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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Die Cultur.
gelös'tem Zustande stets begleitet sein von einer stickstoffhaltigen
Verbindung, es ist höchst wahrscheinlich, daß sich Holz und
Pflanzenleim, Amylon und Zelle gleichzeitig und zwar neben-
einander bilden, und in diesem Falle ist ein bestimmtes Ver-
hältniß von beiden eine Bedingung ihrer Entstehung.

Alles übrige gleich gesetzt, wird hiernach nur eine dem
Stickstoffgehalt entsprechende Quantität der von den Blättern
erzeugten Substanzen assimilirbar sein; fehlt es an Stickstoff,
so wird eine gewisse Menge stickstofffreier Substanz in irgend
einer Form nicht verwendet und als Excremente der Blätter,
Zweige, Rinden und Wurzeln abgeschieden werden.

Die Ausschwitzungen gesunder kräftiger Pflanzen von Man-
nit, von Gummi und Zucker können keiner andern Ursache zu-
geschrieben werden *).

Es tritt hier ein ähnlicher Fall ein, wie bei der Ver-
dauung im menschlichen Organismus; wenn jedem Theil des
Körpers ersetzt werden soll, was er durch Respiration und Ex-
halationsprocesse verliert, so muß den Organen der Ver-
dauung ein bestimmtes Verhältniß von stickstofffreien und stick-
stoffhaltigen Nahrungsmitteln dargeboten werden. Ist die
Quantität der zugeführten stickstofffreien Substanzen überwie-
gend, so werden sie entweder zur Fettbildung verwendet oder
sie gehen unverändert durch den Organismus hindurch. Man
beobachtet dies namentlich bei Menschen, die sich beinahe aus-
schließlich von Kartoffeln nähren; ihre Excremente enthalten
eine große Menge ganz unveränderter Stärkemehlkörnchen; bei

*) Herr Advokat Trapp in Gießen besitzt eine wohlriechende Volkamerie
(Clerodendron fragrans), in deren Blattdrüsen im September, wo sie
im Zimmer vegetirte, große farblose Tropfen ausschwitzen, die zu den
regelmäßigsten Krystallen von Kandis-Zucker eintrockneten; es ist mir
nicht bekannt, ob der Saft dieser Pflanze Zucker enthält.

Die Cultur.
gelöſ’tem Zuſtande ſtets begleitet ſein von einer ſtickſtoffhaltigen
Verbindung, es iſt höchſt wahrſcheinlich, daß ſich Holz und
Pflanzenleim, Amylon und Zelle gleichzeitig und zwar neben-
einander bilden, und in dieſem Falle iſt ein beſtimmtes Ver-
hältniß von beiden eine Bedingung ihrer Entſtehung.

Alles übrige gleich geſetzt, wird hiernach nur eine dem
Stickſtoffgehalt entſprechende Quantität der von den Blättern
erzeugten Subſtanzen aſſimilirbar ſein; fehlt es an Stickſtoff,
ſo wird eine gewiſſe Menge ſtickſtofffreier Subſtanz in irgend
einer Form nicht verwendet und als Excremente der Blätter,
Zweige, Rinden und Wurzeln abgeſchieden werden.

Die Ausſchwitzungen geſunder kräftiger Pflanzen von Man-
nit, von Gummi und Zucker können keiner andern Urſache zu-
geſchrieben werden *).

Es tritt hier ein ähnlicher Fall ein, wie bei der Ver-
dauung im menſchlichen Organismus; wenn jedem Theil des
Körpers erſetzt werden ſoll, was er durch Reſpiration und Ex-
halationsproceſſe verliert, ſo muß den Organen der Ver-
dauung ein beſtimmtes Verhältniß von ſtickſtofffreien und ſtick-
ſtoffhaltigen Nahrungsmitteln dargeboten werden. Iſt die
Quantität der zugeführten ſtickſtofffreien Subſtanzen überwie-
gend, ſo werden ſie entweder zur Fettbildung verwendet oder
ſie gehen unverändert durch den Organismus hindurch. Man
beobachtet dies namentlich bei Menſchen, die ſich beinahe aus-
ſchließlich von Kartoffeln nähren; ihre Excremente enthalten
eine große Menge ganz unveränderter Stärkemehlkörnchen; bei

*) Herr Advokat Trapp in Gießen beſitzt eine wohlriechende Volkamerie
(Clerodendron fragrans), in deren Blattdrüſen im September, wo ſie
im Zimmer vegetirte, große farbloſe Tropfen ausſchwitzen, die zu den
regelmäßigſten Kryſtallen von Kandis-Zucker eintrockneten; es iſt mir
nicht bekannt, ob der Saft dieſer Pflanze Zucker enthält.
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[119/0137] Die Cultur. gelöſ’tem Zuſtande ſtets begleitet ſein von einer ſtickſtoffhaltigen Verbindung, es iſt höchſt wahrſcheinlich, daß ſich Holz und Pflanzenleim, Amylon und Zelle gleichzeitig und zwar neben- einander bilden, und in dieſem Falle iſt ein beſtimmtes Ver- hältniß von beiden eine Bedingung ihrer Entſtehung. Alles übrige gleich geſetzt, wird hiernach nur eine dem Stickſtoffgehalt entſprechende Quantität der von den Blättern erzeugten Subſtanzen aſſimilirbar ſein; fehlt es an Stickſtoff, ſo wird eine gewiſſe Menge ſtickſtofffreier Subſtanz in irgend einer Form nicht verwendet und als Excremente der Blätter, Zweige, Rinden und Wurzeln abgeſchieden werden. Die Ausſchwitzungen geſunder kräftiger Pflanzen von Man- nit, von Gummi und Zucker können keiner andern Urſache zu- geſchrieben werden *). Es tritt hier ein ähnlicher Fall ein, wie bei der Ver- dauung im menſchlichen Organismus; wenn jedem Theil des Körpers erſetzt werden ſoll, was er durch Reſpiration und Ex- halationsproceſſe verliert, ſo muß den Organen der Ver- dauung ein beſtimmtes Verhältniß von ſtickſtofffreien und ſtick- ſtoffhaltigen Nahrungsmitteln dargeboten werden. Iſt die Quantität der zugeführten ſtickſtofffreien Subſtanzen überwie- gend, ſo werden ſie entweder zur Fettbildung verwendet oder ſie gehen unverändert durch den Organismus hindurch. Man beobachtet dies namentlich bei Menſchen, die ſich beinahe aus- ſchließlich von Kartoffeln nähren; ihre Excremente enthalten eine große Menge ganz unveränderter Stärkemehlkörnchen; bei *) Herr Advokat Trapp in Gießen beſitzt eine wohlriechende Volkamerie (Clerodendron fragrans), in deren Blattdrüſen im September, wo ſie im Zimmer vegetirte, große farbloſe Tropfen ausſchwitzen, die zu den regelmäßigſten Kryſtallen von Kandis-Zucker eintrockneten; es iſt mir nicht bekannt, ob der Saft dieſer Pflanze Zucker enthält.

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/137>, abgerufen am 28.04.2024.