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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Die anorganischen Bestandtheile der Vegetabilien.
lysen Borsäure haltiger Mineralien, wo Flüssigkeiten, welche
Borsäure enthalten, verdampft werden müssen, einen Verlust
erleiden; die Quantität Borsäure, welche einem Cubiefuß siedend
heißen Wasserdampfs folgt, ist durch die feinsten Reagentien
nicht entdeckbar, und dennoch, so außerordentlich klein sie auch
erscheinen mag, stammen die vielen tausend Centner Borsäure,
welche von Italien aus in den Handel gebracht werden, von
der ununterbrochenen Anhäufung dieser dem Anschein nach ver-
schwindenden Menge her. Man läßt in den Lagunen von
Castel nuovo, Cherchiago etc. die aus dem Innern der Erde
strömenden siedend heißen Dämpfe durch Wasser streichen, was
nach und nach daran immer reicher wird, so daß man zuletzt
durch Verdunsten crystallisirte Borsäure daraus erhält. Der
Temperatur dieser Wasserdämpfe nach, kommen sie aus Tiefen,
wo menschliche Wesen, wo Thiere nie gelebt haben können;
wie bemerkenswerth und bedeutungsvoll erscheint in dieser Be-
ziehung der nie fehlende Ammoniakgehalt dieser Dämpfe. In
den großen Fabriken zu Liverpool, wo die natürliche Borsäure
zu Borax verarbeitet wird, gewinnt man daraus als Neben-
product viele hundert Pfunde schwefelsaures Ammoniak.

Dieses Ammoniak stammt nicht von thierischen
Organismen, es war vorhanden vor allen le-
benden Generationen, es ist ein Theil, ein Be-
standtheil des Erdkörpers
.

Die von der Direction des poudres et salpetres unter
Lavoisier angestellten Versuche haben bewiesen, daß bei dem
Verdampfen von Salpeterlaugen, die darinn gelös'ten Salze
sich mit dem Wasser verflüchtigen und einen Verlust herbeifüh-
ren, über den man sich vorher keine Rechenschaft geben konnte.
Ebenso bekannt ist, daß bei Stürmen von dem Meere nach
dem Binnenlande hin, in der Richtung des Sturmes, sich die

Die anorganiſchen Beſtandtheile der Vegetabilien.
lyſen Borſäure haltiger Mineralien, wo Flüſſigkeiten, welche
Borſäure enthalten, verdampft werden müſſen, einen Verluſt
erleiden; die Quantität Borſäure, welche einem Cubiefuß ſiedend
heißen Waſſerdampfs folgt, iſt durch die feinſten Reagentien
nicht entdeckbar, und dennoch, ſo außerordentlich klein ſie auch
erſcheinen mag, ſtammen die vielen tauſend Centner Borſäure,
welche von Italien aus in den Handel gebracht werden, von
der ununterbrochenen Anhäufung dieſer dem Anſchein nach ver-
ſchwindenden Menge her. Man läßt in den Lagunen von
Caſtel nuovo, Cherchiago ꝛc. die aus dem Innern der Erde
ſtrömenden ſiedend heißen Dämpfe durch Waſſer ſtreichen, was
nach und nach daran immer reicher wird, ſo daß man zuletzt
durch Verdunſten cryſtalliſirte Borſäure daraus erhält. Der
Temperatur dieſer Waſſerdämpfe nach, kommen ſie aus Tiefen,
wo menſchliche Weſen, wo Thiere nie gelebt haben können;
wie bemerkenswerth und bedeutungsvoll erſcheint in dieſer Be-
ziehung der nie fehlende Ammoniakgehalt dieſer Dämpfe. In
den großen Fabriken zu Liverpool, wo die natürliche Borſäure
zu Borax verarbeitet wird, gewinnt man daraus als Neben-
product viele hundert Pfunde ſchwefelſaures Ammoniak.

Dieſes Ammoniak ſtammt nicht von thieriſchen
Organismen, es war vorhanden vor allen le-
benden Generationen, es iſt ein Theil, ein Be-
ſtandtheil des Erdkörpers
.

Die von der Direction des poudres et salpêtres unter
Lavoiſier angeſtellten Verſuche haben bewieſen, daß bei dem
Verdampfen von Salpeterlaugen, die darinn gelöſ’ten Salze
ſich mit dem Waſſer verflüchtigen und einen Verluſt herbeifüh-
ren, über den man ſich vorher keine Rechenſchaft geben konnte.
Ebenſo bekannt iſt, daß bei Stürmen von dem Meere nach
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[102/0120] Die anorganiſchen Beſtandtheile der Vegetabilien. lyſen Borſäure haltiger Mineralien, wo Flüſſigkeiten, welche Borſäure enthalten, verdampft werden müſſen, einen Verluſt erleiden; die Quantität Borſäure, welche einem Cubiefuß ſiedend heißen Waſſerdampfs folgt, iſt durch die feinſten Reagentien nicht entdeckbar, und dennoch, ſo außerordentlich klein ſie auch erſcheinen mag, ſtammen die vielen tauſend Centner Borſäure, welche von Italien aus in den Handel gebracht werden, von der ununterbrochenen Anhäufung dieſer dem Anſchein nach ver- ſchwindenden Menge her. Man läßt in den Lagunen von Caſtel nuovo, Cherchiago ꝛc. die aus dem Innern der Erde ſtrömenden ſiedend heißen Dämpfe durch Waſſer ſtreichen, was nach und nach daran immer reicher wird, ſo daß man zuletzt durch Verdunſten cryſtalliſirte Borſäure daraus erhält. Der Temperatur dieſer Waſſerdämpfe nach, kommen ſie aus Tiefen, wo menſchliche Weſen, wo Thiere nie gelebt haben können; wie bemerkenswerth und bedeutungsvoll erſcheint in dieſer Be- ziehung der nie fehlende Ammoniakgehalt dieſer Dämpfe. In den großen Fabriken zu Liverpool, wo die natürliche Borſäure zu Borax verarbeitet wird, gewinnt man daraus als Neben- product viele hundert Pfunde ſchwefelſaures Ammoniak. Dieſes Ammoniak ſtammt nicht von thieriſchen Organismen, es war vorhanden vor allen le- benden Generationen, es iſt ein Theil, ein Be- ſtandtheil des Erdkörpers. Die von der Direction des poudres et salpêtres unter Lavoiſier angeſtellten Verſuche haben bewieſen, daß bei dem Verdampfen von Salpeterlaugen, die darinn gelöſ’ten Salze ſich mit dem Waſſer verflüchtigen und einen Verluſt herbeifüh- ren, über den man ſich vorher keine Rechenſchaft geben konnte. Ebenſo bekannt iſt, daß bei Stürmen von dem Meere nach dem Binnenlande hin, in der Richtung des Sturmes, ſich die

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/120>, abgerufen am 27.04.2024.