Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite
Aetzprobe.

Als Aetzmittel lassen sich verschiedene Säuren oder Säuregemische
benutzen. Einige verwenden ein Gemisch von drei Theilen concen-
trirter Salzsäure mit einem Theil rauchender Salpetersäure; ich pflege
mich eines Gemisches aus zwei Raumtheilen gewöhnlicher Salpetersäure
mit einem Raumtheile englischer Schwefelsäure zu bedienen.

Lässt sich der zu prüfende Stab in senkrechter Stellung hängend
befestigen, so bringt man am geeignetsten die Aetzflüssigkeit in eine
nicht allzu flache Porzellanschale und lässt den Stab von oben her
in die Säure eintauchen, ohne dass er den Boden der Schale berührt;
ist es dagegen nicht möglich, ihn in dieser Weise zu befestigen oder
soll nur eine bestimmte Stelle auf einer grösseren Fläche -- einer Blech-
tafel, einem Schmiedestücke u. s. w. -- untersucht werden, so umgiebt
man diese Stelle oder Fläche mit einem Wachsrande und giesst die
Säure hinein. Für tiefe Aetzungen ist eine Einwirkung von einer bis
zwei Stunden erforderlich. Es empfiehlt sich, das Eisenstück, wenn es
angeht, während dieser Zeit einige Male aus der Flüssigkeit heraus-
zunehmen, mit Wasser gut abzuspülen und die geätzte Fläche mit
einer harten Zahnbürste von abgelagertem Kohlenstoff und dergleichen
zu reinigen, auch wird es bisweilen nothwendig sein, die Säure zu
erneuern, sofern das Aufhören der Gasentwickelung zeigt, dass sie nicht
mehr einwirkt.

Schliesslich spült man das Probestück sehr sorgfältig in fliessendem
Wasser ab, bringt es hierauf, sofern seine Grösse es gestattet, mit der
geätzten Fläche in kochendes Wasser, lässt es so lange darin verweilen,
bis auch der nicht im Wasser befindliche Theil heiss geworden ist und
nimmt es heraus, worauf das anhaftende Wasser von dem heissen
Eisenstücke in wenigen Augenblicken verdunstet.

Will man die Proben etwa längere Zeit aufbewahren, so empfiehlt
es sich, sie vor dem Einbringen in heisses Wasser, aber nach dem
Abspülen in kaltem, zunächst in Kalkwasser zu tauchen, und schliess-
lich, nachdem sie aus dem heissen Wasser kommen, sie noch heiss in
geschmolzenes ziemlich stark erhitztes Wachs einige Secunden ein-
zulegen. Mit reinem Fliesspapier wischt man, wenn sie herauskommen,
das überschüssige flüssige Wachs ab und es hinterbleibt dann immerhin
noch eine ausreichend starke Wachsschicht, um sie vor dem Rosten zu
schützen, ohne ihrem Aussehen zu schaden.

Der Erfolg der Aetzprobe nun beruht auf dem Umstande, dass
durch die Säure dichtere Stellen des Eisens weniger stark als lockere,
härtere, insbesondere kohlenstoffreichere, weniger stark als weichere,
kohlenstoffärmere angegriffen werden. Ersterer Umstand erklärt es z. B.,
dass bei sehnigem Eisen die einzelnen Sehnen oder Fasern, welche
vielleicht auf der Bruchfläche gar nicht erkennbar waren, nach dem
Aetzen reliefartig sich von den übrigen Partien abheben und dem
Auge sich darstellen. Wie schon früher erörtert wurde, bestehen diese
Sehnen aus fest zusammenhängenden Krystallreihen, welche wie die
Strähnen eines Taues neben einander liegen und sich verschlingen,
gegenseitig aber verhältnissmässig wenig Zusammenhang besitzen. Zwi-
schen den einzelnen Sehnen also dringt die Säure leicht in das Gefüge
ein und löst hier das lockere Eisen auf, während die Sehnen selbst
erst allmählicher angegriffen werden.

Aetzprobe.

Als Aetzmittel lassen sich verschiedene Säuren oder Säuregemische
benutzen. Einige verwenden ein Gemisch von drei Theilen concen-
trirter Salzsäure mit einem Theil rauchender Salpetersäure; ich pflege
mich eines Gemisches aus zwei Raumtheilen gewöhnlicher Salpetersäure
mit einem Raumtheile englischer Schwefelsäure zu bedienen.

Lässt sich der zu prüfende Stab in senkrechter Stellung hängend
befestigen, so bringt man am geeignetsten die Aetzflüssigkeit in eine
nicht allzu flache Porzellanschale und lässt den Stab von oben her
in die Säure eintauchen, ohne dass er den Boden der Schale berührt;
ist es dagegen nicht möglich, ihn in dieser Weise zu befestigen oder
soll nur eine bestimmte Stelle auf einer grösseren Fläche — einer Blech-
tafel, einem Schmiedestücke u. s. w. — untersucht werden, so umgiebt
man diese Stelle oder Fläche mit einem Wachsrande und giesst die
Säure hinein. Für tiefe Aetzungen ist eine Einwirkung von einer bis
zwei Stunden erforderlich. Es empfiehlt sich, das Eisenstück, wenn es
angeht, während dieser Zeit einige Male aus der Flüssigkeit heraus-
zunehmen, mit Wasser gut abzuspülen und die geätzte Fläche mit
einer harten Zahnbürste von abgelagertem Kohlenstoff und dergleichen
zu reinigen, auch wird es bisweilen nothwendig sein, die Säure zu
erneuern, sofern das Aufhören der Gasentwickelung zeigt, dass sie nicht
mehr einwirkt.

Schliesslich spült man das Probestück sehr sorgfältig in fliessendem
Wasser ab, bringt es hierauf, sofern seine Grösse es gestattet, mit der
geätzten Fläche in kochendes Wasser, lässt es so lange darin verweilen,
bis auch der nicht im Wasser befindliche Theil heiss geworden ist und
nimmt es heraus, worauf das anhaftende Wasser von dem heissen
Eisenstücke in wenigen Augenblicken verdunstet.

Will man die Proben etwa längere Zeit aufbewahren, so empfiehlt
es sich, sie vor dem Einbringen in heisses Wasser, aber nach dem
Abspülen in kaltem, zunächst in Kalkwasser zu tauchen, und schliess-
lich, nachdem sie aus dem heissen Wasser kommen, sie noch heiss in
geschmolzenes ziemlich stark erhitztes Wachs einige Secunden ein-
zulegen. Mit reinem Fliesspapier wischt man, wenn sie herauskommen,
das überschüssige flüssige Wachs ab und es hinterbleibt dann immerhin
noch eine ausreichend starke Wachsschicht, um sie vor dem Rosten zu
schützen, ohne ihrem Aussehen zu schaden.

Der Erfolg der Aetzprobe nun beruht auf dem Umstande, dass
durch die Säure dichtere Stellen des Eisens weniger stark als lockere,
härtere, insbesondere kohlenstoffreichere, weniger stark als weichere,
kohlenstoffärmere angegriffen werden. Ersterer Umstand erklärt es z. B.,
dass bei sehnigem Eisen die einzelnen Sehnen oder Fasern, welche
vielleicht auf der Bruchfläche gar nicht erkennbar waren, nach dem
Aetzen reliefartig sich von den übrigen Partien abheben und dem
Auge sich darstellen. Wie schon früher erörtert wurde, bestehen diese
Sehnen aus fest zusammenhängenden Krystallreihen, welche wie die
Strähnen eines Taues neben einander liegen und sich verschlingen,
gegenseitig aber verhältnissmässig wenig Zusammenhang besitzen. Zwi-
schen den einzelnen Sehnen also dringt die Säure leicht in das Gefüge
ein und löst hier das lockere Eisen auf, während die Sehnen selbst
erst allmählicher angegriffen werden.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0739" n="671"/>
            <fw place="top" type="header">Aetzprobe.</fw><lb/>
            <p>Als Aetzmittel lassen sich verschiedene Säuren oder Säuregemische<lb/>
benutzen. Einige verwenden ein Gemisch von drei Theilen concen-<lb/>
trirter Salzsäure mit einem Theil rauchender Salpetersäure; ich pflege<lb/>
mich eines Gemisches aus zwei Raumtheilen gewöhnlicher Salpetersäure<lb/>
mit einem Raumtheile englischer Schwefelsäure zu bedienen.</p><lb/>
            <p>Lässt sich der zu prüfende Stab in senkrechter Stellung hängend<lb/>
befestigen, so bringt man am geeignetsten die Aetzflüssigkeit in eine<lb/>
nicht allzu flache Porzellanschale und lässt den Stab von oben her<lb/>
in die Säure eintauchen, ohne dass er den Boden der Schale berührt;<lb/>
ist es dagegen nicht möglich, ihn in dieser Weise zu befestigen oder<lb/>
soll nur eine bestimmte Stelle auf einer grösseren Fläche &#x2014; einer Blech-<lb/>
tafel, einem Schmiedestücke u. s. w. &#x2014; untersucht werden, so umgiebt<lb/>
man diese Stelle oder Fläche mit einem Wachsrande und giesst die<lb/>
Säure hinein. Für tiefe Aetzungen ist eine Einwirkung von einer bis<lb/>
zwei Stunden erforderlich. Es empfiehlt sich, das Eisenstück, wenn es<lb/>
angeht, während dieser Zeit einige Male aus der Flüssigkeit heraus-<lb/>
zunehmen, mit Wasser gut abzuspülen und die geätzte Fläche mit<lb/>
einer harten Zahnbürste von abgelagertem Kohlenstoff und dergleichen<lb/>
zu reinigen, auch wird es bisweilen nothwendig sein, die Säure zu<lb/>
erneuern, sofern das Aufhören der Gasentwickelung zeigt, dass sie nicht<lb/>
mehr einwirkt.</p><lb/>
            <p>Schliesslich spült man das Probestück sehr sorgfältig in fliessendem<lb/>
Wasser ab, bringt es hierauf, sofern seine Grösse es gestattet, mit der<lb/>
geätzten Fläche in kochendes Wasser, lässt es so lange darin verweilen,<lb/>
bis auch der nicht im Wasser befindliche Theil heiss geworden ist und<lb/>
nimmt es heraus, worauf das anhaftende Wasser von dem heissen<lb/>
Eisenstücke in wenigen Augenblicken verdunstet.</p><lb/>
            <p>Will man die Proben etwa längere Zeit aufbewahren, so empfiehlt<lb/>
es sich, sie vor dem Einbringen in heisses Wasser, aber nach dem<lb/>
Abspülen in kaltem, zunächst in Kalkwasser zu tauchen, und schliess-<lb/>
lich, nachdem sie aus dem heissen Wasser kommen, sie noch heiss in<lb/>
geschmolzenes ziemlich stark erhitztes Wachs einige Secunden ein-<lb/>
zulegen. Mit reinem Fliesspapier wischt man, wenn sie herauskommen,<lb/>
das überschüssige flüssige Wachs ab und es hinterbleibt dann immerhin<lb/>
noch eine ausreichend starke Wachsschicht, um sie vor dem Rosten zu<lb/>
schützen, ohne ihrem Aussehen zu schaden.</p><lb/>
            <p>Der Erfolg der Aetzprobe nun beruht auf dem Umstande, dass<lb/>
durch die Säure dichtere Stellen des Eisens weniger stark als lockere,<lb/>
härtere, insbesondere kohlenstoffreichere, weniger stark als weichere,<lb/>
kohlenstoffärmere angegriffen werden. Ersterer Umstand erklärt es z. B.,<lb/>
dass bei sehnigem Eisen die einzelnen Sehnen oder Fasern, welche<lb/>
vielleicht auf der Bruchfläche gar nicht erkennbar waren, nach dem<lb/>
Aetzen reliefartig sich von den übrigen Partien abheben und dem<lb/>
Auge sich darstellen. Wie schon früher erörtert wurde, bestehen diese<lb/>
Sehnen aus fest zusammenhängenden Krystallreihen, welche wie die<lb/>
Strähnen eines Taues neben einander liegen und sich verschlingen,<lb/>
gegenseitig aber verhältnissmässig wenig Zusammenhang besitzen. Zwi-<lb/>
schen den einzelnen Sehnen also dringt die Säure leicht in das Gefüge<lb/>
ein und löst hier das lockere Eisen auf, während die Sehnen selbst<lb/>
erst allmählicher angegriffen werden.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[671/0739] Aetzprobe. Als Aetzmittel lassen sich verschiedene Säuren oder Säuregemische benutzen. Einige verwenden ein Gemisch von drei Theilen concen- trirter Salzsäure mit einem Theil rauchender Salpetersäure; ich pflege mich eines Gemisches aus zwei Raumtheilen gewöhnlicher Salpetersäure mit einem Raumtheile englischer Schwefelsäure zu bedienen. Lässt sich der zu prüfende Stab in senkrechter Stellung hängend befestigen, so bringt man am geeignetsten die Aetzflüssigkeit in eine nicht allzu flache Porzellanschale und lässt den Stab von oben her in die Säure eintauchen, ohne dass er den Boden der Schale berührt; ist es dagegen nicht möglich, ihn in dieser Weise zu befestigen oder soll nur eine bestimmte Stelle auf einer grösseren Fläche — einer Blech- tafel, einem Schmiedestücke u. s. w. — untersucht werden, so umgiebt man diese Stelle oder Fläche mit einem Wachsrande und giesst die Säure hinein. Für tiefe Aetzungen ist eine Einwirkung von einer bis zwei Stunden erforderlich. Es empfiehlt sich, das Eisenstück, wenn es angeht, während dieser Zeit einige Male aus der Flüssigkeit heraus- zunehmen, mit Wasser gut abzuspülen und die geätzte Fläche mit einer harten Zahnbürste von abgelagertem Kohlenstoff und dergleichen zu reinigen, auch wird es bisweilen nothwendig sein, die Säure zu erneuern, sofern das Aufhören der Gasentwickelung zeigt, dass sie nicht mehr einwirkt. Schliesslich spült man das Probestück sehr sorgfältig in fliessendem Wasser ab, bringt es hierauf, sofern seine Grösse es gestattet, mit der geätzten Fläche in kochendes Wasser, lässt es so lange darin verweilen, bis auch der nicht im Wasser befindliche Theil heiss geworden ist und nimmt es heraus, worauf das anhaftende Wasser von dem heissen Eisenstücke in wenigen Augenblicken verdunstet. Will man die Proben etwa längere Zeit aufbewahren, so empfiehlt es sich, sie vor dem Einbringen in heisses Wasser, aber nach dem Abspülen in kaltem, zunächst in Kalkwasser zu tauchen, und schliess- lich, nachdem sie aus dem heissen Wasser kommen, sie noch heiss in geschmolzenes ziemlich stark erhitztes Wachs einige Secunden ein- zulegen. Mit reinem Fliesspapier wischt man, wenn sie herauskommen, das überschüssige flüssige Wachs ab und es hinterbleibt dann immerhin noch eine ausreichend starke Wachsschicht, um sie vor dem Rosten zu schützen, ohne ihrem Aussehen zu schaden. Der Erfolg der Aetzprobe nun beruht auf dem Umstande, dass durch die Säure dichtere Stellen des Eisens weniger stark als lockere, härtere, insbesondere kohlenstoffreichere, weniger stark als weichere, kohlenstoffärmere angegriffen werden. Ersterer Umstand erklärt es z. B., dass bei sehnigem Eisen die einzelnen Sehnen oder Fasern, welche vielleicht auf der Bruchfläche gar nicht erkennbar waren, nach dem Aetzen reliefartig sich von den übrigen Partien abheben und dem Auge sich darstellen. Wie schon früher erörtert wurde, bestehen diese Sehnen aus fest zusammenhängenden Krystallreihen, welche wie die Strähnen eines Taues neben einander liegen und sich verschlingen, gegenseitig aber verhältnissmässig wenig Zusammenhang besitzen. Zwi- schen den einzelnen Sehnen also dringt die Säure leicht in das Gefüge ein und löst hier das lockere Eisen auf, während die Sehnen selbst erst allmählicher angegriffen werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/739
Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 671. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/739>, abgerufen am 29.04.2024.