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Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776.

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(Sie sezen sich) Hier, Bruder, hab' ich meine
vergnügtesten Stunden gehabt. Weisst Du noch,
wie mich unser Vater unter dem Bilde zum Rit-
ter schlug?
Erzbischoff. Als wenn es heut gewesen
wäre. Jch bat nachher den Vater auch um ein
Schwerd, er gab mir aber das Buch, auf das Du
geschworen hattest, und sagte, das wär das Schwerd
eines Geistlichen.
Fürst. (der noch immer das Gemählde be-
trachtet)
Damals glich ich noch fast dem Aska-
nius; jezt dem Anchises, bald werd' ich aufwachen
und sagen: Wahrhaftig mir träumte, ich wär
Fürst von Tarent! -- (Er schenkt ein) Wenn ich
nur nicht mit Schrecken auffahre!
Erzbischoff. Aufs Wohl unsers Hauses, und
unsers Volks -- (sie trinken) Du sorgst zu viel,
übersieh denn jezt das Tagewerk. Am Abend
duftet alles, was man gepflanzt hat, am lieblich-
sten. Was geht dich die Nacht an!
Fürst. Ach meine Söhne!
Erzbischoff. Verzeih mir, Bruder, Du hast
von jeher, von der Zeit an, da du noch dem Aska-
nius glichest, zu viel gesorgt. Und nun sieh Dich
einmal um, ist dein Leben nicht zu beneiden?


(Sie ſezen ſich) Hier, Bruder, hab’ ich meine
vergnuͤgteſten Stunden gehabt. Weiſſt Du noch,
wie mich unſer Vater unter dem Bilde zum Rit-
ter ſchlug?
Erzbiſchoff. Als wenn es heut geweſen
waͤre. Jch bat nachher den Vater auch um ein
Schwerd, er gab mir aber das Buch, auf das Du
geſchworen hatteſt, und ſagte, das waͤr das Schwerd
eines Geiſtlichen.
Fuͤrſt. (der noch immer das Gemaͤhlde be-
trachtet)
Damals glich ich noch faſt dem Aska-
nius; jezt dem Anchiſes, bald werd’ ich aufwachen
und ſagen: Wahrhaftig mir traͤumte, ich waͤr
Fuͤrſt von Tarent! — (Er ſchenkt ein) Wenn ich
nur nicht mit Schrecken auffahre!
Erzbiſchoff. Aufs Wohl unſers Hauſes, und
unſers Volks — (ſie trinken) Du ſorgſt zu viel,
uͤberſieh denn jezt das Tagewerk. Am Abend
duftet alles, was man gepflanzt hat, am lieblich-
ſten. Was geht dich die Nacht an!
Fuͤrſt. Ach meine Soͤhne!
Erzbiſchoff. Verzeih mir, Bruder, Du haſt
von jeher, von der Zeit an, da du noch dem Aska-
nius glicheſt, zu viel geſorgt. Und nun ſieh Dich
einmal um, iſt dein Leben nicht zu beneiden?
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[86/0090] (Sie ſezen ſich) Hier, Bruder, hab’ ich meine vergnuͤgteſten Stunden gehabt. Weiſſt Du noch, wie mich unſer Vater unter dem Bilde zum Rit- ter ſchlug? Erzbiſchoff. Als wenn es heut geweſen waͤre. Jch bat nachher den Vater auch um ein Schwerd, er gab mir aber das Buch, auf das Du geſchworen hatteſt, und ſagte, das waͤr das Schwerd eines Geiſtlichen. Fuͤrſt. (der noch immer das Gemaͤhlde be- trachtet) Damals glich ich noch faſt dem Aska- nius; jezt dem Anchiſes, bald werd’ ich aufwachen und ſagen: Wahrhaftig mir traͤumte, ich waͤr Fuͤrſt von Tarent! — (Er ſchenkt ein) Wenn ich nur nicht mit Schrecken auffahre! Erzbiſchoff. Aufs Wohl unſers Hauſes, und unſers Volks — (ſie trinken) Du ſorgſt zu viel, uͤberſieh denn jezt das Tagewerk. Am Abend duftet alles, was man gepflanzt hat, am lieblich- ſten. Was geht dich die Nacht an! Fuͤrſt. Ach meine Soͤhne! Erzbiſchoff. Verzeih mir, Bruder, Du haſt von jeher, von der Zeit an, da du noch dem Aska- nius glicheſt, zu viel geſorgt. Und nun ſieh Dich einmal um, iſt dein Leben nicht zu beneiden?

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Zitationshilfe: Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leisewitz_julius_1776/90>, abgerufen am 28.04.2024.