Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769].

Bild:
<< vorherige Seite

chen Hause abstammte, und daß es wirklich An-
hänger von ihm gegeben, die unbesonnen genug
waren, ihn mit unter diejenigen zu zählen, die
Ansprüche auf die Krone machen könnten. Als
er daher mit dem Könige Jakob von Schottland
in geheime Unterhandlung trat, ließ er es das
erste seyn, ihn zu versichern, daß er selbst der-
gleichen ehrgeitzige Gedanken nie gehabt habe.
Was er hier von sich ablehnte, ist nicht viel we-
niger, als was ihn Corneille voraussetzen läßt.

Indem also Voltaire durch das ganze Stück
nichts als historische Unrichtigkeiten findet, be-
geht er selbst nicht geringe. Ueber eine hat sich
Walpole (*) schon lustig gemacht. Wenn
nehmlich Voltaire die erstern Lieblinge der Kö-
niginn Elisabeth nennen will, so nennt er den
Robert Dudley und den Grafen von Leicester.
Er wußte nicht, daß beide nur eine Person
waren, und daß man mit eben dem Rechte den
Poeten Arouet und den Kammerherrn von Vol-
taire zu zwey verschiedenen Personen machen
könnte. Eben so unverzeihlich ist das Hysteron-
proteron, in welches er mit der Ohrfeige verfällt,
die die Königinn dem Essex gab. Es ist falsch,
daß er sie nach seiner unglücklichen Expedition
in Irrland bekam; er hatte sie lange vorher be-
kommen; und es ist so wenig wahr, daß er

da-
(*) Le Chateau d'Otrante, Pref. p. XIV.

chen Hauſe abſtammte, und daß es wirklich An-
haͤnger von ihm gegeben, die unbeſonnen genug
waren, ihn mit unter diejenigen zu zaͤhlen, die
Anſpruͤche auf die Krone machen koͤnnten. Als
er daher mit dem Koͤnige Jakob von Schottland
in geheime Unterhandlung trat, ließ er es das
erſte ſeyn, ihn zu verſichern, daß er ſelbſt der-
gleichen ehrgeitzige Gedanken nie gehabt habe.
Was er hier von ſich ablehnte, iſt nicht viel we-
niger, als was ihn Corneille vorausſetzen laͤßt.

Indem alſo Voltaire durch das ganze Stuͤck
nichts als hiſtoriſche Unrichtigkeiten findet, be-
geht er ſelbſt nicht geringe. Ueber eine hat ſich
Walpole (*) ſchon luſtig gemacht. Wenn
nehmlich Voltaire die erſtern Lieblinge der Koͤ-
niginn Eliſabeth nennen will, ſo nennt er den
Robert Dudley und den Grafen von Leiceſter.
Er wußte nicht, daß beide nur eine Perſon
waren, und daß man mit eben dem Rechte den
Poeten Arouet und den Kammerherrn von Vol-
taire zu zwey verſchiedenen Perſonen machen
koͤnnte. Eben ſo unverzeihlich iſt das Hyſteron-
proteron, in welches er mit der Ohrfeige verfaͤllt,
die die Koͤniginn dem Eſſex gab. Es iſt falſch,
daß er ſie nach ſeiner ungluͤcklichen Expedition
in Irrland bekam; er hatte ſie lange vorher be-
kommen; und es iſt ſo wenig wahr, daß er

da-
(*) Le Chateau d’Otrante, Pref. p. XIV.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0196" n="182"/>
chen Hau&#x017F;e ab&#x017F;tammte, und daß es wirklich An-<lb/>
ha&#x0364;nger von ihm gegeben, die unbe&#x017F;onnen genug<lb/>
waren, ihn mit unter diejenigen zu za&#x0364;hlen, die<lb/>
An&#x017F;pru&#x0364;che auf die Krone machen ko&#x0364;nnten. Als<lb/>
er daher mit dem Ko&#x0364;nige Jakob von Schottland<lb/>
in geheime Unterhandlung trat, ließ er es das<lb/>
er&#x017F;te &#x017F;eyn, ihn zu ver&#x017F;ichern, daß er &#x017F;elb&#x017F;t der-<lb/>
gleichen ehrgeitzige Gedanken nie gehabt habe.<lb/>
Was er hier von &#x017F;ich ablehnte, i&#x017F;t nicht viel we-<lb/>
niger, als was ihn Corneille voraus&#x017F;etzen la&#x0364;ßt.</p><lb/>
        <p>Indem al&#x017F;o Voltaire durch das ganze Stu&#x0364;ck<lb/>
nichts als hi&#x017F;tori&#x017F;che Unrichtigkeiten findet, be-<lb/>
geht er &#x017F;elb&#x017F;t nicht geringe. Ueber eine hat &#x017F;ich<lb/>
Walpole <note place="foot" n="(*)"><hi rendition="#aq">Le Chateau d&#x2019;Otrante, Pref. p. XIV.</hi></note> &#x017F;chon lu&#x017F;tig gemacht. Wenn<lb/>
nehmlich Voltaire die er&#x017F;tern Lieblinge der Ko&#x0364;-<lb/>
niginn Eli&#x017F;abeth nennen will, &#x017F;o nennt er den<lb/>
Robert Dudley und den Grafen von Leice&#x017F;ter.<lb/>
Er wußte nicht, daß beide nur eine Per&#x017F;on<lb/>
waren, und daß man mit eben dem Rechte den<lb/>
Poeten Arouet und den Kammerherrn von Vol-<lb/>
taire zu zwey ver&#x017F;chiedenen Per&#x017F;onen machen<lb/>
ko&#x0364;nnte. Eben &#x017F;o unverzeihlich i&#x017F;t das Hy&#x017F;teron-<lb/>
proteron, in welches er mit der Ohrfeige verfa&#x0364;llt,<lb/>
die die Ko&#x0364;niginn dem E&#x017F;&#x017F;ex gab. Es i&#x017F;t fal&#x017F;ch,<lb/>
daß er &#x017F;ie nach &#x017F;einer unglu&#x0364;cklichen Expedition<lb/>
in Irrland bekam; er hatte &#x017F;ie lange vorher be-<lb/>
kommen; und es i&#x017F;t &#x017F;o wenig wahr, daß er<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">da-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0196] chen Hauſe abſtammte, und daß es wirklich An- haͤnger von ihm gegeben, die unbeſonnen genug waren, ihn mit unter diejenigen zu zaͤhlen, die Anſpruͤche auf die Krone machen koͤnnten. Als er daher mit dem Koͤnige Jakob von Schottland in geheime Unterhandlung trat, ließ er es das erſte ſeyn, ihn zu verſichern, daß er ſelbſt der- gleichen ehrgeitzige Gedanken nie gehabt habe. Was er hier von ſich ablehnte, iſt nicht viel we- niger, als was ihn Corneille vorausſetzen laͤßt. Indem alſo Voltaire durch das ganze Stuͤck nichts als hiſtoriſche Unrichtigkeiten findet, be- geht er ſelbſt nicht geringe. Ueber eine hat ſich Walpole (*) ſchon luſtig gemacht. Wenn nehmlich Voltaire die erſtern Lieblinge der Koͤ- niginn Eliſabeth nennen will, ſo nennt er den Robert Dudley und den Grafen von Leiceſter. Er wußte nicht, daß beide nur eine Perſon waren, und daß man mit eben dem Rechte den Poeten Arouet und den Kammerherrn von Vol- taire zu zwey verſchiedenen Perſonen machen koͤnnte. Eben ſo unverzeihlich iſt das Hyſteron- proteron, in welches er mit der Ohrfeige verfaͤllt, die die Koͤniginn dem Eſſex gab. Es iſt falſch, daß er ſie nach ſeiner ungluͤcklichen Expedition in Irrland bekam; er hatte ſie lange vorher be- kommen; und es iſt ſo wenig wahr, daß er da- (*) Le Chateau d’Otrante, Pref. p. XIV.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/196
Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/196>, abgerufen am 15.05.2024.