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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797.

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Als ich mich in Frankreich aufhielt, war der
Zustand der zünftigen öffentlichen Gelehrsamkeit
nicht in den besten Umständen. Ich verstehe hier
unter dem Zustand der genannten Gelehrsamkeit die
Schulen und Universitäten, welche ehemals in
diesem Lande ziemlich zahlreich gewesen waren.
Diese wurden mit dem Fall der öffentlichen Reli-
gion vor der Hand auch abgeschafft, und das lag
in der damaligen Ordnung der Dinge unabänder-
lich. Die Universitäten und alle Schulen waren
größtentheils mit Geistlichen als Lehrern besezt:
diese hingen dem Papst und dem Katholicismus an.
Die übrigen Lehrer waren meist alle Anhänger der
Royalisten, lebten vorher von der Besoldung des
Hofes, sangen also dessen Lied nach der herge-
brachten geläufigen Melodie, und wurden eben
darum entweder abgesezt, oder emigrirten von
selbst. Die Schulen gingen also entweder von
selbst ein, oder man war genöthiget, sie wegen
der Widers[e]zlichkeit der Lehrer auf eine Zeitlang
ganz aufzuheben.

Robespierre verfuhr, in dieser Rücksicht,
nach seiner Art ganz konsequent. Einmal standen
ihm und seinem Systeme alle alten monarchischen
und theologischen Schulfüchse schon als Schul-
füchse theoretisch und praktisch im Wege. Auch
er benahm sich, nach dem nemo me major, nero-

Als ich mich in Frankreich aufhielt, war der
Zuſtand der zuͤnftigen oͤffentlichen Gelehrſamkeit
nicht in den beſten Umſtaͤnden. Ich verſtehe hier
unter dem Zuſtand der genannten Gelehrſamkeit die
Schulen und Univerſitaͤten, welche ehemals in
dieſem Lande ziemlich zahlreich geweſen waren.
Dieſe wurden mit dem Fall der oͤffentlichen Reli-
gion vor der Hand auch abgeſchafft, und das lag
in der damaligen Ordnung der Dinge unabaͤnder-
lich. Die Univerſitaͤten und alle Schulen waren
groͤßtentheils mit Geiſtlichen als Lehrern beſezt:
dieſe hingen dem Papſt und dem Katholicismus an.
Die uͤbrigen Lehrer waren meiſt alle Anhaͤnger der
Royaliſten, lebten vorher von der Beſoldung des
Hofes, ſangen alſo deſſen Lied nach der herge-
brachten gelaͤufigen Melodie, und wurden eben
darum entweder abgeſezt, oder emigrirten von
ſelbſt. Die Schulen gingen alſo entweder von
ſelbſt ein, oder man war genoͤthiget, ſie wegen
der Widerſ[e]zlichkeit der Lehrer auf eine Zeitlang
ganz aufzuheben.

Robespierre verfuhr, in dieſer Ruͤckſicht,
nach ſeiner Art ganz konſequent. Einmal ſtanden
ihm und ſeinem Syſteme alle alten monarchiſchen
und theologiſchen Schulfuͤchſe ſchon als Schul-
fuͤchſe theoretiſch und praktiſch im Wege. Auch
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[59/0063] Als ich mich in Frankreich aufhielt, war der Zuſtand der zuͤnftigen oͤffentlichen Gelehrſamkeit nicht in den beſten Umſtaͤnden. Ich verſtehe hier unter dem Zuſtand der genannten Gelehrſamkeit die Schulen und Univerſitaͤten, welche ehemals in dieſem Lande ziemlich zahlreich geweſen waren. Dieſe wurden mit dem Fall der oͤffentlichen Reli- gion vor der Hand auch abgeſchafft, und das lag in der damaligen Ordnung der Dinge unabaͤnder- lich. Die Univerſitaͤten und alle Schulen waren groͤßtentheils mit Geiſtlichen als Lehrern beſezt: dieſe hingen dem Papſt und dem Katholicismus an. Die uͤbrigen Lehrer waren meiſt alle Anhaͤnger der Royaliſten, lebten vorher von der Beſoldung des Hofes, ſangen alſo deſſen Lied nach der herge- brachten gelaͤufigen Melodie, und wurden eben darum entweder abgeſezt, oder emigrirten von ſelbſt. Die Schulen gingen alſo entweder von ſelbſt ein, oder man war genoͤthiget, ſie wegen der Widerſezlichkeit der Lehrer auf eine Zeitlang ganz aufzuheben. Robespierre verfuhr, in dieſer Ruͤckſicht, nach ſeiner Art ganz konſequent. Einmal ſtanden ihm und ſeinem Syſteme alle alten monarchiſchen und theologiſchen Schulfuͤchſe ſchon als Schul- fuͤchſe theoretiſch und praktiſch im Wege. Auch er benahm ſich, nach dem nemo me major, nero-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/63>, abgerufen am 12.05.2024.