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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Die anorganischen Bestandtheile der Vegetabilien.
Organe eingewirkt wird, werden diese Verhältnisse minder be-
ständig sich zeigen.

Wenn wir die Erde, in welcher eine weiße blühende Hya-
zinthe steht, mit dem Safte von Phytolaca decandra begießen, so
sehen wir nach einer oder zwei Stunden die weißen Blüthen
eine rothe Farbe annehmen, sie färben sich vor unsern Augen,
aber im Sonnenlichte verschwindet in zwei bis drei Tagen
die Farbe wieder, sie werden weiß und farblos, wie sie im
Anfange waren*). Offenbar ist hier der Saft ohne die geringste
Aenderung in seiner chemischen Beschaffenheit in alle Theile
der Pflanze übergegangen, ohne durch seine Gegenwart der
Pflanze zu schaden, ohne daß man behaupten kann, sie sei
für die Existenz der Pflanze nothwendig gewesen. Aber dieser
Zustand war nicht dauernd, und wenn die Blüthe wieder
farblos geworden ist, so wird keiner der Bestandtheile des ro-
then Farbstoffs mehr vorhanden sein; nur in dem Fall, daß
einer davon den Zwecken ihres Lebens dienen konnte, wird sie
diesen allein zurückbehalten, die übrigen werden durch die Wur-
zel in veränderter Form abgeschieden werden.

Ganz derselbe Fall muß eintreten, wenn wir eine Pflanze
mit Auflösungen von Chlorkalium, Salpeter oder salpetersaurem
Strontian begießen, sie werden wie der erwähnte Pflanzensaft
in die Pflanze übergehen, und wenn wir sie zu dieser Zeit
verbrennen, so werden wir die Basen in der Asche finden, ihre
Gegenwart ist rein zufällig, es kann hieraus kein Schluß ge-
gen die Nothwendigkeit des Vorhandenseins der anderen Basen
gezogen werden. Wir wissen aus den schönen Versuchen von
Macaire-Princep, daß Pflanzen, die man mit ihren Wur-

*) Siehe Biot in den Comptes rendus de Seances de l'academie
des Sciences a Paris 1re Semestre 1837. p.
12.

Die anorganiſchen Beſtandtheile der Vegetabilien.
Organe eingewirkt wird, werden dieſe Verhältniſſe minder be-
ſtändig ſich zeigen.

Wenn wir die Erde, in welcher eine weiße blühende Hya-
zinthe ſteht, mit dem Safte von Phytolaca decandra begießen, ſo
ſehen wir nach einer oder zwei Stunden die weißen Blüthen
eine rothe Farbe annehmen, ſie färben ſich vor unſern Augen,
aber im Sonnenlichte verſchwindet in zwei bis drei Tagen
die Farbe wieder, ſie werden weiß und farblos, wie ſie im
Anfange waren*). Offenbar iſt hier der Saft ohne die geringſte
Aenderung in ſeiner chemiſchen Beſchaffenheit in alle Theile
der Pflanze übergegangen, ohne durch ſeine Gegenwart der
Pflanze zu ſchaden, ohne daß man behaupten kann, ſie ſei
für die Exiſtenz der Pflanze nothwendig geweſen. Aber dieſer
Zuſtand war nicht dauernd, und wenn die Blüthe wieder
farblos geworden iſt, ſo wird keiner der Beſtandtheile des ro-
then Farbſtoffs mehr vorhanden ſein; nur in dem Fall, daß
einer davon den Zwecken ihres Lebens dienen konnte, wird ſie
dieſen allein zurückbehalten, die übrigen werden durch die Wur-
zel in veränderter Form abgeſchieden werden.

Ganz derſelbe Fall muß eintreten, wenn wir eine Pflanze
mit Auflöſungen von Chlorkalium, Salpeter oder ſalpeterſaurem
Strontian begießen, ſie werden wie der erwähnte Pflanzenſaft
in die Pflanze übergehen, und wenn wir ſie zu dieſer Zeit
verbrennen, ſo werden wir die Baſen in der Aſche finden, ihre
Gegenwart iſt rein zufällig, es kann hieraus kein Schluß ge-
gen die Nothwendigkeit des Vorhandenſeins der anderen Baſen
gezogen werden. Wir wiſſen aus den ſchönen Verſuchen von
Macaire-Princep, daß Pflanzen, die man mit ihren Wur-

*) Siehe Biot in den Comptes rendus de Séances de l’academie
des Sciences a Paris 1re Semestre 1837. p.
12.
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[94/0112] Die anorganiſchen Beſtandtheile der Vegetabilien. Organe eingewirkt wird, werden dieſe Verhältniſſe minder be- ſtändig ſich zeigen. Wenn wir die Erde, in welcher eine weiße blühende Hya- zinthe ſteht, mit dem Safte von Phytolaca decandra begießen, ſo ſehen wir nach einer oder zwei Stunden die weißen Blüthen eine rothe Farbe annehmen, ſie färben ſich vor unſern Augen, aber im Sonnenlichte verſchwindet in zwei bis drei Tagen die Farbe wieder, ſie werden weiß und farblos, wie ſie im Anfange waren *). Offenbar iſt hier der Saft ohne die geringſte Aenderung in ſeiner chemiſchen Beſchaffenheit in alle Theile der Pflanze übergegangen, ohne durch ſeine Gegenwart der Pflanze zu ſchaden, ohne daß man behaupten kann, ſie ſei für die Exiſtenz der Pflanze nothwendig geweſen. Aber dieſer Zuſtand war nicht dauernd, und wenn die Blüthe wieder farblos geworden iſt, ſo wird keiner der Beſtandtheile des ro- then Farbſtoffs mehr vorhanden ſein; nur in dem Fall, daß einer davon den Zwecken ihres Lebens dienen konnte, wird ſie dieſen allein zurückbehalten, die übrigen werden durch die Wur- zel in veränderter Form abgeſchieden werden. Ganz derſelbe Fall muß eintreten, wenn wir eine Pflanze mit Auflöſungen von Chlorkalium, Salpeter oder ſalpeterſaurem Strontian begießen, ſie werden wie der erwähnte Pflanzenſaft in die Pflanze übergehen, und wenn wir ſie zu dieſer Zeit verbrennen, ſo werden wir die Baſen in der Aſche finden, ihre Gegenwart iſt rein zufällig, es kann hieraus kein Schluß ge- gen die Nothwendigkeit des Vorhandenſeins der anderen Baſen gezogen werden. Wir wiſſen aus den ſchönen Verſuchen von Macaire-Princep, daß Pflanzen, die man mit ihren Wur- *) Siehe Biot in den Comptes rendus de Séances de l’academie des Sciences a Paris 1re Semestre 1837. p. 12.

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/112>, abgerufen am 28.04.2024.