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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Die Cultur.
einem gehörigen Verhältniß Kleber oder Fleisch läßt sich keine
Spur davon entdecken, sie sind in diesem Falle assimilirbar ge-
worden. Kartoffeln, welche neben Heufütterung die Kräfte ei-
nes Pferdes kaum zu erhalten vermögen, geben neben Brod
und Hafer ein kräftiges und gesundes Futter.

Unter diesem Gesichtspunkte wird es einleuchtend, wie sehr
sich die in einer Pflanze erzeugten Produkte je nach dem Ver-
hältniß der zugeführten Nahrungsstoffe ändern können. Ein
Ueberfluß von Kohlenstoff, in der Form von Kohlensäure durch
die Wurzeln zugeführt, wird bei Mangel an Stickstoff weder in
Kleber noch in Eiweis, noch in Holz, noch in sonst irgend einen
Bestandtheil eines Organs übergehen; er wird als Zucker, Amy-
lon, Oel, Wachs, Harz, Mannit, Gummi in der Form also
eines Excrements abgeschieden werden, oder mehr oder weniger
weite Zellen und Gefäße füllen.

Bei einem Ueberschuß stickstoffhaltiger Nahrung wird sich
der Kleber, der Gehalt von vegetabilischem Eiweis und Pflan-
zenleim vermehren, es werden Ammoniaksalze in den Säften
bleiben, wenn, wie beim Anbau der Runkelrüben, ein sehr
stickstoffreicher Dünger dem Boden gegeben, oder die Funktionen
der Blätter unterdrückt wird, indem man die Pflanze ihrer
Blätter beraubt.

Wir wissen in der That, daß die Ananas im wilden Zu-
stande kaum genießbar ist, daß sie bei reichlichem thierischen
Dünger eine Masse von Blättern treibt, ohne daß die Frucht
deshalb an Zucker zunimmt; daß der Stärkegehalt der Kar-
toffeln in einem humusreichen Boden wächst, daß bei kräftigem
animalischen Dünger die Anzahl der Zellen zunimmt, während
sich der Amylongehalt vermindert; in dem ersteren Falle be-
sitzen sie eine mehlige, in dem andern eine seifige Beschaffen-
heit. Die Runkelrüben auf magern Sandboden gezogen, ent-

Die Cultur.
einem gehörigen Verhältniß Kleber oder Fleiſch läßt ſich keine
Spur davon entdecken, ſie ſind in dieſem Falle aſſimilirbar ge-
worden. Kartoffeln, welche neben Heufütterung die Kräfte ei-
nes Pferdes kaum zu erhalten vermögen, geben neben Brod
und Hafer ein kräftiges und geſundes Futter.

Unter dieſem Geſichtspunkte wird es einleuchtend, wie ſehr
ſich die in einer Pflanze erzeugten Produkte je nach dem Ver-
hältniß der zugeführten Nahrungsſtoffe ändern können. Ein
Ueberfluß von Kohlenſtoff, in der Form von Kohlenſäure durch
die Wurzeln zugeführt, wird bei Mangel an Stickſtoff weder in
Kleber noch in Eiweis, noch in Holz, noch in ſonſt irgend einen
Beſtandtheil eines Organs übergehen; er wird als Zucker, Amy-
lon, Oel, Wachs, Harz, Mannit, Gummi in der Form alſo
eines Excrements abgeſchieden werden, oder mehr oder weniger
weite Zellen und Gefäße füllen.

Bei einem Ueberſchuß ſtickſtoffhaltiger Nahrung wird ſich
der Kleber, der Gehalt von vegetabiliſchem Eiweis und Pflan-
zenleim vermehren, es werden Ammoniakſalze in den Säften
bleiben, wenn, wie beim Anbau der Runkelrüben, ein ſehr
ſtickſtoffreicher Dünger dem Boden gegeben, oder die Funktionen
der Blätter unterdrückt wird, indem man die Pflanze ihrer
Blätter beraubt.

Wir wiſſen in der That, daß die Ananas im wilden Zu-
ſtande kaum genießbar iſt, daß ſie bei reichlichem thieriſchen
Dünger eine Maſſe von Blättern treibt, ohne daß die Frucht
deshalb an Zucker zunimmt; daß der Stärkegehalt der Kar-
toffeln in einem humusreichen Boden wächſt, daß bei kräftigem
animaliſchen Dünger die Anzahl der Zellen zunimmt, während
ſich der Amylongehalt vermindert; in dem erſteren Falle be-
ſitzen ſie eine mehlige, in dem andern eine ſeifige Beſchaffen-
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[120/0138] Die Cultur. einem gehörigen Verhältniß Kleber oder Fleiſch läßt ſich keine Spur davon entdecken, ſie ſind in dieſem Falle aſſimilirbar ge- worden. Kartoffeln, welche neben Heufütterung die Kräfte ei- nes Pferdes kaum zu erhalten vermögen, geben neben Brod und Hafer ein kräftiges und geſundes Futter. Unter dieſem Geſichtspunkte wird es einleuchtend, wie ſehr ſich die in einer Pflanze erzeugten Produkte je nach dem Ver- hältniß der zugeführten Nahrungsſtoffe ändern können. Ein Ueberfluß von Kohlenſtoff, in der Form von Kohlenſäure durch die Wurzeln zugeführt, wird bei Mangel an Stickſtoff weder in Kleber noch in Eiweis, noch in Holz, noch in ſonſt irgend einen Beſtandtheil eines Organs übergehen; er wird als Zucker, Amy- lon, Oel, Wachs, Harz, Mannit, Gummi in der Form alſo eines Excrements abgeſchieden werden, oder mehr oder weniger weite Zellen und Gefäße füllen. Bei einem Ueberſchuß ſtickſtoffhaltiger Nahrung wird ſich der Kleber, der Gehalt von vegetabiliſchem Eiweis und Pflan- zenleim vermehren, es werden Ammoniakſalze in den Säften bleiben, wenn, wie beim Anbau der Runkelrüben, ein ſehr ſtickſtoffreicher Dünger dem Boden gegeben, oder die Funktionen der Blätter unterdrückt wird, indem man die Pflanze ihrer Blätter beraubt. Wir wiſſen in der That, daß die Ananas im wilden Zu- ſtande kaum genießbar iſt, daß ſie bei reichlichem thieriſchen Dünger eine Maſſe von Blättern treibt, ohne daß die Frucht deshalb an Zucker zunimmt; daß der Stärkegehalt der Kar- toffeln in einem humusreichen Boden wächſt, daß bei kräftigem animaliſchen Dünger die Anzahl der Zellen zunimmt, während ſich der Amylongehalt vermindert; in dem erſteren Falle be- ſitzen ſie eine mehlige, in dem andern eine ſeifige Beſchaffen- heit. Die Runkelrüben auf magern Sandboden gezogen, ent-

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/138>, abgerufen am 28.04.2024.