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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Die anorganischen Bestandtheile der Vegetabilien.
Blätter der Pflanzen mit Salzkrystallen selbst auf 20--30 engl.
Meilen hin, bedecken, aber es bedarf der Stürme nicht, um
diese Salze zum Verflüchtigen zu bringen, die über dem Meere
schwebende Luft trübt jederzeit die salpetersaure Silberlösung,
jeder, auch der schwächste Luftzug entführt mit den Milliarden
Centnern Seewasser, welche jährlich verdampfen, eine entspre-
chende Menge der darinn gelös'ten Salze und führt Kochsalz,
Chlorkalium, Bittererde und die übrigen Bestandtheile dem
festen Lande zu.

Diese Verflüchtigung ist die Quelle eines beträchtlichen Ver-
lustes in der Salzgewinnung aus schwachen Soolen. Auf der
Saline Naueim ist diese Erscheinung durch den dortigen Di-
rector, Herrn Wilhelmi, einen sehr unterrichteten und kennt-
nißreichen Mann, zur Evidenz nachgewiesen worden; eine Glas-
platte auf einer hohen Stange zwischen zwei Gradirgebäuden
befestigt, die von einander etwa 1200 Schritte entfernt stan-
den, fand sich des Morgens nach dem Auftrocknen des Thaus
auf der einen oder andern Seite nach der Richtung des Win-
des stets mit Salzkrystallen bedeckt.

Das in steter Verdampfung begriffene Meer *) verbreitet
über die ganze Oberfläche der Erde hin, in dem Regenwasser,
alle zum Bestehen einer Vegetation unentbehrlichen Salze, wir
finden sie selbst da in ihrer Asche wieder, wo der Boden keine
Bestandtheile liefern konnte.

In der Betrachtung umfassender Naturerscheinungen haben
wir keinen Maaßstab mehr für das, was wir gewohnt sind,

*) Das Seewasser enthält nach Marcet in 1000 Theilen:
26,660 Kochfalz.
4,660 schwefelsaures Natron.
1,232 Chlorkalium.
5,152 Chlormagnesia.
1,5 schwefelsauren Kalk.

Die anorganiſchen Beſtandtheile der Vegetabilien.
Blätter der Pflanzen mit Salzkryſtallen ſelbſt auf 20—30 engl.
Meilen hin, bedecken, aber es bedarf der Stürme nicht, um
dieſe Salze zum Verflüchtigen zu bringen, die über dem Meere
ſchwebende Luft trübt jederzeit die ſalpeterſaure Silberlöſung,
jeder, auch der ſchwächſte Luftzug entführt mit den Milliarden
Centnern Seewaſſer, welche jährlich verdampfen, eine entſpre-
chende Menge der darinn gelöſ’ten Salze und führt Kochſalz,
Chlorkalium, Bittererde und die übrigen Beſtandtheile dem
feſten Lande zu.

Dieſe Verflüchtigung iſt die Quelle eines beträchtlichen Ver-
luſtes in der Salzgewinnung aus ſchwachen Soolen. Auf der
Saline Naueim iſt dieſe Erſcheinung durch den dortigen Di-
rector, Herrn Wilhelmi, einen ſehr unterrichteten und kennt-
nißreichen Mann, zur Evidenz nachgewieſen worden; eine Glas-
platte auf einer hohen Stange zwiſchen zwei Gradirgebäuden
befeſtigt, die von einander etwa 1200 Schritte entfernt ſtan-
den, fand ſich des Morgens nach dem Auftrocknen des Thaus
auf der einen oder andern Seite nach der Richtung des Win-
des ſtets mit Salzkryſtallen bedeckt.

Das in ſteter Verdampfung begriffene Meer *) verbreitet
über die ganze Oberfläche der Erde hin, in dem Regenwaſſer,
alle zum Beſtehen einer Vegetation unentbehrlichen Salze, wir
finden ſie ſelbſt da in ihrer Aſche wieder, wo der Boden keine
Beſtandtheile liefern konnte.

In der Betrachtung umfaſſender Naturerſcheinungen haben
wir keinen Maaßſtab mehr für das, was wir gewohnt ſind,

*) Das Seewaſſer enthält nach Marcet in 1000 Theilen:
26,660 Kochfalz.
4,660 ſchwefelſaures Natron.
1,232 Chlorkalium.
5,152 Chlormagneſia.
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[103/0121] Die anorganiſchen Beſtandtheile der Vegetabilien. Blätter der Pflanzen mit Salzkryſtallen ſelbſt auf 20—30 engl. Meilen hin, bedecken, aber es bedarf der Stürme nicht, um dieſe Salze zum Verflüchtigen zu bringen, die über dem Meere ſchwebende Luft trübt jederzeit die ſalpeterſaure Silberlöſung, jeder, auch der ſchwächſte Luftzug entführt mit den Milliarden Centnern Seewaſſer, welche jährlich verdampfen, eine entſpre- chende Menge der darinn gelöſ’ten Salze und führt Kochſalz, Chlorkalium, Bittererde und die übrigen Beſtandtheile dem feſten Lande zu. Dieſe Verflüchtigung iſt die Quelle eines beträchtlichen Ver- luſtes in der Salzgewinnung aus ſchwachen Soolen. Auf der Saline Naueim iſt dieſe Erſcheinung durch den dortigen Di- rector, Herrn Wilhelmi, einen ſehr unterrichteten und kennt- nißreichen Mann, zur Evidenz nachgewieſen worden; eine Glas- platte auf einer hohen Stange zwiſchen zwei Gradirgebäuden befeſtigt, die von einander etwa 1200 Schritte entfernt ſtan- den, fand ſich des Morgens nach dem Auftrocknen des Thaus auf der einen oder andern Seite nach der Richtung des Win- des ſtets mit Salzkryſtallen bedeckt. Das in ſteter Verdampfung begriffene Meer *) verbreitet über die ganze Oberfläche der Erde hin, in dem Regenwaſſer, alle zum Beſtehen einer Vegetation unentbehrlichen Salze, wir finden ſie ſelbſt da in ihrer Aſche wieder, wo der Boden keine Beſtandtheile liefern konnte. In der Betrachtung umfaſſender Naturerſcheinungen haben wir keinen Maaßſtab mehr für das, was wir gewohnt ſind, *) Das Seewaſſer enthält nach Marcet in 1000 Theilen: 26,660 Kochfalz. 4,660 ſchwefelſaures Natron. 1,232 Chlorkalium. 5,152 Chlormagneſia. 1,5 ſchwefelſauren Kalk.

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/121>, abgerufen am 27.04.2024.