Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite

Härtungsprobe.
und sie besitzt eine besondere Wichtigkeit bei dem zur Herstellung
von Werkzeugen bestimmten Stahle, weil gerade hier die Brauchbar-
keit zum grossen Theile von der Härtungsfähigkeit abhängt. Reiser 1)
empfiehlt, die Untersuchung in folgender Weise auszuführen.

Zuerst stellt man eine Vorprüfung an zur Ermittelung der geeig-
netsten Härtungstemperatur. Ein geschmiedetes oder gewalztes Stück
Stahl von vielleicht 20 mm Durchmesser wird in Abständen von 15 zu
15 mm mit etwa neun herumlaufenden Kerben versehen und dann in
einem Schmiedefeuer derartig erhitzt, dass nur das erste eingekerbte
Stück der Gluth unmittelbar preisgegeben ist, und die übrigen sich
ausserhalb des Feuers befinden. Ist das erste Stück bis zum Funken-
sprühen, also bis zum Verbrennen (S. 642) erhitzt, während die Er-
hitzung des letzten Stückes bis zur dunkeln Braunröthe vorgeschritten
ist, so löscht man die Stange rasch in Wasser ab und trocknet sie mit
einem Tuche oder dergleichen sorgfältig ab. Man prüft nun zunächst
mit einer harten Feile die Härte der einzelnen Stücke. Das erste, ver-
brannte Stück wird in jedem Falle ziemlich hart sein. An der Aussen-
seite desselben haben sich sogenannte Hartkörner gebildet, vermuth-
lich ausgesaigerte, leichter schmelzbare Legirungen von Mangan, Eisen,
Silicium, Phosphor u. s. w., ähnlich dem Anbrande des Roheisens
(S. 293).

Das zweite, nicht verbrannte Stück dagegen ist weicher; da aber
seine Erhitzung die normale Härtungstemperatur des Stahles bereits
überschritten hatte, so ist es auch weicher, als wenn es nur bis zu
dieser erhitzt worden wäre. Aus eben diesem Grunde ist das dritte
Stück wieder härter als das zweite, das vierte härter als das dritte;
und bei fortschreitender Untersuchung wird man, gewöhnlich zwischen
dem sechsten und zehnten Stücke, schliesslich auf ein Stück treffen,
welches unter allen das härteste ist und dessen Temperatur mithin die
geeignetste für das Härten war. Von diesem Stücke bis zu dem
zweiten Ende des Stahlstabes vermindert sich die Härte wieder bis zur
Naturhärte des Stahles.

Mit dieser Aenderung der Härte steht die Aenderung des beim
Abschlagen der einzelnen Stücke erkennbaren Gefüges in naher Be-
ziehung. Das verbrannte Stück zeigt, wie gewöhnlich, eine grobkry-
stallinische glänzende Bruchfläche; dasjenige Stück, welches die zum
Härten geeignetste Temperatur besass, ist am feinkörnigsten.

Harter Stahl wird bei dieser Vorprobe nicht selten reissen, ein
Vorgang, welcher jedoch an und für sich keineswegs ein Beweis für
eine ungenügende Beschaffenheit desselben ist.

Nachdem man in solcher Weise erkannt hat, ob die Härtungs-
temperatur des zu prüfenden Stahles höher oder niedriger liegt (im
Allgemeinen wird sie bei härterem Stahle tiefer als bei weniger hartem
liegen), schmiedet man aus demselben eine Stange von quadratischem
Querschnitte und etwa 15--20 mm stark, erwärmt sie zu der als ge-
eignet befundenen Härtungstemperatur und härtet sie in Wasser von
20°C. Temperatur. Ein nicht sehr harter Stahl muss, ohne zu reissen,

1) Härten des Stahles, S. 48 (vergl. Literatur).

Härtungsprobe.
und sie besitzt eine besondere Wichtigkeit bei dem zur Herstellung
von Werkzeugen bestimmten Stahle, weil gerade hier die Brauchbar-
keit zum grossen Theile von der Härtungsfähigkeit abhängt. Reiser 1)
empfiehlt, die Untersuchung in folgender Weise auszuführen.

Zuerst stellt man eine Vorprüfung an zur Ermittelung der geeig-
netsten Härtungstemperatur. Ein geschmiedetes oder gewalztes Stück
Stahl von vielleicht 20 mm Durchmesser wird in Abständen von 15 zu
15 mm mit etwa neun herumlaufenden Kerben versehen und dann in
einem Schmiedefeuer derartig erhitzt, dass nur das erste eingekerbte
Stück der Gluth unmittelbar preisgegeben ist, und die übrigen sich
ausserhalb des Feuers befinden. Ist das erste Stück bis zum Funken-
sprühen, also bis zum Verbrennen (S. 642) erhitzt, während die Er-
hitzung des letzten Stückes bis zur dunkeln Braunröthe vorgeschritten
ist, so löscht man die Stange rasch in Wasser ab und trocknet sie mit
einem Tuche oder dergleichen sorgfältig ab. Man prüft nun zunächst
mit einer harten Feile die Härte der einzelnen Stücke. Das erste, ver-
brannte Stück wird in jedem Falle ziemlich hart sein. An der Aussen-
seite desselben haben sich sogenannte Hartkörner gebildet, vermuth-
lich ausgesaigerte, leichter schmelzbare Legirungen von Mangan, Eisen,
Silicium, Phosphor u. s. w., ähnlich dem Anbrande des Roheisens
(S. 293).

Das zweite, nicht verbrannte Stück dagegen ist weicher; da aber
seine Erhitzung die normale Härtungstemperatur des Stahles bereits
überschritten hatte, so ist es auch weicher, als wenn es nur bis zu
dieser erhitzt worden wäre. Aus eben diesem Grunde ist das dritte
Stück wieder härter als das zweite, das vierte härter als das dritte;
und bei fortschreitender Untersuchung wird man, gewöhnlich zwischen
dem sechsten und zehnten Stücke, schliesslich auf ein Stück treffen,
welches unter allen das härteste ist und dessen Temperatur mithin die
geeignetste für das Härten war. Von diesem Stücke bis zu dem
zweiten Ende des Stahlstabes vermindert sich die Härte wieder bis zur
Naturhärte des Stahles.

Mit dieser Aenderung der Härte steht die Aenderung des beim
Abschlagen der einzelnen Stücke erkennbaren Gefüges in naher Be-
ziehung. Das verbrannte Stück zeigt, wie gewöhnlich, eine grobkry-
stallinische glänzende Bruchfläche; dasjenige Stück, welches die zum
Härten geeignetste Temperatur besass, ist am feinkörnigsten.

Harter Stahl wird bei dieser Vorprobe nicht selten reissen, ein
Vorgang, welcher jedoch an und für sich keineswegs ein Beweis für
eine ungenügende Beschaffenheit desselben ist.

Nachdem man in solcher Weise erkannt hat, ob die Härtungs-
temperatur des zu prüfenden Stahles höher oder niedriger liegt (im
Allgemeinen wird sie bei härterem Stahle tiefer als bei weniger hartem
liegen), schmiedet man aus demselben eine Stange von quadratischem
Querschnitte und etwa 15—20 mm stark, erwärmt sie zu der als ge-
eignet befundenen Härtungstemperatur und härtet sie in Wasser von
20°C. Temperatur. Ein nicht sehr harter Stahl muss, ohne zu reissen,

1) Härten des Stahles, S. 48 (vergl. Literatur).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0737" n="669"/><fw place="top" type="header">Härtungsprobe.</fw><lb/>
und sie besitzt eine besondere Wichtigkeit bei dem zur Herstellung<lb/>
von Werkzeugen bestimmten Stahle, weil gerade hier die Brauchbar-<lb/>
keit zum grossen Theile von der Härtungsfähigkeit abhängt. <hi rendition="#g">Reiser</hi> <note place="foot" n="1)">Härten des Stahles, S. 48 (vergl. Literatur).</note><lb/>
empfiehlt, die Untersuchung in folgender Weise auszuführen.</p><lb/>
            <p>Zuerst stellt man eine Vorprüfung an zur Ermittelung der geeig-<lb/>
netsten Härtungstemperatur. Ein geschmiedetes oder gewalztes Stück<lb/>
Stahl von vielleicht 20 mm Durchmesser wird in Abständen von 15 zu<lb/>
15 mm mit etwa neun herumlaufenden Kerben versehen und dann in<lb/>
einem Schmiedefeuer derartig erhitzt, dass nur das erste eingekerbte<lb/>
Stück der Gluth unmittelbar preisgegeben ist, und die übrigen sich<lb/>
ausserhalb des Feuers befinden. Ist das erste Stück bis zum Funken-<lb/>
sprühen, also bis zum Verbrennen (S. 642) erhitzt, während die Er-<lb/>
hitzung des letzten Stückes bis zur dunkeln Braunröthe vorgeschritten<lb/>
ist, so löscht man die Stange rasch in Wasser ab und trocknet sie mit<lb/>
einem Tuche oder dergleichen sorgfältig ab. Man prüft nun zunächst<lb/>
mit einer harten Feile die Härte der einzelnen Stücke. Das erste, ver-<lb/>
brannte Stück wird in jedem Falle ziemlich hart sein. An der Aussen-<lb/>
seite desselben haben sich sogenannte <hi rendition="#g">Hartkörner</hi> gebildet, vermuth-<lb/>
lich ausgesaigerte, leichter schmelzbare Legirungen von Mangan, Eisen,<lb/>
Silicium, Phosphor u. s. w., ähnlich dem Anbrande des Roheisens<lb/>
(S. 293).</p><lb/>
            <p>Das zweite, nicht verbrannte Stück dagegen ist weicher; da aber<lb/>
seine Erhitzung die normale Härtungstemperatur des Stahles bereits<lb/>
überschritten hatte, so ist es auch weicher, als wenn es nur bis zu<lb/>
dieser erhitzt worden wäre. Aus eben diesem Grunde ist das dritte<lb/>
Stück wieder härter als das zweite, das vierte härter als das dritte;<lb/>
und bei fortschreitender Untersuchung wird man, gewöhnlich zwischen<lb/>
dem sechsten und zehnten Stücke, schliesslich auf ein Stück treffen,<lb/>
welches unter allen das härteste ist und dessen Temperatur mithin die<lb/>
geeignetste für das Härten war. Von diesem Stücke bis zu dem<lb/>
zweiten Ende des Stahlstabes vermindert sich die Härte wieder bis zur<lb/>
Naturhärte des Stahles.</p><lb/>
            <p>Mit dieser Aenderung der Härte steht die Aenderung des beim<lb/>
Abschlagen der einzelnen Stücke erkennbaren Gefüges in naher Be-<lb/>
ziehung. Das verbrannte Stück zeigt, wie gewöhnlich, eine grobkry-<lb/>
stallinische glänzende Bruchfläche; dasjenige Stück, welches die zum<lb/>
Härten geeignetste Temperatur besass, ist am feinkörnigsten.</p><lb/>
            <p>Harter Stahl wird bei dieser Vorprobe nicht selten reissen, ein<lb/>
Vorgang, welcher jedoch an und für sich keineswegs ein Beweis für<lb/>
eine ungenügende Beschaffenheit desselben ist.</p><lb/>
            <p>Nachdem man in solcher Weise erkannt hat, ob die Härtungs-<lb/>
temperatur des zu prüfenden Stahles höher oder niedriger liegt (im<lb/>
Allgemeinen wird sie bei härterem Stahle tiefer als bei weniger hartem<lb/>
liegen), schmiedet man aus demselben eine Stange von quadratischem<lb/>
Querschnitte und etwa 15&#x2014;20 mm stark, erwärmt sie zu der als ge-<lb/>
eignet befundenen Härtungstemperatur und härtet sie in Wasser von<lb/>
20°C. Temperatur. Ein nicht sehr harter Stahl muss, ohne zu reissen,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[669/0737] Härtungsprobe. und sie besitzt eine besondere Wichtigkeit bei dem zur Herstellung von Werkzeugen bestimmten Stahle, weil gerade hier die Brauchbar- keit zum grossen Theile von der Härtungsfähigkeit abhängt. Reiser 1) empfiehlt, die Untersuchung in folgender Weise auszuführen. Zuerst stellt man eine Vorprüfung an zur Ermittelung der geeig- netsten Härtungstemperatur. Ein geschmiedetes oder gewalztes Stück Stahl von vielleicht 20 mm Durchmesser wird in Abständen von 15 zu 15 mm mit etwa neun herumlaufenden Kerben versehen und dann in einem Schmiedefeuer derartig erhitzt, dass nur das erste eingekerbte Stück der Gluth unmittelbar preisgegeben ist, und die übrigen sich ausserhalb des Feuers befinden. Ist das erste Stück bis zum Funken- sprühen, also bis zum Verbrennen (S. 642) erhitzt, während die Er- hitzung des letzten Stückes bis zur dunkeln Braunröthe vorgeschritten ist, so löscht man die Stange rasch in Wasser ab und trocknet sie mit einem Tuche oder dergleichen sorgfältig ab. Man prüft nun zunächst mit einer harten Feile die Härte der einzelnen Stücke. Das erste, ver- brannte Stück wird in jedem Falle ziemlich hart sein. An der Aussen- seite desselben haben sich sogenannte Hartkörner gebildet, vermuth- lich ausgesaigerte, leichter schmelzbare Legirungen von Mangan, Eisen, Silicium, Phosphor u. s. w., ähnlich dem Anbrande des Roheisens (S. 293). Das zweite, nicht verbrannte Stück dagegen ist weicher; da aber seine Erhitzung die normale Härtungstemperatur des Stahles bereits überschritten hatte, so ist es auch weicher, als wenn es nur bis zu dieser erhitzt worden wäre. Aus eben diesem Grunde ist das dritte Stück wieder härter als das zweite, das vierte härter als das dritte; und bei fortschreitender Untersuchung wird man, gewöhnlich zwischen dem sechsten und zehnten Stücke, schliesslich auf ein Stück treffen, welches unter allen das härteste ist und dessen Temperatur mithin die geeignetste für das Härten war. Von diesem Stücke bis zu dem zweiten Ende des Stahlstabes vermindert sich die Härte wieder bis zur Naturhärte des Stahles. Mit dieser Aenderung der Härte steht die Aenderung des beim Abschlagen der einzelnen Stücke erkennbaren Gefüges in naher Be- ziehung. Das verbrannte Stück zeigt, wie gewöhnlich, eine grobkry- stallinische glänzende Bruchfläche; dasjenige Stück, welches die zum Härten geeignetste Temperatur besass, ist am feinkörnigsten. Harter Stahl wird bei dieser Vorprobe nicht selten reissen, ein Vorgang, welcher jedoch an und für sich keineswegs ein Beweis für eine ungenügende Beschaffenheit desselben ist. Nachdem man in solcher Weise erkannt hat, ob die Härtungs- temperatur des zu prüfenden Stahles höher oder niedriger liegt (im Allgemeinen wird sie bei härterem Stahle tiefer als bei weniger hartem liegen), schmiedet man aus demselben eine Stange von quadratischem Querschnitte und etwa 15—20 mm stark, erwärmt sie zu der als ge- eignet befundenen Härtungstemperatur und härtet sie in Wasser von 20°C. Temperatur. Ein nicht sehr harter Stahl muss, ohne zu reissen, 1) Härten des Stahles, S. 48 (vergl. Literatur).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/737
Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 669. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/737>, abgerufen am 29.05.2024.