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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797.

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nisch, und dann dachte er sich die Gelehrten gerade
so, wie sehr wenige von ihnen nicht sind. "Wer
sind unsere Feinde?" frägt er in dem Katechis-
mus, welchen man nach seiner Hinrichtung unter
seinen Papieren gefunden hat, und antwortet:
"Die Reichen und die Schriftsteller." -- Er frägt
weiter: "Wie kann man die Schriftsteller zum
Schweigen bringen; wie sie für die Sache des
Volkes stimmen?" Antwort: "Sie sind denen
ergeben, von welchen sie bezahlt werden. Nun
ist aber niemand im Stande, sie zu bezahlen, als
die Reichen, diese natürlichen Feinde der Gerech-
tigkeit und Menschlichkeit; folglich müssen die
Schriftsteller, wie die Reichen, als die gefähr-
lichsten Feinde des Vaterlands durch Proscription
aus dem Wege geräumt werden."

Das war freilich Robespierrisch gedacht, aber
die Grundlage seines Räsonnements kann man in
mancher andern nachtheiligen Rücksicht eben nicht
läugnen. Die Akademien in Frankreich hatten,
wie so viele anderwärts, bis zur Zeit der Revolu-
tion theils blos spekulative, theils kriechende und
den Despoten und dem Despotismus schmeichelnde
Preisfragen aufgegeben. Lehrer des Fürsten und
der Nation waren sie, für die Hauptsache, nie.
Der Despotismus ließ es nicht zu, den Gemein-
geist auf Gegenstände zu lenken, die für das Volks-

niſch, und dann dachte er ſich die Gelehrten gerade
ſo, wie ſehr wenige von ihnen nicht ſind. „Wer
ſind unſere Feinde?“ fraͤgt er in dem Katechis-
mus, welchen man nach ſeiner Hinrichtung unter
ſeinen Papieren gefunden hat, und antwortet:
„Die Reichen und die Schriftſteller.“ — Er fraͤgt
weiter: „Wie kann man die Schriftſteller zum
Schweigen bringen; wie ſie fuͤr die Sache des
Volkes ſtimmen?“ Antwort: „Sie ſind denen
ergeben, von welchen ſie bezahlt werden. Nun
iſt aber niemand im Stande, ſie zu bezahlen, als
die Reichen, dieſe natuͤrlichen Feinde der Gerech-
tigkeit und Menſchlichkeit; folglich muͤſſen die
Schriftſteller, wie die Reichen, als die gefaͤhr-
lichſten Feinde des Vaterlands durch Proſcription
aus dem Wege geraͤumt werden.“

Das war freilich Robespierriſch gedacht, aber
die Grundlage ſeines Raͤſonnements kann man in
mancher andern nachtheiligen Ruͤckſicht eben nicht
laͤugnen. Die Akademien in Frankreich hatten,
wie ſo viele anderwaͤrts, bis zur Zeit der Revolu-
tion theils blos ſpekulative, theils kriechende und
den Deſpoten und dem Deſpotismus ſchmeichelnde
Preisfragen aufgegeben. Lehrer des Fuͤrſten und
der Nation waren ſie, fuͤr die Hauptſache, nie.
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[60/0064] niſch, und dann dachte er ſich die Gelehrten gerade ſo, wie ſehr wenige von ihnen nicht ſind. „Wer ſind unſere Feinde?“ fraͤgt er in dem Katechis- mus, welchen man nach ſeiner Hinrichtung unter ſeinen Papieren gefunden hat, und antwortet: „Die Reichen und die Schriftſteller.“ — Er fraͤgt weiter: „Wie kann man die Schriftſteller zum Schweigen bringen; wie ſie fuͤr die Sache des Volkes ſtimmen?“ Antwort: „Sie ſind denen ergeben, von welchen ſie bezahlt werden. Nun iſt aber niemand im Stande, ſie zu bezahlen, als die Reichen, dieſe natuͤrlichen Feinde der Gerech- tigkeit und Menſchlichkeit; folglich muͤſſen die Schriftſteller, wie die Reichen, als die gefaͤhr- lichſten Feinde des Vaterlands durch Proſcription aus dem Wege geraͤumt werden.“ Das war freilich Robespierriſch gedacht, aber die Grundlage ſeines Raͤſonnements kann man in mancher andern nachtheiligen Ruͤckſicht eben nicht laͤugnen. Die Akademien in Frankreich hatten, wie ſo viele anderwaͤrts, bis zur Zeit der Revolu- tion theils blos ſpekulative, theils kriechende und den Deſpoten und dem Deſpotismus ſchmeichelnde Preisfragen aufgegeben. Lehrer des Fuͤrſten und der Nation waren ſie, fuͤr die Hauptſache, nie. Der Deſpotismus ließ es nicht zu, den Gemein- geiſt auf Gegenſtaͤnde zu lenken, die fuͤr das Volks-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/64>, abgerufen am 12.05.2024.