Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

und Eduard sollte unwandelbar die gleiche
Stimmung haben? Könnt Ihr wissen, was in
seinem Berufe sich für neue Verhältnisse seinem
Geiste aufdrängen, und wie klein und beschränkt
ihm Eure Interessen gegen die seinigen oft er-
scheinen mögen? Da kommt Ihr mit Euren
Haus- und Putzgeschichten und wundert Euch,
wenn man nicht gespannt aufmerksam ist, und
nennt das kalt und zerstreut. Eduard muß
nur, wenn er einst selbst Hausherr sein wird,
die Kunst lernen, mit dem Ohr zuzuhören, ohne
daß das Gehörte bis in den Kopf dringt, das
lernt sich aber mit den Jahren."

"Wollte Gott!" sagte die Mutter, mit Wonne
auf ihr Lieblingsthema eingehend, "Eduard
wäre so weit. Ungebunden, wie er jetzt ist,
läßt er sich in Dinge ein, die ihn nicht küm-
mern; er nimmt, wie man so sagt, kein Blatt
vor den Mund, er äußert politische Ansichten
und Hoffnungen, die unnöthig die Augen der

und Eduard ſollte unwandelbar die gleiche
Stimmung haben? Könnt Ihr wiſſen, was in
ſeinem Berufe ſich für neue Verhältniſſe ſeinem
Geiſte aufdrängen, und wie klein und beſchränkt
ihm Eure Intereſſen gegen die ſeinigen oft er-
ſcheinen mögen? Da kommt Ihr mit Euren
Haus- und Putzgeſchichten und wundert Euch,
wenn man nicht geſpannt aufmerkſam iſt, und
nennt das kalt und zerſtreut. Eduard muß
nur, wenn er einſt ſelbſt Hausherr ſein wird,
die Kunſt lernen, mit dem Ohr zuzuhören, ohne
daß das Gehörte bis in den Kopf dringt, das
lernt ſich aber mit den Jahren.“

„Wollte Gott!“ ſagte die Mutter, mit Wonne
auf ihr Lieblingsthema eingehend, „Eduard
wäre ſo weit. Ungebunden, wie er jetzt iſt,
läßt er ſich in Dinge ein, die ihn nicht küm-
mern; er nimmt, wie man ſo ſagt, kein Blatt
vor den Mund, er äußert politiſche Anſichten
und Hoffnungen, die unnöthig die Augen der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0145" n="133"/>
und Eduard &#x017F;ollte unwandelbar die gleiche<lb/>
Stimmung haben? Könnt Ihr wi&#x017F;&#x017F;en, was in<lb/>
&#x017F;einem Berufe &#x017F;ich für neue Verhältni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;einem<lb/>
Gei&#x017F;te aufdrängen, und wie klein und be&#x017F;chränkt<lb/>
ihm Eure Intere&#x017F;&#x017F;en gegen die &#x017F;einigen oft er-<lb/>
&#x017F;cheinen mögen? Da kommt Ihr mit Euren<lb/>
Haus- und Putzge&#x017F;chichten und wundert Euch,<lb/>
wenn man nicht ge&#x017F;pannt aufmerk&#x017F;am i&#x017F;t, und<lb/>
nennt das kalt und zer&#x017F;treut. Eduard muß<lb/>
nur, wenn er ein&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t Hausherr &#x017F;ein wird,<lb/>
die Kun&#x017F;t lernen, mit dem Ohr zuzuhören, ohne<lb/>
daß das Gehörte bis in den Kopf dringt, das<lb/>
lernt &#x017F;ich aber mit den Jahren.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wollte Gott!&#x201C; &#x017F;agte die Mutter, mit Wonne<lb/>
auf ihr Lieblingsthema eingehend, &#x201E;Eduard<lb/>
wäre &#x017F;o weit. Ungebunden, wie er jetzt i&#x017F;t,<lb/>
läßt er &#x017F;ich in Dinge ein, die ihn nicht küm-<lb/>
mern; er nimmt, wie man &#x017F;o &#x017F;agt, kein Blatt<lb/>
vor den Mund, er äußert politi&#x017F;che An&#x017F;ichten<lb/>
und Hoffnungen, die unnöthig die Augen der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[133/0145] und Eduard ſollte unwandelbar die gleiche Stimmung haben? Könnt Ihr wiſſen, was in ſeinem Berufe ſich für neue Verhältniſſe ſeinem Geiſte aufdrängen, und wie klein und beſchränkt ihm Eure Intereſſen gegen die ſeinigen oft er- ſcheinen mögen? Da kommt Ihr mit Euren Haus- und Putzgeſchichten und wundert Euch, wenn man nicht geſpannt aufmerkſam iſt, und nennt das kalt und zerſtreut. Eduard muß nur, wenn er einſt ſelbſt Hausherr ſein wird, die Kunſt lernen, mit dem Ohr zuzuhören, ohne daß das Gehörte bis in den Kopf dringt, das lernt ſich aber mit den Jahren.“ „Wollte Gott!“ ſagte die Mutter, mit Wonne auf ihr Lieblingsthema eingehend, „Eduard wäre ſo weit. Ungebunden, wie er jetzt iſt, läßt er ſich in Dinge ein, die ihn nicht küm- mern; er nimmt, wie man ſo ſagt, kein Blatt vor den Mund, er äußert politiſche Anſichten und Hoffnungen, die unnöthig die Augen der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/145
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/145>, abgerufen am 27.04.2024.