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Lilienthal, Otto: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Berlin, 1889.

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16. Vergrösserung des Luftwiderstandes durch Schlag-
bewegungen.

Es bleibt noch übrig, den für die Flugtechnik wichtigen
Fall zu untersuchen, wo der Luftwiderstand, wie beim Flügel-
schlage, dadurch erzeugt wird, dass eine Fläche plötzlich aus
der Ruhe in eine grössere Geschwindigkeit versetzt wird.

Für eine solche Bewegungsart einer Fläche können die
früher angestellten Betrachtungen keine Gültigkeit haben;
denn für die Ausbildung einer gleichmässigen Strömungs-
und Wirbelerzeugung ist hier keine Zeit vorhanden. Ferner
wird diejenige Luft, welche die Fläche bei ihrer gleichmässigen
Bewegung ganz oder teilweise begleitet, sich mit der ihr
innewohnenden Massenträgheit der Bewegung widersetzen.

Überhaupt kann man diesen Fall so auffassen, dass die
ganze Luft, welche die Fläche zu beiden Seiten umgiebt, durch
ihr Beharrungsvermögen Widerstand leistet und nach plötz-
lich eingetretener Bewegung vor der Fläche eine Verdichtung
und hinter der Fläche eine Verdünnung erfährt, welche zu-
nächst der Fläche am stärksten auftreten und allmählich in
die normale Spannung übergehen, aus welchen beiden Wir-
kungen sich der auf die Fläche ausgeübte Druck zusammen-
setzt. Auch für diesen Fall würde sich mit Hülfe der reinen
Mechanik und Mathematik ein Annäherungswert berechnen
lassen, wenn nicht eine neue Schwierigkeit dadurch entstände,
dass die Geschwindigkeit, welche eine derartig plötzlich be-
wegte Fläche in jedem einzelnen Momente hat, eine andere
ist und davon abhängt, dass erstlich die bewegte Fläche an
sich eine Massenträgheit besitzt, und ferner die Veränderung des
Luftwiderstandes selbst auf die Veränderung der Geschwindig-
keit Einfluss hat, sobald die Bewegung durch eine treibende
Kraft hervorgerufen wird.

Nicht weniger Schwierigkeiten wird es haben, bei der-
artigen Flügelschlagbewegungen den in jedem einzelnen Moment

16. Vergröſserung des Luftwiderstandes durch Schlag-
bewegungen.

Es bleibt noch übrig, den für die Flugtechnik wichtigen
Fall zu untersuchen, wo der Luftwiderstand, wie beim Flügel-
schlage, dadurch erzeugt wird, daſs eine Fläche plötzlich aus
der Ruhe in eine gröſsere Geschwindigkeit versetzt wird.

Für eine solche Bewegungsart einer Fläche können die
früher angestellten Betrachtungen keine Gültigkeit haben;
denn für die Ausbildung einer gleichmäſsigen Strömungs-
und Wirbelerzeugung ist hier keine Zeit vorhanden. Ferner
wird diejenige Luft, welche die Fläche bei ihrer gleichmäſsigen
Bewegung ganz oder teilweise begleitet, sich mit der ihr
innewohnenden Massenträgheit der Bewegung widersetzen.

Überhaupt kann man diesen Fall so auffassen, daſs die
ganze Luft, welche die Fläche zu beiden Seiten umgiebt, durch
ihr Beharrungsvermögen Widerstand leistet und nach plötz-
lich eingetretener Bewegung vor der Fläche eine Verdichtung
und hinter der Fläche eine Verdünnung erfährt, welche zu-
nächst der Fläche am stärksten auftreten und allmählich in
die normale Spannung übergehen, aus welchen beiden Wir-
kungen sich der auf die Fläche ausgeübte Druck zusammen-
setzt. Auch für diesen Fall würde sich mit Hülfe der reinen
Mechanik und Mathematik ein Annäherungswert berechnen
lassen, wenn nicht eine neue Schwierigkeit dadurch entstände,
daſs die Geschwindigkeit, welche eine derartig plötzlich be-
wegte Fläche in jedem einzelnen Momente hat, eine andere
ist und davon abhängt, daſs erstlich die bewegte Fläche an
sich eine Massenträgheit besitzt, und ferner die Veränderung des
Luftwiderstandes selbst auf die Veränderung der Geschwindig-
keit Einfluſs hat, sobald die Bewegung durch eine treibende
Kraft hervorgerufen wird.

Nicht weniger Schwierigkeiten wird es haben, bei der-
artigen Flügelschlagbewegungen den in jedem einzelnen Moment

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[40/0056] 16. Vergröſserung des Luftwiderstandes durch Schlag- bewegungen. Es bleibt noch übrig, den für die Flugtechnik wichtigen Fall zu untersuchen, wo der Luftwiderstand, wie beim Flügel- schlage, dadurch erzeugt wird, daſs eine Fläche plötzlich aus der Ruhe in eine gröſsere Geschwindigkeit versetzt wird. Für eine solche Bewegungsart einer Fläche können die früher angestellten Betrachtungen keine Gültigkeit haben; denn für die Ausbildung einer gleichmäſsigen Strömungs- und Wirbelerzeugung ist hier keine Zeit vorhanden. Ferner wird diejenige Luft, welche die Fläche bei ihrer gleichmäſsigen Bewegung ganz oder teilweise begleitet, sich mit der ihr innewohnenden Massenträgheit der Bewegung widersetzen. Überhaupt kann man diesen Fall so auffassen, daſs die ganze Luft, welche die Fläche zu beiden Seiten umgiebt, durch ihr Beharrungsvermögen Widerstand leistet und nach plötz- lich eingetretener Bewegung vor der Fläche eine Verdichtung und hinter der Fläche eine Verdünnung erfährt, welche zu- nächst der Fläche am stärksten auftreten und allmählich in die normale Spannung übergehen, aus welchen beiden Wir- kungen sich der auf die Fläche ausgeübte Druck zusammen- setzt. Auch für diesen Fall würde sich mit Hülfe der reinen Mechanik und Mathematik ein Annäherungswert berechnen lassen, wenn nicht eine neue Schwierigkeit dadurch entstände, daſs die Geschwindigkeit, welche eine derartig plötzlich be- wegte Fläche in jedem einzelnen Momente hat, eine andere ist und davon abhängt, daſs erstlich die bewegte Fläche an sich eine Massenträgheit besitzt, und ferner die Veränderung des Luftwiderstandes selbst auf die Veränderung der Geschwindig- keit Einfluſs hat, sobald die Bewegung durch eine treibende Kraft hervorgerufen wird. Nicht weniger Schwierigkeiten wird es haben, bei der- artigen Flügelschlagbewegungen den in jedem einzelnen Moment

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Zitationshilfe: Lilienthal, Otto: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Berlin, 1889, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lilienthal_vogelflug_1889/56>, abgerufen am 25.04.2024.