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Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776.

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ich sagen, keine Stärke der Seele, bloß Bekannt-
schaft mit einem Gegenstande -- und wenn das
ist, ich bitte Dich, was hat der Held, den eine
Thräne ausser sich bringt, an innrer Würde vor
dem Weibe voraus, das vor einer Spinne auf-
fährt!
Julius. Bruder, wie sehr gefällt mir dieser
Dein Ton!
Guido. Mir nicht, wie kann mir meine
Schwäche gefallen! Jch fühle, daß ich nicht Guido
bin. Wahrhaftig, ich zittre -- o wenn das ist,
so werd' ich bald auf die rechte Spur kommen! --
ich hab ein Fieber.
Julius. Seltsam -- daß sich ein Mensch
schämt, daß sein Temperament stärker ist, als seine
Grundsäze.
Guido. Laß uns nicht weiter davon reden! --
meine jezige Laune könnte darüber verfliegen, und
ich will sie nuzen, man muß gewisse Entschlüsse in
diesem Augenblick ausführen, aus Furcht, sie möch-
ten uns in den künftigen gereuen. Du weisst es,
Bruder, ich liebe Blankan, und habe meine Ehre
zum Pfande gegeben, daß ich sie besizen wolte. --
Aber diese Thränen machen mich wankend.
Julius. Du sezest mich in Erstaunen.
Guido. Jch glaube meiner Ehre genug ge-
than zu haben, wenn sie niemand anders besizt,


ich ſagen, keine Staͤrke der Seele, bloß Bekannt-
ſchaft mit einem Gegenſtande — und wenn das
iſt, ich bitte Dich, was hat der Held, den eine
Thraͤne auſſer ſich bringt, an innrer Wuͤrde vor
dem Weibe voraus, das vor einer Spinne auf-
faͤhrt!
Julius. Bruder, wie ſehr gefaͤllt mir dieſer
Dein Ton!
Guido. Mir nicht, wie kann mir meine
Schwaͤche gefallen! Jch fuͤhle, daß ich nicht Guido
bin. Wahrhaftig, ich zittre — o wenn das iſt,
ſo werd’ ich bald auf die rechte Spur kommen! —
ich hab ein Fieber.
Julius. Seltſam — daß ſich ein Menſch
ſchaͤmt, daß ſein Temperament ſtaͤrker iſt, als ſeine
Grundſaͤze.
Guido. Laß uns nicht weiter davon reden! —
meine jezige Laune koͤnnte daruͤber verfliegen, und
ich will ſie nuzen, man muß gewiſſe Entſchluͤſſe in
dieſem Augenblick ausfuͤhren, aus Furcht, ſie moͤch-
ten uns in den kuͤnftigen gereuen. Du weiſſt es,
Bruder, ich liebe Blankan, und habe meine Ehre
zum Pfande gegeben, daß ich ſie beſizen wolte. —
Aber dieſe Thraͤnen machen mich wankend.
Julius. Du ſezeſt mich in Erſtaunen.
Guido. Jch glaube meiner Ehre genug ge-
than zu haben, wenn ſie niemand anders beſizt,
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[64/0068] ich ſagen, keine Staͤrke der Seele, bloß Bekannt- ſchaft mit einem Gegenſtande — und wenn das iſt, ich bitte Dich, was hat der Held, den eine Thraͤne auſſer ſich bringt, an innrer Wuͤrde vor dem Weibe voraus, das vor einer Spinne auf- faͤhrt! Julius. Bruder, wie ſehr gefaͤllt mir dieſer Dein Ton! Guido. Mir nicht, wie kann mir meine Schwaͤche gefallen! Jch fuͤhle, daß ich nicht Guido bin. Wahrhaftig, ich zittre — o wenn das iſt, ſo werd’ ich bald auf die rechte Spur kommen! — ich hab ein Fieber. Julius. Seltſam — daß ſich ein Menſch ſchaͤmt, daß ſein Temperament ſtaͤrker iſt, als ſeine Grundſaͤze. Guido. Laß uns nicht weiter davon reden! — meine jezige Laune koͤnnte daruͤber verfliegen, und ich will ſie nuzen, man muß gewiſſe Entſchluͤſſe in dieſem Augenblick ausfuͤhren, aus Furcht, ſie moͤch- ten uns in den kuͤnftigen gereuen. Du weiſſt es, Bruder, ich liebe Blankan, und habe meine Ehre zum Pfande gegeben, daß ich ſie beſizen wolte. — Aber dieſe Thraͤnen machen mich wankend. Julius. Du ſezeſt mich in Erſtaunen. Guido. Jch glaube meiner Ehre genug ge- than zu haben, wenn ſie niemand anders beſizt,

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Zitationshilfe: Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leisewitz_julius_1776/68>, abgerufen am 28.04.2024.