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Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776.

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der Engel, mit der Schale des Zorns, deren
Dunst schon Tod ist -- ach ich habe mein Ge-
lübde des ewigen Leidens gebrochen! -- geuß
Deine Schaale aus!

Julius, es ist eins, Vernichtung oder ewige
Quaal; und laß keine Deiner lindernden
Thränen hinein fallen, um sie zu mildern.

(Eine Nonne tritt auf und geht auf Blanka zu)
-- Bist Du hier Blanka? wir haben Dich
alle gesucht.
Caecilia. Ach die Unglückliche ist verrückt --
aber warum liesst ihr sie aus dem Kloster?
Nonne. Verrückt! -- Verrückt? --
Caecilia. (zornig) Aber warum liesst ihr
sie auch aus dem Kloster?
Nonne. Wahrhaftig wir sind unschuldig --
sie erfuhr es gleich, und wolte zu ihm, wir hielten
sie ab, und da hat sie einige Stunden in wüten-
dem Schmerz zugebracht. -- Gott, ich möchte
das nicht noch einmal sehn! -- auf einmal ward
sie ausserordentlich ruhig, wir brachten sie in ihre
Zelle, und so ist sie uns entsprungen.
Blanka. Julius, diese Erschütterungen sind
unnatürlich. Jch seh es, ich seh es, das Ende
der Tage ist gekommen, die Schöpfung seufzet den
lebendigen Odem wieder aus, und alles, was da ist,


der Engel, mit der Schale des Zorns, deren
Dunſt ſchon Tod iſt — ach ich habe mein Ge-
luͤbde des ewigen Leidens gebrochen! — geuß
Deine Schaale aus!

Julius, es iſt eins, Vernichtung oder ewige
Quaal; und laß keine Deiner lindernden
Thraͤnen hinein fallen, um ſie zu mildern.

(Eine Nonne tritt auf und geht auf Blanka zu)
— Biſt Du hier Blanka? wir haben Dich
alle geſucht.
Caecilia. Ach die Ungluͤckliche iſt verruͤckt —
aber warum lieſſt ihr ſie aus dem Kloſter?
Nonne. Verruͤckt! — Verruͤckt? —
Caecilia. (zornig) Aber warum lieſſt ihr
ſie auch aus dem Kloſter?
Nonne. Wahrhaftig wir ſind unſchuldig —
ſie erfuhr es gleich, und wolte zu ihm, wir hielten
ſie ab, und da hat ſie einige Stunden in wuͤten-
dem Schmerz zugebracht. — Gott, ich moͤchte
das nicht noch einmal ſehn! — auf einmal ward
ſie auſſerordentlich ruhig, wir brachten ſie in ihre
Zelle, und ſo iſt ſie uns entſprungen.
Blanka. Julius, dieſe Erſchuͤtterungen ſind
unnatuͤrlich. Jch ſeh es, ich ſeh es, das Ende
der Tage iſt gekommen, die Schoͤpfung ſeufzet den
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[101/0105] der Engel, mit der Schale des Zorns, deren Dunſt ſchon Tod iſt — ach ich habe mein Ge- luͤbde des ewigen Leidens gebrochen! — geuß Deine Schaale aus! Julius, es iſt eins, Vernichtung oder ewige Quaal; und laß keine Deiner lindernden Thraͤnen hinein fallen, um ſie zu mildern. (Eine Nonne tritt auf und geht auf Blanka zu) — Biſt Du hier Blanka? wir haben Dich alle geſucht. Caecilia. Ach die Ungluͤckliche iſt verruͤckt — aber warum lieſſt ihr ſie aus dem Kloſter? Nonne. Verruͤckt! — Verruͤckt? — Caecilia. (zornig) Aber warum lieſſt ihr ſie auch aus dem Kloſter? Nonne. Wahrhaftig wir ſind unſchuldig — ſie erfuhr es gleich, und wolte zu ihm, wir hielten ſie ab, und da hat ſie einige Stunden in wuͤten- dem Schmerz zugebracht. — Gott, ich moͤchte das nicht noch einmal ſehn! — auf einmal ward ſie auſſerordentlich ruhig, wir brachten ſie in ihre Zelle, und ſo iſt ſie uns entſprungen. Blanka. Julius, dieſe Erſchuͤtterungen ſind unnatuͤrlich. Jch ſeh es, ich ſeh es, das Ende der Tage iſt gekommen, die Schoͤpfung ſeufzet den lebendigen Odem wieder aus, und alles, was da iſt,

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Zitationshilfe: Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leisewitz_julius_1776/105>, abgerufen am 29.04.2024.