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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Die anorganischen Bestandtheile der Vegetabilien.
zeln in schwachen Auflösungen von essigsaurem Bleioxid und
sodann in Regenwasser vegetiren ließ, daß das letztere von
derselben essigsaures Bleioxid wieder empfing, daß sie also
dasjenige wieder dem Boden zurückgeben, was zu ihrer Exi-
stenz nicht nothwendig ist.

Begießen wir eine Pflanze, die im Freien dem Sonnen-
lichte, dem Regen und der Atmosphäre ausgesetzt ist, mit einer
Auflösung von salpetersaurem Strontian, so wird das anfangs
aufgenommene, aber durch die Wurzeln wieder abgeführte Salz
bei jeder Benetzung des Bodens durch den Regen, von den
Wurzeln weiter entfernt; nach einiger Zeit wird sie keine
Spur mehr davon enthalten.

Fassen wir nun den Zustand der beiden Tannen ins Auge,
deren Asche von einem der schärfsten und genauesten Analytiker
untersucht worden ist. Die eine wächst in Norwegen auf einem
Boden, dessen Bestandtheile sich nie ändern, dem aber durch
Regenwasser lösliche Salze, und darunter Kochsalz in überwie-
gender Menge zugeführt werden; woher kommt es nun, kann
man fragen, daß seine Asche keine entdeckbare Spur Kochsalz
enthält, während wir gewiß sind, daß seine Wurzeln nach je-
dem Regen Kochsalz aufgenommen haben.

Wir erklären uns die Abwesenheit des Kochsalzes durch
directe und positive Beobachtungen, die man an andern Pflan-
zen gemacht hat, indem wir sie der Fähigkeit ihres Organis-
mus zuschreiben, Alles dem Boden wieder zurückzugeben, was
nicht zu seinem Bestehen gehört.

Diese Thatsache ihrem wahren Werth nach anerkannt,
müssen die alkalischen Basen, die wir in den Aschen finden,
zum Bestehen der Pflanze unentbehrlich sein; denn wären sie
es nicht, so wären sie nicht da.

Von diesem Gesichtspunkte aufgefaßt, ist die völlige Ent-

Die anorganiſchen Beſtandtheile der Vegetabilien.
zeln in ſchwachen Auflöſungen von eſſigſaurem Bleioxid und
ſodann in Regenwaſſer vegetiren ließ, daß das letztere von
derſelben eſſigſaures Bleioxid wieder empfing, daß ſie alſo
dasjenige wieder dem Boden zurückgeben, was zu ihrer Exi-
ſtenz nicht nothwendig iſt.

Begießen wir eine Pflanze, die im Freien dem Sonnen-
lichte, dem Regen und der Atmoſphäre ausgeſetzt iſt, mit einer
Auflöſung von ſalpeterſaurem Strontian, ſo wird das anfangs
aufgenommene, aber durch die Wurzeln wieder abgeführte Salz
bei jeder Benetzung des Bodens durch den Regen, von den
Wurzeln weiter entfernt; nach einiger Zeit wird ſie keine
Spur mehr davon enthalten.

Faſſen wir nun den Zuſtand der beiden Tannen ins Auge,
deren Aſche von einem der ſchärfſten und genaueſten Analytiker
unterſucht worden iſt. Die eine wächſt in Norwegen auf einem
Boden, deſſen Beſtandtheile ſich nie ändern, dem aber durch
Regenwaſſer lösliche Salze, und darunter Kochſalz in überwie-
gender Menge zugeführt werden; woher kommt es nun, kann
man fragen, daß ſeine Aſche keine entdeckbare Spur Kochſalz
enthält, während wir gewiß ſind, daß ſeine Wurzeln nach je-
dem Regen Kochſalz aufgenommen haben.

Wir erklären uns die Abweſenheit des Kochſalzes durch
directe und poſitive Beobachtungen, die man an andern Pflan-
zen gemacht hat, indem wir ſie der Fähigkeit ihres Organis-
mus zuſchreiben, Alles dem Boden wieder zurückzugeben, was
nicht zu ſeinem Beſtehen gehört.

Dieſe Thatſache ihrem wahren Werth nach anerkannt,
müſſen die alkaliſchen Baſen, die wir in den Aſchen finden,
zum Beſtehen der Pflanze unentbehrlich ſein; denn wären ſie
es nicht, ſo wären ſie nicht da.

Von dieſem Geſichtspunkte aufgefaßt, iſt die völlige Ent-

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[95/0113] Die anorganiſchen Beſtandtheile der Vegetabilien. zeln in ſchwachen Auflöſungen von eſſigſaurem Bleioxid und ſodann in Regenwaſſer vegetiren ließ, daß das letztere von derſelben eſſigſaures Bleioxid wieder empfing, daß ſie alſo dasjenige wieder dem Boden zurückgeben, was zu ihrer Exi- ſtenz nicht nothwendig iſt. Begießen wir eine Pflanze, die im Freien dem Sonnen- lichte, dem Regen und der Atmoſphäre ausgeſetzt iſt, mit einer Auflöſung von ſalpeterſaurem Strontian, ſo wird das anfangs aufgenommene, aber durch die Wurzeln wieder abgeführte Salz bei jeder Benetzung des Bodens durch den Regen, von den Wurzeln weiter entfernt; nach einiger Zeit wird ſie keine Spur mehr davon enthalten. Faſſen wir nun den Zuſtand der beiden Tannen ins Auge, deren Aſche von einem der ſchärfſten und genaueſten Analytiker unterſucht worden iſt. Die eine wächſt in Norwegen auf einem Boden, deſſen Beſtandtheile ſich nie ändern, dem aber durch Regenwaſſer lösliche Salze, und darunter Kochſalz in überwie- gender Menge zugeführt werden; woher kommt es nun, kann man fragen, daß ſeine Aſche keine entdeckbare Spur Kochſalz enthält, während wir gewiß ſind, daß ſeine Wurzeln nach je- dem Regen Kochſalz aufgenommen haben. Wir erklären uns die Abweſenheit des Kochſalzes durch directe und poſitive Beobachtungen, die man an andern Pflan- zen gemacht hat, indem wir ſie der Fähigkeit ihres Organis- mus zuſchreiben, Alles dem Boden wieder zurückzugeben, was nicht zu ſeinem Beſtehen gehört. Dieſe Thatſache ihrem wahren Werth nach anerkannt, müſſen die alkaliſchen Baſen, die wir in den Aſchen finden, zum Beſtehen der Pflanze unentbehrlich ſein; denn wären ſie es nicht, ſo wären ſie nicht da. Von dieſem Geſichtspunkte aufgefaßt, iſt die völlige Ent-

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/113>, abgerufen am 28.04.2024.