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Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776.

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da bringen sie Julius Leichnam! (zeigt auf den
Leichnam)
Caecilia. (ängstlich) Kennst Du mich
nicht Blanka? -- Wenn sie der Alte hier fän-
de! komm mit mir Blanka!
Blanka. Merk' auf meine Worte, Mäd-
chen, denn ich rede Wahrheit; das Menschen-
geschlecht wird nimmermehr aussterben, aber
unter Tausenden kennt kaum Einer die Liebe.
Caecilia. O ich dacht' es, daß ihre Ruhe
betröge. Liebe? --
Blanka. Hülfe, Hülfe! -- das Ungeheuer,
das alle Augenblicke seine Gestalten verwandelt,
verschlingt mich! Jn was für schreckliche Formen
es seine Muskeln wirbelt -- ein Leopard, --
Tiger, -- Bär! (schreyend) Guido!
Caecilia. Jch bitte Dich, Kind, geh mit mir!
Blanka. (die in Caeciliens Arme sinkt)
Liebe Caecilia, es ist ein grosses Unglück, sei-
nen Verstand zu verlieren.
Caecilia. Gott sey Dank -- ich hoffe, der
Zufall soll blos die Wirkung des ersten Schrecken
ohne folgende seyn. Aber, ich bitte Dich,
komm mit mir.
Blanka. Ach ich habe mein Gelübde des
ewigen Leidens gebrochen! da erscheint mir Julius


da bringen ſie Julius Leichnam! (zeigt auf den
Leichnam)
Caecilia. (aͤngſtlich) Kennſt Du mich
nicht Blanka? — Wenn ſie der Alte hier faͤn-
de! komm mit mir Blanka!
Blanka. Merk’ auf meine Worte, Maͤd-
chen, denn ich rede Wahrheit; das Menſchen-
geſchlecht wird nimmermehr ausſterben, aber
unter Tauſenden kennt kaum Einer die Liebe.
Caecilia. O ich dacht’ es, daß ihre Ruhe
betroͤge. Liebe? —
Blanka. Huͤlfe, Huͤlfe! — das Ungeheuer,
das alle Augenblicke ſeine Geſtalten verwandelt,
verſchlingt mich! Jn was fuͤr ſchreckliche Formen
es ſeine Muſkeln wirbelt — ein Leopard, —
Tiger, — Baͤr! (ſchreyend) Guido!
Caecilia. Jch bitte Dich, Kind, geh mit mir!
Blanka. (die in Caeciliens Arme ſinkt)
Liebe Caecilia, es iſt ein groſſes Ungluͤck, ſei-
nen Verſtand zu verlieren.
Caecilia. Gott ſey Dank — ich hoffe, der
Zufall ſoll blos die Wirkung des erſten Schrecken
ohne folgende ſeyn. Aber, ich bitte Dich,
komm mit mir.
Blanka. Ach ich habe mein Geluͤbde des
ewigen Leidens gebrochen! da erſcheint mir Julius
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[100/0104] da bringen ſie Julius Leichnam! (zeigt auf den Leichnam) Caecilia. (aͤngſtlich) Kennſt Du mich nicht Blanka? — Wenn ſie der Alte hier faͤn- de! komm mit mir Blanka! Blanka. Merk’ auf meine Worte, Maͤd- chen, denn ich rede Wahrheit; das Menſchen- geſchlecht wird nimmermehr ausſterben, aber unter Tauſenden kennt kaum Einer die Liebe. Caecilia. O ich dacht’ es, daß ihre Ruhe betroͤge. Liebe? — Blanka. Huͤlfe, Huͤlfe! — das Ungeheuer, das alle Augenblicke ſeine Geſtalten verwandelt, verſchlingt mich! Jn was fuͤr ſchreckliche Formen es ſeine Muſkeln wirbelt — ein Leopard, — Tiger, — Baͤr! (ſchreyend) Guido! Caecilia. Jch bitte Dich, Kind, geh mit mir! Blanka. (die in Caeciliens Arme ſinkt) Liebe Caecilia, es iſt ein groſſes Ungluͤck, ſei- nen Verſtand zu verlieren. Caecilia. Gott ſey Dank — ich hoffe, der Zufall ſoll blos die Wirkung des erſten Schrecken ohne folgende ſeyn. Aber, ich bitte Dich, komm mit mir. Blanka. Ach ich habe mein Geluͤbde des ewigen Leidens gebrochen! da erſcheint mir Julius

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Zitationshilfe: Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leisewitz_julius_1776/104>, abgerufen am 29.04.2024.