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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Der atlantische Ocean.
Club jährlich veranstaltete Regatta gehört jedesmal zu den maritimen
Ereignissen, an denen ganz Irland den lebhaftesten Antheil nimmt.

In historischer Beziehung ist nichts Bemerkenswerthes von Queenstown
zu berichten, wenngleich die Insel, auf der es gelegen ist, schon im XIV. Jahr-
hundert als ein Besitzthum erwähnt wird, um welches verschiedene Feudalherren
mit einander im Kampfe lagen. Auch behauptete diese Insel noch lange, nachdem
bereits Cork in die Hände der Briten gefallen war, Unabhängigkeit, und der
Earl von Orrery bemerkt im Jahre 1666, dass die Insel ihrer Lage nach ganz
besonders geeignet sei, als Stützpunkt für eine feindliche Invasion zu dienen.

Der Hafen von Queenstown ist sehr geräumig, von der See her
selbst für Schiffe grössten Tiefganges gut zugänglich.

Die Zufahrt in den Fjord, welcher den Namen Cork Harbour
führt, ist durch ein 8·5 km im Süden des Einganges verankertes
Leuchtschiff gut markirt; ein Leuchtfeuer befindet sich auch an der
Ostseite der Hafenmündung. In dieser selbst haben sich zwei Barren
von 4·5 und 5·7 m Tiefe bei Ebbe gebildet, aber sie lassen noch ge-
nügend tiefe Fahrstrassen für die grössten Oceanschiffe offen. Im
Innern weitet sich der Fjord zu einem geräumigen Becken aus, in
welchem die Inseln Spike mit dem starken Westmoreland-Fort, dann
das Rocky-Eiland und die Insel Haulbowline liegen. An die letzt-
genannte schliesst sich gegen Osten die weitgedehnte, bei Ebbe
fast trocken liegende Spit-Bank. Dort wurden die Dockanlagen von
Queenstown errichtet und auch Trockendocks gebaut. Auch hat man
die Inseln Spike und Haulbowline mittelst einer Brücke verbunden.
Die Ankerplätze vor dem Städtchen Queenstown sind gut und ohne
Fährlichkeit. Alle Liverpooler Postdampfer von und nach New-York
sowie viele andere Linien laufen Queenstown für eine bis zwei
Stunden an, um die amerikanische Post zu erledigen.

Queenstown hat, abgesehen davon, dass es Vorhafen von Cork
ist, dadurch an Bedeutung gewonnen, dass es auf der grossen Route
nach Amerika der erste europäische Punkt ist, welcher bequem
angelaufen werden kann und an welchem man in telegraphische
Verbindung mit dem ganzen übrigen Königreiche, respective ganz
Europa, treten kann. Landet man in Queenstown, oder schifft man
sich dort ein, so erspart man ein gutes Stück Seereise. Queenstown
selbst ist also kein Handelsplatz, aber ein grosser Durchgangspunkt,
über welchen auch die Auswanderung der Irländer vielfach ihren
Weg nimmt.

Von Queenstown aus kann man auch per Dampfer die Stadt
Cork erreichen, wobei die Fahrt manches Interesse bietet. Man passirt
den von freundlichen Höhen umgebenen nur 300 bis 500 m breiten

Der atlantische Ocean.
Club jährlich veranstaltete Regatta gehört jedesmal zu den maritimen
Ereignissen, an denen ganz Irland den lebhaftesten Antheil nimmt.

In historischer Beziehung ist nichts Bemerkenswerthes von Queenstown
zu berichten, wenngleich die Insel, auf der es gelegen ist, schon im XIV. Jahr-
hundert als ein Besitzthum erwähnt wird, um welches verschiedene Feudalherren
mit einander im Kampfe lagen. Auch behauptete diese Insel noch lange, nachdem
bereits Cork in die Hände der Briten gefallen war, Unabhängigkeit, und der
Earl von Orrery bemerkt im Jahre 1666, dass die Insel ihrer Lage nach ganz
besonders geeignet sei, als Stützpunkt für eine feindliche Invasion zu dienen.

Der Hafen von Queenstown ist sehr geräumig, von der See her
selbst für Schiffe grössten Tiefganges gut zugänglich.

Die Zufahrt in den Fjord, welcher den Namen Cork Harbour
führt, ist durch ein 8·5 km im Süden des Einganges verankertes
Leuchtschiff gut markirt; ein Leuchtfeuer befindet sich auch an der
Ostseite der Hafenmündung. In dieser selbst haben sich zwei Barren
von 4·5 und 5·7 m Tiefe bei Ebbe gebildet, aber sie lassen noch ge-
nügend tiefe Fahrstrassen für die grössten Oceanschiffe offen. Im
Innern weitet sich der Fjord zu einem geräumigen Becken aus, in
welchem die Inseln Spike mit dem starken Westmoreland-Fort, dann
das Rocky-Eiland und die Insel Haulbowline liegen. An die letzt-
genannte schliesst sich gegen Osten die weitgedehnte, bei Ebbe
fast trocken liegende Spit-Bank. Dort wurden die Dockanlagen von
Queenstown errichtet und auch Trockendocks gebaut. Auch hat man
die Inseln Spike und Haulbowline mittelst einer Brücke verbunden.
Die Ankerplätze vor dem Städtchen Queenstown sind gut und ohne
Fährlichkeit. Alle Liverpooler Postdampfer von und nach New-York
sowie viele andere Linien laufen Queenstown für eine bis zwei
Stunden an, um die amerikanische Post zu erledigen.

Queenstown hat, abgesehen davon, dass es Vorhafen von Cork
ist, dadurch an Bedeutung gewonnen, dass es auf der grossen Route
nach Amerika der erste europäische Punkt ist, welcher bequem
angelaufen werden kann und an welchem man in telegraphische
Verbindung mit dem ganzen übrigen Königreiche, respective ganz
Europa, treten kann. Landet man in Queenstown, oder schifft man
sich dort ein, so erspart man ein gutes Stück Seereise. Queenstown
selbst ist also kein Handelsplatz, aber ein grosser Durchgangspunkt,
über welchen auch die Auswanderung der Irländer vielfach ihren
Weg nimmt.

Von Queenstown aus kann man auch per Dampfer die Stadt
Cork erreichen, wobei die Fahrt manches Interesse bietet. Man passirt
den von freundlichen Höhen umgebenen nur 300 bis 500 m breiten

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[1074/1094] Der atlantische Ocean. Club jährlich veranstaltete Regatta gehört jedesmal zu den maritimen Ereignissen, an denen ganz Irland den lebhaftesten Antheil nimmt. In historischer Beziehung ist nichts Bemerkenswerthes von Queenstown zu berichten, wenngleich die Insel, auf der es gelegen ist, schon im XIV. Jahr- hundert als ein Besitzthum erwähnt wird, um welches verschiedene Feudalherren mit einander im Kampfe lagen. Auch behauptete diese Insel noch lange, nachdem bereits Cork in die Hände der Briten gefallen war, Unabhängigkeit, und der Earl von Orrery bemerkt im Jahre 1666, dass die Insel ihrer Lage nach ganz besonders geeignet sei, als Stützpunkt für eine feindliche Invasion zu dienen. Der Hafen von Queenstown ist sehr geräumig, von der See her selbst für Schiffe grössten Tiefganges gut zugänglich. Die Zufahrt in den Fjord, welcher den Namen Cork Harbour führt, ist durch ein 8·5 km im Süden des Einganges verankertes Leuchtschiff gut markirt; ein Leuchtfeuer befindet sich auch an der Ostseite der Hafenmündung. In dieser selbst haben sich zwei Barren von 4·5 und 5·7 m Tiefe bei Ebbe gebildet, aber sie lassen noch ge- nügend tiefe Fahrstrassen für die grössten Oceanschiffe offen. Im Innern weitet sich der Fjord zu einem geräumigen Becken aus, in welchem die Inseln Spike mit dem starken Westmoreland-Fort, dann das Rocky-Eiland und die Insel Haulbowline liegen. An die letzt- genannte schliesst sich gegen Osten die weitgedehnte, bei Ebbe fast trocken liegende Spit-Bank. Dort wurden die Dockanlagen von Queenstown errichtet und auch Trockendocks gebaut. Auch hat man die Inseln Spike und Haulbowline mittelst einer Brücke verbunden. Die Ankerplätze vor dem Städtchen Queenstown sind gut und ohne Fährlichkeit. Alle Liverpooler Postdampfer von und nach New-York sowie viele andere Linien laufen Queenstown für eine bis zwei Stunden an, um die amerikanische Post zu erledigen. Queenstown hat, abgesehen davon, dass es Vorhafen von Cork ist, dadurch an Bedeutung gewonnen, dass es auf der grossen Route nach Amerika der erste europäische Punkt ist, welcher bequem angelaufen werden kann und an welchem man in telegraphische Verbindung mit dem ganzen übrigen Königreiche, respective ganz Europa, treten kann. Landet man in Queenstown, oder schifft man sich dort ein, so erspart man ein gutes Stück Seereise. Queenstown selbst ist also kein Handelsplatz, aber ein grosser Durchgangspunkt, über welchen auch die Auswanderung der Irländer vielfach ihren Weg nimmt. Von Queenstown aus kann man auch per Dampfer die Stadt Cork erreichen, wobei die Fahrt manches Interesse bietet. Man passirt den von freundlichen Höhen umgebenen nur 300 bis 500 m breiten

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 1074. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/1094>, abgerufen am 28.04.2024.