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Lémery, Nicolas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721.

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[Beginn Spaltensatz] etliche zusammen sperren. Das weiß ich wol, fährt der Herr de Reaumur fort, daß es eine Zeit giebet, in welcher bey diesem Gewürme eine linde fermentation pflegt zu geschehen, dadurch ihnen ihre wilde grimmige Art, benommen wird, und da man sie ohne alle Gefahr zusammen sperren könte. Wie aber will einer eben just dieselbige Zeit treffen, die kurtz vor dieser muß hergehen, da sie begierig sind zu legen? Sie könte zwar wol leichtlich ausgefunden werden, wann sie nur alle mit einander fast zu einer Zeit im Jahre legeten: so aber ist ein grosser Unterscheid der Zeit und viel Monate gehen hin, wann diese, und dann jene legen.

Die Fruchtbarkeit der Spinnen, ist wie Herr Bon hat angemercket, fast gantz unglaublich: und dannoch diesem allen ungeachtet, spricht der Herr de Reaumur, sind die Seidenwürmer auch fruchtbar; wann man schon setzen wolte, daß sie nur etwan hundert Eyer legten, von denen mit genauer Noth in viertzig Stücken solcher Würmer kämen, die ihre Häuslein machen könten: dahingegen die Spinnen sechs bis sieben hundert Eyer geben mögen.

Dieweil ich bey den Seidenwürmern allen, die ich erzogen, angemercket habe, damit ich ihre Seide mit der Spinnen ihrer recht genau vergleichen möchte, daß sie mir jedesmahl drey bis vier hundert Eyerlein gegeben: so ist daraus leicht abzunehmen, daß man die Zahl der Seidenwürmer, nach Gefallen, allezeit vermehren könte, wann solches nur alleine in der Menge ihrer Eyerlein bestünde: die Menge Seide zeiget und beweiset es allein genug, die sie anjetzo in Europa geben, da doch vorher gar keine solche Würmer nicht vorhanden waren.

Es scheinet derowegen, fährt Herr de Reaumur fort, wie daß die Seidenwürmer den Spinnen sehr weit vorziehen, weil sie so leichtlich zu erziehen sind, und daß man folglich sich gar wenig von der neuen Seide zu versprechen habe, es sey dann, daß sie wegen ihrer Güte, oder wegen ihrer Stärcke, oder wegen ihrer Menge der alten Seide ihren Vorzug streitig machen könte.

Von den Spinnen solte man allerhand farbige Seide überkommen, noch mehr als von den Seidenwürmern, als welche allezeit aurora oder nur weiß ist: an statt daß die Spinnen gelbe, weisse, himmelblaue, und sehr schöne caffebraune Seide geben. Doch sind die Spinnen, welche caffefarbene Seide geben, gar sehr rar, und finden sich nicht leicht leichtlich als auf solchen Feldern, wo Ginst (Genista) wächst: dann daselbst findet man auch ihre Häuslein, deren Seide sehr starck und recht schöne ist. Es sind dieselbigen gantz anders geformiret, als wie die andern Spinnenhäuslein: die Eyer sind in denenselbigen in braune Seide eingehüllet, welche gar weitläufftig drum herumgezogen ist, gleichwie sonst auch in andern Spinnenhäuslein. Allein, eben diese braune Seide ist selbst mit einem andern Häuslein von grauer Seide überzogen, dessen Gewebe überaus dichte und ziemlich dicke ist, und kömmt im übrigen mit eines Seidenwurmes Häuslein überein, wenn man dasselbige zum Theil hat abgespuhlet.

Die Spinnen legen ihre Eyer in die Häuslein, daran die Seide, welche sie umgiebet, in unterschiedenen Monaten zu befinden. Sie arbeiten daran nicht allein im August und September, gleichwie Herr [Spaltenumbruch] Bon hat angemercket: sondern es giebet ihrer auch, welche im Mäyen ihre Häuslein bereiten, und andre machen sie in folgenden Monaten. Diese letztern haben den Winter durchgebracht, und legen darum zu so guter Zeit. Ohne Zweiffel hat Herr Bon von denenjenigen alleine reden wollen, welche im Frühjahre ausgekrochen; dann sie legen um ein gutes später als die vorhergehenden.

Beyde Arten der Fäden von den Spinnen sind nur darinne von einander unterschieden, daß die einen stärcker, die andern schwächer sind. Es läst sich auch gar leicht erklären, auf was für Art und Weise die Spinnen diese beyden Arten ihrer Fäden, nachdem es ihnen beliebet, zu machen pflegen. Dann ich setze, spricht der de Reaumur, man wisse, daß die Spinnen nahe bey dem Hintern unterschiedene Wärtzlein haben, welche gleichsam so viel Zieheeisen sind, dadurch derselbige Saft lauffen muß, daraus die Seide werden soll, wann sie trocken worden, und durch diese Zieheeisen hingegangen.

Die Spinnen, derer Seide zum verarbeiten dienet, und von denen allhier die Rede ist, haben sechs solche Wärtzlein, davon viere gar wol zu sehen sind, die andern beyden aber nicht so gut, man kan sie auch gar füglich ohne Glas erkennen. Die beyden kleinern Wärtzlein stehen jede nahe bey dem Ende zweyer grössern, welche zunechst bey dem Hintern zu befinden. Ein jedes von diesen sechs sichtlichen Wärtzlein bestehet gleichergestalt aus eitel kleinen Wärtzlein, oder vielmehr aus solchen gantz unsichtbaren Zieheeisen, und zwar ein jedes aus sechs bis sieben dererselben. Daher ist leichtlich zu begreiffen, welchergestalt die Spinnen ihre Fäden, nach Belieben, dicke oder dünne ziehen können: dann sie nicht alleine, ehe und bevor sie anheben zu spinnen, von diesen sechs sichtbaren Wärtzlein mehr oder weniger an etwas anlegen; sondern sie ziehen auch ihre Fäden stärcker oder schwächer, und machen dieselbigen aus mehr oder weniger Fäden, nachdem sie mehr oder weniger von diesen Wärtzlein angeleget haben.

Nun gehören etwan achtzehenmal mehr Fäden, so wie sie aus gedachten Zieheeisen kommen, zu denen Fäden, daraus sie ihre Häuslein machen, als wie zu denenjenigen, daraus sie ihr Gewebe verfertigen, wann die Menge derer Fäden daraus dieses und jene bestehen, starck genug seyn soll. Denn als ich ein Gewichte von zwey Gran an ein Ende eines Fadens vom Gewebe angeklebet, hat er dasselbige gehalten und ist nicht gerissen, bis ich eines von drey Gran dran gehencket: hingegen halten die Fäden von den Häuslein ein Gewichte fast von 36. Gran, und reissen eher nicht, als bis man mehr dran henckt.

Wiewol nun die Faden von den Spinnenhäuslein viel stärcker sind, als wie die von dem Spinnengewebe, so sind sie doch dagegen um ein gutes schwächer, denn die Fäden von den Seidenwürmerhäuslein. Die Fäden, welche ich von denen Häuslein letzterer Art habe abgewunden, hielten insgemeine ein Gewichte von zwey und einen halben Quintlein: daß also die Stärcke von dem Faden eines Spinnenhäuslein, gegen der Stärcke eines Fadens von dem Würmerhäuslein sich wie eins gegen fünff verhält: um welcher Ursach willen auch die alte Seide leichtlich vor der neuen einen Vorzug dürffte erhalten.

[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] etliche zusammen sperren. Das weiß ich wol, fährt der Herr de Reaumur fort, daß es eine Zeit giebet, in welcher bey diesem Gewürme eine linde fermentation pflegt zu geschehen, dadurch ihnen ihre wilde grimmige Art, benommen wird, und da man sie ohne alle Gefahr zusammen sperren könte. Wie aber will einer eben just dieselbige Zeit treffen, die kurtz vor dieser muß hergehen, da sie begierig sind zu legen? Sie könte zwar wol leichtlich ausgefunden werden, wann sie nur alle mit einander fast zu einer Zeit im Jahre legeten: so aber ist ein grosser Unterscheid der Zeit und viel Monate gehen hin, wann diese, und dann jene legen.

Die Fruchtbarkeit der Spinnen, ist wie Herr Bon hat angemercket, fast gantz unglaublich: und dannoch diesem allen ungeachtet, spricht der Herr de Reaumur, sind die Seidenwürmer auch fruchtbar; wann man schon setzen wolte, daß sie nur etwan hundert Eyer legten, von denen mit genauer Noth in viertzig Stücken solcher Würmer kämen, die ihre Häuslein machen könten: dahingegen die Spinnen sechs bis sieben hundert Eyer geben mögen.

Dieweil ich bey den Seidenwürmern allen, die ich erzogen, angemercket habe, damit ich ihre Seide mit der Spinnen ihrer recht genau vergleichen möchte, daß sie mir jedesmahl drey bis vier hundert Eyerlein gegeben: so ist daraus leicht abzunehmen, daß man die Zahl der Seidenwürmer, nach Gefallen, allezeit vermehren könte, wann solches nur alleine in der Menge ihrer Eyerlein bestünde: die Menge Seide zeiget und beweiset es allein genug, die sie anjetzo in Europa geben, da doch vorher gar keine solche Würmer nicht vorhanden waren.

Es scheinet derowegen, fährt Herr de Reaumur fort, wie daß die Seidenwürmer den Spinnen sehr weit vorziehen, weil sie so leichtlich zu erziehen sind, und daß man folglich sich gar wenig von der neuen Seide zu versprechen habe, es sey dann, daß sie wegen ihrer Güte, oder wegen ihrer Stärcke, oder wegen ihrer Menge der alten Seide ihren Vorzug streitig machen könte.

Von den Spinnen solte man allerhand farbige Seide überkommen, noch mehr als von den Seidenwürmern, als welche allezeit aurora oder nur weiß ist: an statt daß die Spinnen gelbe, weisse, himmelblaue, und sehr schöne caffebraune Seide geben. Doch sind die Spinnen, welche caffefarbene Seide geben, gar sehr rar, und finden sich nicht leicht leichtlich als auf solchen Feldern, wo Ginst (Genista) wächst: dann daselbst findet man auch ihre Häuslein, deren Seide sehr starck und recht schöne ist. Es sind dieselbigen gantz anders geformiret, als wie die andern Spinnenhäuslein: die Eyer sind in denenselbigen in braune Seide eingehüllet, welche gar weitläufftig drum herumgezogen ist, gleichwie sonst auch in andern Spinnenhäuslein. Allein, eben diese braune Seide ist selbst mit einem andern Häuslein von grauer Seide überzogen, dessen Gewebe überaus dichte und ziemlich dicke ist, und kömmt im übrigen mit eines Seidenwurmes Häuslein überein, wenn man dasselbige zum Theil hat abgespuhlet.

Die Spinnen legen ihre Eyer in die Häuslein, daran die Seide, welche sie umgiebet, in unterschiedenen Monaten zu befinden. Sie arbeiten daran nicht allein im August und September, gleichwie Herr [Spaltenumbruch] Bon hat angemercket: sondern es giebet ihrer auch, welche im Mäyen ihre Häuslein bereiten, und andre machen sie in folgenden Monaten. Diese letztern haben den Winter durchgebracht, und legen darum zu so guter Zeit. Ohne Zweiffel hat Herr Bon von denenjenigen alleine reden wollen, welche im Frühjahre ausgekrochen; dann sie legen um ein gutes später als die vorhergehenden.

Beyde Arten der Fäden von den Spinnen sind nur darinne von einander unterschieden, daß die einen stärcker, die andern schwächer sind. Es läst sich auch gar leicht erklären, auf was für Art und Weise die Spinnen diese beyden Arten ihrer Fäden, nachdem es ihnen beliebet, zu machen pflegen. Dann ich setze, spricht der de Reaumur, man wisse, daß die Spinnen nahe bey dem Hintern unterschiedene Wärtzlein haben, welche gleichsam so viel Zieheeisen sind, dadurch derselbige Saft lauffen muß, daraus die Seide werden soll, wann sie trocken worden, und durch diese Zieheeisen hingegangen.

Die Spinnen, derer Seide zum verarbeiten dienet, und von denen allhier die Rede ist, haben sechs solche Wärtzlein, davon viere gar wol zu sehen sind, die andern beyden aber nicht so gut, man kan sie auch gar füglich ohne Glas erkennen. Die beyden kleinern Wärtzlein stehen jede nahe bey dem Ende zweyer grössern, welche zunechst bey dem Hintern zu befinden. Ein jedes von diesen sechs sichtlichen Wärtzlein bestehet gleichergestalt aus eitel kleinen Wärtzlein, oder vielmehr aus solchen gantz unsichtbaren Zieheeisen, und zwar ein jedes aus sechs bis sieben dererselben. Daher ist leichtlich zu begreiffen, welchergestalt die Spinnen ihre Fäden, nach Belieben, dicke oder dünne ziehen können: dann sie nicht alleine, ehe und bevor sie anheben zu spinnen, von diesen sechs sichtbaren Wärtzlein mehr oder weniger an etwas anlegen; sondern sie ziehen auch ihre Fäden stärcker oder schwächer, und machen dieselbigen aus mehr oder weniger Fäden, nachdem sie mehr oder weniger von diesen Wärtzlein angeleget haben.

Nun gehören etwan achtzehenmal mehr Fäden, so wie sie aus gedachten Zieheeisen kommen, zu denen Fäden, daraus sie ihre Häuslein machen, als wie zu denenjenigen, daraus sie ihr Gewebe verfertigen, wann die Menge derer Fäden daraus dieses und jene bestehen, starck genug seyn soll. Denn als ich ein Gewichte von zwey Gran an ein Ende eines Fadens vom Gewebe angeklebet, hat er dasselbige gehalten und ist nicht gerissen, bis ich eines von drey Gran dran gehencket: hingegen halten die Fäden von den Häuslein ein Gewichte fast von 36. Gran, und reissen eher nicht, als bis man mehr dran henckt.

Wiewol nun die Faden von den Spinnenhäuslein viel stärcker sind, als wie die von dem Spinnengewebe, so sind sie doch dagegen um ein gutes schwächer, denn die Fäden von den Seidenwürmerhäuslein. Die Fäden, welche ich von denen Häuslein letzterer Art habe abgewunden, hielten insgemeine ein Gewichte von zwey und einen halben Quintlein: daß also die Stärcke von dem Faden eines Spinnenhäuslein, gegen der Stärcke eines Fadens von dem Würmerhäuslein sich wie eins gegen fünff verhält: um welcher Ursach willen auch die alte Seide leichtlich vor der neuen einen Vorzug dürffte erhalten.

[Ende Spaltensatz]
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[0064] etliche zusammen sperren. Das weiß ich wol, fährt der Herr de Reaumur fort, daß es eine Zeit giebet, in welcher bey diesem Gewürme eine linde fermentation pflegt zu geschehen, dadurch ihnen ihre wilde grimmige Art, benommen wird, und da man sie ohne alle Gefahr zusammen sperren könte. Wie aber will einer eben just dieselbige Zeit treffen, die kurtz vor dieser muß hergehen, da sie begierig sind zu legen? Sie könte zwar wol leichtlich ausgefunden werden, wann sie nur alle mit einander fast zu einer Zeit im Jahre legeten: so aber ist ein grosser Unterscheid der Zeit und viel Monate gehen hin, wann diese, und dann jene legen. Die Fruchtbarkeit der Spinnen, ist wie Herr Bon hat angemercket, fast gantz unglaublich: und dannoch diesem allen ungeachtet, spricht der Herr de Reaumur, sind die Seidenwürmer auch fruchtbar; wann man schon setzen wolte, daß sie nur etwan hundert Eyer legten, von denen mit genauer Noth in viertzig Stücken solcher Würmer kämen, die ihre Häuslein machen könten: dahingegen die Spinnen sechs bis sieben hundert Eyer geben mögen. Dieweil ich bey den Seidenwürmern allen, die ich erzogen, angemercket habe, damit ich ihre Seide mit der Spinnen ihrer recht genau vergleichen möchte, daß sie mir jedesmahl drey bis vier hundert Eyerlein gegeben: so ist daraus leicht abzunehmen, daß man die Zahl der Seidenwürmer, nach Gefallen, allezeit vermehren könte, wann solches nur alleine in der Menge ihrer Eyerlein bestünde: die Menge Seide zeiget und beweiset es allein genug, die sie anjetzo in Europa geben, da doch vorher gar keine solche Würmer nicht vorhanden waren. 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Es sind dieselbigen gantz anders geformiret, als wie die andern Spinnenhäuslein: die Eyer sind in denenselbigen in braune Seide eingehüllet, welche gar weitläufftig drum herumgezogen ist, gleichwie sonst auch in andern Spinnenhäuslein. Allein, eben diese braune Seide ist selbst mit einem andern Häuslein von grauer Seide überzogen, dessen Gewebe überaus dichte und ziemlich dicke ist, und kömmt im übrigen mit eines Seidenwurmes Häuslein überein, wenn man dasselbige zum Theil hat abgespuhlet. Die Spinnen legen ihre Eyer in die Häuslein, daran die Seide, welche sie umgiebet, in unterschiedenen Monaten zu befinden. Sie arbeiten daran nicht allein im August und September, gleichwie Herr Bon hat angemercket: sondern es giebet ihrer auch, welche im Mäyen ihre Häuslein bereiten, und andre machen sie in folgenden Monaten. Diese letztern haben den Winter durchgebracht, und legen darum zu so guter Zeit. Ohne Zweiffel hat Herr Bon von denenjenigen alleine reden wollen, welche im Frühjahre ausgekrochen; dann sie legen um ein gutes später als die vorhergehenden. Beyde Arten der Fäden von den Spinnen sind nur darinne von einander unterschieden, daß die einen stärcker, die andern schwächer sind. Es läst sich auch gar leicht erklären, auf was für Art und Weise die Spinnen diese beyden Arten ihrer Fäden, nachdem es ihnen beliebet, zu machen pflegen. Dann ich setze, spricht der de Reaumur, man wisse, daß die Spinnen nahe bey dem Hintern unterschiedene Wärtzlein haben, welche gleichsam so viel Zieheeisen sind, dadurch derselbige Saft lauffen muß, daraus die Seide werden soll, wann sie trocken worden, und durch diese Zieheeisen hingegangen. Die Spinnen, derer Seide zum verarbeiten dienet, und von denen allhier die Rede ist, haben sechs solche Wärtzlein, davon viere gar wol zu sehen sind, die andern beyden aber nicht so gut, man kan sie auch gar füglich ohne Glas erkennen. Die beyden kleinern Wärtzlein stehen jede nahe bey dem Ende zweyer grössern, welche zunechst bey dem Hintern zu befinden. Ein jedes von diesen sechs sichtlichen Wärtzlein bestehet gleichergestalt aus eitel kleinen Wärtzlein, oder vielmehr aus solchen gantz unsichtbaren Zieheeisen, und zwar ein jedes aus sechs bis sieben dererselben. Daher ist leichtlich zu begreiffen, welchergestalt die Spinnen ihre Fäden, nach Belieben, dicke oder dünne ziehen können: dann sie nicht alleine, ehe und bevor sie anheben zu spinnen, von diesen sechs sichtbaren Wärtzlein mehr oder weniger an etwas anlegen; sondern sie ziehen auch ihre Fäden stärcker oder schwächer, und machen dieselbigen aus mehr oder weniger Fäden, nachdem sie mehr oder weniger von diesen Wärtzlein angeleget haben. Nun gehören etwan achtzehenmal mehr Fäden, so wie sie aus gedachten Zieheeisen kommen, zu denen Fäden, daraus sie ihre Häuslein machen, als wie zu denenjenigen, daraus sie ihr Gewebe verfertigen, wann die Menge derer Fäden daraus dieses und jene bestehen, starck genug seyn soll. Denn als ich ein Gewichte von zwey Gran an ein Ende eines Fadens vom Gewebe angeklebet, hat er dasselbige gehalten und ist nicht gerissen, bis ich eines von drey Gran dran gehencket: hingegen halten die Fäden von den Häuslein ein Gewichte fast von 36. Gran, und reissen eher nicht, als bis man mehr dran henckt. Wiewol nun die Faden von den Spinnenhäuslein viel stärcker sind, als wie die von dem Spinnengewebe, so sind sie doch dagegen um ein gutes schwächer, denn die Fäden von den Seidenwürmerhäuslein. Die Fäden, welche ich von denen Häuslein letzterer Art habe abgewunden, hielten insgemeine ein Gewichte von zwey und einen halben Quintlein: daß also die Stärcke von dem Faden eines Spinnenhäuslein, gegen der Stärcke eines Fadens von dem Würmerhäuslein sich wie eins gegen fünff verhält: um welcher Ursach willen auch die alte Seide leichtlich vor der neuen einen Vorzug dürffte erhalten.

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Zitationshilfe: Lémery, Nicolas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lemery_lexicon_1721/64>, abgerufen am 14.05.2024.