Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Sie überlegte, wie diese und jene Toch-
ter eines reichen Kaufmanns einen berühm-
ten Künstler, einen Baron, einen Grafen
geheirathet hatte. Reinhard war ihr sehr
lieb; sie vor Allen hatte das Verhältniß
gebilligt und geschützt gegen die frühere Ansicht
ihres Mannes, und diese Verbindung war ihr
vollkommen ausreichend zu Jenny's Glück er-
schienen, bis das unnütze Geschwätz einiger Da-
men, die ihr damit zu schmeicheln wähnten, die
Saat der Unzufriedenheit in ihre Brust streuten.
Vergebens wiederholte sie sich, daß ihre Tochter
glücklich sei, -- es fiel ihr unaufhörlich ein, es
hätte doch noch beglückender für Jenny sein
müssen, wenn Reinhard nicht ein junger Theo-
log, sondern ein Mann von Stande gewesen
wäre. Daß er es nicht war, konnte sie ihm
zwar nicht zur Last legen; es mußte aber ihrer
Meinung nach den jungen Mann veranlassen,
durch besondere Zuvorkommenheit, durch gänz-

Sie überlegte, wie dieſe und jene Toch-
ter eines reichen Kaufmanns einen berühm-
ten Künſtler, einen Baron, einen Grafen
geheirathet hatte. Reinhard war ihr ſehr
lieb; ſie vor Allen hatte das Verhältniß
gebilligt und geſchützt gegen die frühere Anſicht
ihres Mannes, und dieſe Verbindung war ihr
vollkommen ausreichend zu Jenny's Glück er-
ſchienen, bis das unnütze Geſchwätz einiger Da-
men, die ihr damit zu ſchmeicheln wähnten, die
Saat der Unzufriedenheit in ihre Bruſt ſtreuten.
Vergebens wiederholte ſie ſich, daß ihre Tochter
glücklich ſei, — es fiel ihr unaufhörlich ein, es
hätte doch noch beglückender für Jenny ſein
müſſen, wenn Reinhard nicht ein junger Theo-
log, ſondern ein Mann von Stande geweſen
wäre. Daß er es nicht war, konnte ſie ihm
zwar nicht zur Laſt legen; es mußte aber ihrer
Meinung nach den jungen Mann veranlaſſen,
durch beſondere Zuvorkommenheit, durch gänz-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0284" n="272"/>
        <p>Sie überlegte, wie die&#x017F;e und jene Toch-<lb/>
ter eines reichen Kaufmanns einen berühm-<lb/>
ten Kün&#x017F;tler, einen Baron, einen Grafen<lb/>
geheirathet hatte. Reinhard war ihr &#x017F;ehr<lb/>
lieb; &#x017F;ie vor Allen hatte das Verhältniß<lb/>
gebilligt und ge&#x017F;chützt gegen die frühere An&#x017F;icht<lb/>
ihres Mannes, und die&#x017F;e Verbindung war ihr<lb/>
vollkommen ausreichend zu Jenny's Glück er-<lb/>
&#x017F;chienen, bis das unnütze Ge&#x017F;chwätz einiger Da-<lb/>
men, die ihr damit zu &#x017F;chmeicheln wähnten, die<lb/>
Saat der Unzufriedenheit in ihre Bru&#x017F;t &#x017F;treuten.<lb/>
Vergebens wiederholte &#x017F;ie &#x017F;ich, daß ihre Tochter<lb/>
glücklich &#x017F;ei, &#x2014; es fiel ihr unaufhörlich ein, es<lb/>
hätte doch noch beglückender für Jenny &#x017F;ein<lb/>&#x017F;&#x017F;en, wenn Reinhard nicht ein junger Theo-<lb/>
log, &#x017F;ondern ein Mann von Stande gewe&#x017F;en<lb/>
wäre. Daß er es nicht war, konnte &#x017F;ie ihm<lb/>
zwar nicht zur La&#x017F;t legen; es mußte aber ihrer<lb/>
Meinung nach den jungen Mann veranla&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
durch be&#x017F;ondere Zuvorkommenheit, durch gänz-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[272/0284] Sie überlegte, wie dieſe und jene Toch- ter eines reichen Kaufmanns einen berühm- ten Künſtler, einen Baron, einen Grafen geheirathet hatte. Reinhard war ihr ſehr lieb; ſie vor Allen hatte das Verhältniß gebilligt und geſchützt gegen die frühere Anſicht ihres Mannes, und dieſe Verbindung war ihr vollkommen ausreichend zu Jenny's Glück er- ſchienen, bis das unnütze Geſchwätz einiger Da- men, die ihr damit zu ſchmeicheln wähnten, die Saat der Unzufriedenheit in ihre Bruſt ſtreuten. Vergebens wiederholte ſie ſich, daß ihre Tochter glücklich ſei, — es fiel ihr unaufhörlich ein, es hätte doch noch beglückender für Jenny ſein müſſen, wenn Reinhard nicht ein junger Theo- log, ſondern ein Mann von Stande geweſen wäre. Daß er es nicht war, konnte ſie ihm zwar nicht zur Laſt legen; es mußte aber ihrer Meinung nach den jungen Mann veranlaſſen, durch beſondere Zuvorkommenheit, durch gänz-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/284
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/284>, abgerufen am 09.05.2024.