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Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776.

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Fürst. Stelle mich für ein Gericht von Vä-
tern, und ich will meinen Schmerz verantworten
-- aber nicht gegen einen Priester. Was väter-
liche Liebe ist, versteht niemand als ein Vater.
Bruder, schwaze von Büchern und Kirchen!
Erzbischoff. Jch darf, ich darf Dich nicht
lassen.
Fürst. Was! hier ist Tarent, und ich bin
Fürst von Tarent! -- Und was brauch' ich mich
darauf zu berufen. Jst es ein Majestätsrecht,
sein Haar am Sarge seines Sohnes auszurau-
fen? -- das kan ja jeder Bettler.
Erzbischoff. Jch kenne dein Herz, und
schaudre vor dem, was es jezt leidet.
Fürst. Nicht doch -- mein Schmerz ist ja
so ruhig, und hier bin ich am allerruhigsten,
ich seh hier an seinem Leichnam sein ruhiges
Lächeln, aber abwesend erscheint er, und fodert
mit fürchterlichen Geberden Blanka und sein
Leben von mir.
Erzbischoff. Gut, Bruder, ich will Dich
noch eine halbe Stunde allein lassen -- aber
denn gehst Du auch mit, versprich mir das.
Fürst. Jch versprech' es dir.
(Erzbischoff ab)
Jezt bin ich so als ich seyn soll -- He
Thomas!



Fuͤrſt. Stelle mich fuͤr ein Gericht von Vaͤ-
tern, und ich will meinen Schmerz verantworten
— aber nicht gegen einen Prieſter. Was vaͤter-
liche Liebe iſt, verſteht niemand als ein Vater.
Bruder, ſchwaze von Buͤchern und Kirchen!
Erzbiſchoff. Jch darf, ich darf Dich nicht
laſſen.
Fuͤrſt. Was! hier iſt Tarent, und ich bin
Fuͤrſt von Tarent! — Und was brauch’ ich mich
darauf zu berufen. Jſt es ein Majeſtaͤtsrecht,
ſein Haar am Sarge ſeines Sohnes auszurau-
fen? — das kan ja jeder Bettler.
Erzbiſchoff. Jch kenne dein Herz, und
ſchaudre vor dem, was es jezt leidet.
Fuͤrſt. Nicht doch — mein Schmerz iſt ja
ſo ruhig, und hier bin ich am allerruhigſten,
ich ſeh hier an ſeinem Leichnam ſein ruhiges
Laͤcheln, aber abweſend erſcheint er, und fodert
mit fuͤrchterlichen Geberden Blanka und ſein
Leben von mir.
Erzbiſchoff. Gut, Bruder, ich will Dich
noch eine halbe Stunde allein laſſen — aber
denn gehſt Du auch mit, verſprich mir das.
Fuͤrſt. Jch verſprech’ es dir.
(Erzbiſchoff ab)
Jezt bin ich ſo als ich ſeyn ſoll — He
Thomas!

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[103/0107] Fuͤrſt. Stelle mich fuͤr ein Gericht von Vaͤ- tern, und ich will meinen Schmerz verantworten — aber nicht gegen einen Prieſter. Was vaͤter- liche Liebe iſt, verſteht niemand als ein Vater. Bruder, ſchwaze von Buͤchern und Kirchen! Erzbiſchoff. Jch darf, ich darf Dich nicht laſſen. Fuͤrſt. Was! hier iſt Tarent, und ich bin Fuͤrſt von Tarent! — Und was brauch’ ich mich darauf zu berufen. Jſt es ein Majeſtaͤtsrecht, ſein Haar am Sarge ſeines Sohnes auszurau- fen? — das kan ja jeder Bettler. Erzbiſchoff. Jch kenne dein Herz, und ſchaudre vor dem, was es jezt leidet. Fuͤrſt. Nicht doch — mein Schmerz iſt ja ſo ruhig, und hier bin ich am allerruhigſten, ich ſeh hier an ſeinem Leichnam ſein ruhiges Laͤcheln, aber abweſend erſcheint er, und fodert mit fuͤrchterlichen Geberden Blanka und ſein Leben von mir. Erzbiſchoff. Gut, Bruder, ich will Dich noch eine halbe Stunde allein laſſen — aber denn gehſt Du auch mit, verſprich mir das. Fuͤrſt. Jch verſprech’ es dir. (Erzbiſchoff ab) Jezt bin ich ſo als ich ſeyn ſoll — He Thomas!

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Zitationshilfe: Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leisewitz_julius_1776/107>, abgerufen am 29.04.2024.