Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

"Ich bitte Sie, Mr. Hughes", lachte Erlau
dazwischen, "lassen Sie sich doch von den ab-
geschmackten Lehren nicht hinreißen. Was so
ein Doctor, der längst ein begehrter Heiraths-
kandidat ist, und so ein Kandidat der Theo-
logie, der längst Prediger sein möchte, unser
Einem vorpredigen und aufdociren möchten, das
ist ja deshalb Alles noch nicht wahr. Lassen
Sie die Beiden doch lehren, was sie wollen;
ich behaupte dennoch, daß im Figaro, im Bar-
bier, im Don Juan, in der ganz vergessenen,
lieblichen Fanchon, etwas von der flüchtigen,
graziösen Leichtigkeit des vorigen Jahrhunderts
liegt, die in Frankreich zu seltener Liebenswür-
digkeit gediehen war."

"Zu einer Liebenswürdigkeit", sagte Eduard,
"die, in totale Verderbtheit ausgeartet, sinnlos
forttänzelte zum Schaffot, trotz der warnenden
Stimmen, an denen es nicht fehlte."

"Ja! zum Schaffot", fuhr Erlau fort,

„Ich bitte Sie, Mr. Hughes“, lachte Erlau
dazwiſchen, „laſſen Sie ſich doch von den ab-
geſchmackten Lehren nicht hinreißen. Was ſo
ein Doctor, der längſt ein begehrter Heiraths-
kandidat iſt, und ſo ein Kandidat der Theo-
logie, der längſt Prediger ſein möchte, unſer
Einem vorpredigen und aufdociren möchten, das
iſt ja deshalb Alles noch nicht wahr. Laſſen
Sie die Beiden doch lehren, was ſie wollen;
ich behaupte dennoch, daß im Figaro, im Bar-
bier, im Don Juan, in der ganz vergeſſenen,
lieblichen Fanchon, etwas von der flüchtigen,
graziöſen Leichtigkeit des vorigen Jahrhunderts
liegt, die in Frankreich zu ſeltener Liebenswür-
digkeit gediehen war.“

„Zu einer Liebenswürdigkeit“, ſagte Eduard,
„die, in totale Verderbtheit ausgeartet, ſinnlos
forttänzelte zum Schaffot, trotz der warnenden
Stimmen, an denen es nicht fehlte.“

„Ja! zum Schaffot“, fuhr Erlau fort,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0114" n="102"/>
        <p>&#x201E;Ich bitte Sie, Mr. Hughes&#x201C;, lachte Erlau<lb/>
dazwi&#x017F;chen, &#x201E;la&#x017F;&#x017F;en Sie &#x017F;ich doch von den ab-<lb/>
ge&#x017F;chmackten Lehren nicht hinreißen. Was &#x017F;o<lb/>
ein Doctor, der läng&#x017F;t ein begehrter Heiraths-<lb/>
kandidat i&#x017F;t, und &#x017F;o ein Kandidat der Theo-<lb/>
logie, der läng&#x017F;t Prediger &#x017F;ein möchte, un&#x017F;er<lb/>
Einem vorpredigen und aufdociren möchten, das<lb/>
i&#x017F;t ja deshalb Alles noch nicht wahr. La&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Sie die Beiden doch lehren, was &#x017F;ie wollen;<lb/>
ich behaupte dennoch, daß im Figaro, im Bar-<lb/>
bier, im Don Juan, in der ganz verge&#x017F;&#x017F;enen,<lb/>
lieblichen Fanchon, etwas von der flüchtigen,<lb/>
graziö&#x017F;en Leichtigkeit des vorigen Jahrhunderts<lb/>
liegt, die in Frankreich zu &#x017F;eltener Liebenswür-<lb/>
digkeit gediehen war.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Zu einer Liebenswürdigkeit&#x201C;, &#x017F;agte Eduard,<lb/>
&#x201E;die, in totale Verderbtheit ausgeartet, &#x017F;innlos<lb/>
forttänzelte zum Schaffot, trotz der warnenden<lb/>
Stimmen, an denen es nicht fehlte.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja! zum Schaffot&#x201C;, fuhr Erlau fort,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0114] „Ich bitte Sie, Mr. Hughes“, lachte Erlau dazwiſchen, „laſſen Sie ſich doch von den ab- geſchmackten Lehren nicht hinreißen. Was ſo ein Doctor, der längſt ein begehrter Heiraths- kandidat iſt, und ſo ein Kandidat der Theo- logie, der längſt Prediger ſein möchte, unſer Einem vorpredigen und aufdociren möchten, das iſt ja deshalb Alles noch nicht wahr. Laſſen Sie die Beiden doch lehren, was ſie wollen; ich behaupte dennoch, daß im Figaro, im Bar- bier, im Don Juan, in der ganz vergeſſenen, lieblichen Fanchon, etwas von der flüchtigen, graziöſen Leichtigkeit des vorigen Jahrhunderts liegt, die in Frankreich zu ſeltener Liebenswür- digkeit gediehen war.“ „Zu einer Liebenswürdigkeit“, ſagte Eduard, „die, in totale Verderbtheit ausgeartet, ſinnlos forttänzelte zum Schaffot, trotz der warnenden Stimmen, an denen es nicht fehlte.“ „Ja! zum Schaffot“, fuhr Erlau fort,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/114
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/114>, abgerufen am 27.04.2024.