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Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776.

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Du, Leichnam? fürchte nichts von der väterlichen
Liebe! -- Dein Mörder ist mein Sohn nicht,
mein Weib war eine Ehebrecherin, und sein Va-
ter ein Bube. -- Was ist Deine Hand so kalt
-- aber eben so kalt will ich ihn Dir opfern --
daß kein kochendes Blut auf meiner Hand wie
auf Eis, zischen soll!

-- Aber ist das der Ton eines Richters?
-- ich muß mich noch mehr abkühlen -- Noch
einen Gang unter den Ulmen.

Dritter Auftritt.
Blanka.
(mit aufgelöstem Haar läuft herein)
Wohin, wohin haben sie Dich getragen! (deckt
das Tuch ab und wirft sich über den Leichnam)

Julius, Julius -- ach er ist wahrhaftig todt.

Zeter über mir, ich bin sein Mörder! (Pau-
se)
Julius, Julius -- ach könt' ich nur meinen
Schmerz in einen Schrey zusammenpressen, er
müste, er müste erwachen; -- Warum bin ich
gebohren, warum bin ich gebohren! O würde
doch alles, was da ist, vernichtet! -- (wirft sich
wieder über den Leichnam; Pause, etwas gemä-
ßigt)
Julius, Julius, wenn ehr giebst Du mir



Du, Leichnam? fuͤrchte nichts von der vaͤterlichen
Liebe! — Dein Moͤrder iſt mein Sohn nicht,
mein Weib war eine Ehebrecherin, und ſein Va-
ter ein Bube. — Was iſt Deine Hand ſo kalt
— aber eben ſo kalt will ich ihn Dir opfern —
daß kein kochendes Blut auf meiner Hand wie
auf Eis, ziſchen ſoll!

— Aber iſt das der Ton eines Richters?
— ich muß mich noch mehr abkuͤhlen — Noch
einen Gang unter den Ulmen.

Dritter Auftritt.
Blanka.
(mit aufgeloͤſtem Haar laͤuft herein)
Wohin, wohin haben ſie Dich getragen! (deckt
das Tuch ab und wirft ſich uͤber den Leichnam)

Julius, Julius — ach er iſt wahrhaftig todt.

Zeter uͤber mir, ich bin ſein Moͤrder! (Pau-
ſe)
Julius, Julius — ach koͤnt’ ich nur meinen
Schmerz in einen Schrey zuſammenpreſſen, er
muͤſte, er muͤſte erwachen; — Warum bin ich
gebohren, warum bin ich gebohren! O wuͤrde
doch alles, was da iſt, vernichtet! — (wirft ſich
wieder uͤber den Leichnam; Pauſe, etwas gemaͤ-
ßigt)
Julius, Julius, wenn ehr giebſt Du mir
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[96/0100] Du, Leichnam? fuͤrchte nichts von der vaͤterlichen Liebe! — Dein Moͤrder iſt mein Sohn nicht, mein Weib war eine Ehebrecherin, und ſein Va- ter ein Bube. — Was iſt Deine Hand ſo kalt — aber eben ſo kalt will ich ihn Dir opfern — daß kein kochendes Blut auf meiner Hand wie auf Eis, ziſchen ſoll! — Aber iſt das der Ton eines Richters? — ich muß mich noch mehr abkuͤhlen — Noch einen Gang unter den Ulmen. Dritter Auftritt. Blanka. (mit aufgeloͤſtem Haar laͤuft herein) Wohin, wohin haben ſie Dich getragen! (deckt das Tuch ab und wirft ſich uͤber den Leichnam) Julius, Julius — ach er iſt wahrhaftig todt. Zeter uͤber mir, ich bin ſein Moͤrder! (Pau- ſe) Julius, Julius — ach koͤnt’ ich nur meinen Schmerz in einen Schrey zuſammenpreſſen, er muͤſte, er muͤſte erwachen; — Warum bin ich gebohren, warum bin ich gebohren! O wuͤrde doch alles, was da iſt, vernichtet! — (wirft ſich wieder uͤber den Leichnam; Pauſe, etwas gemaͤ- ßigt) Julius, Julius, wenn ehr giebſt Du mir

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Zitationshilfe: Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leisewitz_julius_1776/100>, abgerufen am 28.04.2024.