welche deren Dörfer verbrannt, ihre Verwandte
mishandelt, ja, gar todtgeschlagen, und all ihr
Haab und Gut weggeplündert hatten. In solch
inhumanen Fällen gilt gewöhnlich nur Zahn um
Zahn: aber doch auch nur in der ersten Hitze, denn
bald darauf kömmt Mitleid, und wir können dem
Gutes thun, der uns aufs ärgste beleidigt hat,
sobald wir nur sehen, daß er recht unglücklich ist.
Bey alle dem weis ich dennoch nicht, daß auch auf
den französischen Gränzen die deutschen Kriegsge-
fangnen wären schlecht behandelt, geschlagen oder
gar getödtet worden, wie man dieß von französi-
schen Gefangnen auf deutschem Boden gewiß
weis.

Aber es scheint auch, -- wie dieß die Unart
aller Dummstolzen ist -- als wenn die Deutschen
und andre Völker sich besser zu seyn, oder mehr
Recht zu haben dünkten, als die Franzosen: denn
in Deutschland konnte man doch wohl wissen, wie
human die Gefangnen in Frankreich gehalten wur-
den, und doch hielten sie äußerst inhuman die der

fangnen in den Niederlanden und an den Graͤnzen
von Elſaß die Rede iſt. Denn in dieſen Gegenden,
vorzuͤglich in den Niederlanden, hatten die frem-
den Voͤlker alle nur erſinnlichen Exzeſſe begangen:
und daher war es nicht zu erwarten, daß die
Bauern ſich freundlich gegen Leute betragen wuͤrden,
welche deren Doͤrfer verbrannt, ihre Verwandte
mishandelt, ja, gar todtgeſchlagen, und all ihr
Haab und Gut weggepluͤndert hatten. In ſolch
inhumanen Faͤllen gilt gewoͤhnlich nur Zahn um
Zahn: aber doch auch nur in der erſten Hitze, denn
bald darauf koͤmmt Mitleid, und wir koͤnnen dem
Gutes thun, der uns aufs aͤrgſte beleidigt hat,
ſobald wir nur ſehen, daß er recht ungluͤcklich iſt.
Bey alle dem weis ich dennoch nicht, daß auch auf
den franzoͤſiſchen Graͤnzen die deutſchen Kriegsge-
fangnen waͤren ſchlecht behandelt, geſchlagen oder
gar getoͤdtet worden, wie man dieß von franzoͤſi-
ſchen Gefangnen auf deutſchem Boden gewiß
weis.

Aber es ſcheint auch, — wie dieß die Unart
aller Dummſtolzen iſt — als wenn die Deutſchen
und andre Voͤlker ſich beſſer zu ſeyn, oder mehr
Recht zu haben duͤnkten, als die Franzoſen: denn
in Deutſchland konnte man doch wohl wiſſen, wie
human die Gefangnen in Frankreich gehalten wur-
den, und doch hielten ſie aͤußerſt inhuman die der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0034" n="30"/>
fangnen in den Niederlanden und an den Gra&#x0364;nzen<lb/>
von El&#x017F;aß die Rede i&#x017F;t. Denn in die&#x017F;en Gegenden,<lb/>
vorzu&#x0364;glich in den Niederlanden, hatten die frem-<lb/>
den Vo&#x0364;lker alle nur er&#x017F;innlichen Exze&#x017F;&#x017F;e begangen:<lb/>
und daher war es nicht zu erwarten, daß die<lb/>
Bauern &#x017F;ich freundlich gegen Leute betragen wu&#x0364;rden,<lb/>
welche deren Do&#x0364;rfer verbrannt, ihre Verwandte<lb/>
mishandelt, ja, gar todtge&#x017F;chlagen, und all ihr<lb/>
Haab und Gut weggeplu&#x0364;ndert hatten. In &#x017F;olch<lb/>
inhumanen Fa&#x0364;llen gilt gewo&#x0364;hnlich nur Zahn um<lb/>
Zahn: aber doch auch nur in der er&#x017F;ten Hitze, denn<lb/>
bald darauf ko&#x0364;mmt Mitleid, und wir ko&#x0364;nnen dem<lb/>
Gutes thun, der uns aufs a&#x0364;rg&#x017F;te beleidigt hat,<lb/>
&#x017F;obald wir nur &#x017F;ehen, daß er recht unglu&#x0364;cklich i&#x017F;t.<lb/>
Bey alle dem weis ich dennoch nicht, daß auch auf<lb/>
den franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Gra&#x0364;nzen die deut&#x017F;chen Kriegsge-<lb/>
fangnen wa&#x0364;ren &#x017F;chlecht behandelt, ge&#x017F;chlagen oder<lb/>
gar geto&#x0364;dtet worden, wie man dieß von franzo&#x0364;&#x017F;i-<lb/>
&#x017F;chen Gefangnen auf deut&#x017F;chem Boden gewiß<lb/>
weis.</p><lb/>
        <p>Aber es &#x017F;cheint auch, &#x2014; wie dieß die Unart<lb/>
aller Dumm&#x017F;tolzen i&#x017F;t &#x2014; als wenn die Deut&#x017F;chen<lb/>
und andre Vo&#x0364;lker &#x017F;ich be&#x017F;&#x017F;er zu &#x017F;eyn, oder mehr<lb/>
Recht zu haben du&#x0364;nkten, als die Franzo&#x017F;en: denn<lb/>
in Deut&#x017F;chland konnte man doch wohl wi&#x017F;&#x017F;en, wie<lb/>
human die Gefangnen in Frankreich gehalten wur-<lb/>
den, und doch hielten &#x017F;ie a&#x0364;ußer&#x017F;t inhuman die der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[30/0034] fangnen in den Niederlanden und an den Graͤnzen von Elſaß die Rede iſt. Denn in dieſen Gegenden, vorzuͤglich in den Niederlanden, hatten die frem- den Voͤlker alle nur erſinnlichen Exzeſſe begangen: und daher war es nicht zu erwarten, daß die Bauern ſich freundlich gegen Leute betragen wuͤrden, welche deren Doͤrfer verbrannt, ihre Verwandte mishandelt, ja, gar todtgeſchlagen, und all ihr Haab und Gut weggepluͤndert hatten. In ſolch inhumanen Faͤllen gilt gewoͤhnlich nur Zahn um Zahn: aber doch auch nur in der erſten Hitze, denn bald darauf koͤmmt Mitleid, und wir koͤnnen dem Gutes thun, der uns aufs aͤrgſte beleidigt hat, ſobald wir nur ſehen, daß er recht ungluͤcklich iſt. Bey alle dem weis ich dennoch nicht, daß auch auf den franzoͤſiſchen Graͤnzen die deutſchen Kriegsge- fangnen waͤren ſchlecht behandelt, geſchlagen oder gar getoͤdtet worden, wie man dieß von franzoͤſi- ſchen Gefangnen auf deutſchem Boden gewiß weis. Aber es ſcheint auch, — wie dieß die Unart aller Dummſtolzen iſt — als wenn die Deutſchen und andre Voͤlker ſich beſſer zu ſeyn, oder mehr Recht zu haben duͤnkten, als die Franzoſen: denn in Deutſchland konnte man doch wohl wiſſen, wie human die Gefangnen in Frankreich gehalten wur- den, und doch hielten ſie aͤußerſt inhuman die der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/34
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/34>, abgerufen am 27.04.2024.