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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

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Der Mond.
sie vielleicht das ganze damals bekannte Menschengeschlecht getroffen
hat, haben sie ohne Zweifel eben so ruhig angesehen, als sie jetzt
noch den Zug unserer Kriegsheere und das Gewühl unserer
Schlachten betrachten, in denen sich unsere Brüder, oft ohne zu
wissen, warum, in einer Stunde zu Tausenden morden. Eine
Stadt wie Wien z. B., von 3000 W. Klaftern im Durchmesser,
würde, vom Monde gesehen, unter dem Winkel von 31/2 Sec.
erscheinen. Mit einem Fernrohr, das nur 25 mal vergrößert,
würde ihnen daher die Stelle, welche diese Stadt einnimmt, nahe
eben so groß, als uns Uranus erscheinen. Ueberhaupt sehen wir
eine Linie von 0,22 Meilen oder 5020 P. Fuß Länge auf der
Oberfläche des Mondes, von der Erde betrachtet, unter dem
Winkel von einer Secunde, daher wir Gegenstände im Monde,
die unsern einzelnen Häusern, Feldern etc. gleichen, noch nicht
deutlich sehen können. Der schöne, runde Fleck Plato im
Monde, der zehn d. Meilen im Durchmesser hat, wird schon mit
einem Fernrohr von zehnmaliger Vergrößerung, unter dem Winkel
seines Durchmessers von 45 Sec. sehr deutlich gesehen. Mit einer
Vergrößerung von 200 würde man in einem lichtstarken Fernrohre
wohl schon Gegenstände im Monde erkennen, die eine halbe Meile
im Durchmesser haben und daher unter dem Winkel von 23/10 Sec.
erscheinen. Es scheint daher keinem Zweifel unterworfen, daß die
Seleniten, wenn sie anders den unseren ähnliche Augen haben,
unsere großen Städte, Flüsse u. dgl. sehen können, und daß sie
vielleicht im Großen viel genauere Karten von unserer Erde be-
sitzen, als alle unsere topographischen Bureaus zusammen genommen,
die wahrscheinlich sehr in Verlegenheit kommen würden, wenn sie
uns die genauen Karten von dem Innern Afrikas oder Neuhollands
vorzeigen sollten.

§. 130. (Tages- und Jahreszeiten auf dem Monde.) Ueber
das sonderbare Verhältniß der Jahres- und Tageszeiten, das auf-
dem Monde herrscht, haben wir schon oben (I. S. 327) gesprochen.
Wegen der äußerst geringen Schiefe seines Aequators gegen seine
Bahn, von bloß 66/10 Graden, verschwindet der Unterschied der
Jahreszeiten beinahe gänzlich, und die Sonne steht dort bei-
nahe immer im Aequator oder im Zenithe der Bewohner dieses

Der Mond.
ſie vielleicht das ganze damals bekannte Menſchengeſchlecht getroffen
hat, haben ſie ohne Zweifel eben ſo ruhig angeſehen, als ſie jetzt
noch den Zug unſerer Kriegsheere und das Gewühl unſerer
Schlachten betrachten, in denen ſich unſere Brüder, oft ohne zu
wiſſen, warum, in einer Stunde zu Tauſenden morden. Eine
Stadt wie Wien z. B., von 3000 W. Klaftern im Durchmeſſer,
würde, vom Monde geſehen, unter dem Winkel von 3½ Sec.
erſcheinen. Mit einem Fernrohr, das nur 25 mal vergrößert,
würde ihnen daher die Stelle, welche dieſe Stadt einnimmt, nahe
eben ſo groß, als uns Uranus erſcheinen. Ueberhaupt ſehen wir
eine Linie von 0,22 Meilen oder 5020 P. Fuß Länge auf der
Oberfläche des Mondes, von der Erde betrachtet, unter dem
Winkel von einer Secunde, daher wir Gegenſtände im Monde,
die unſern einzelnen Häuſern, Feldern ꝛc. gleichen, noch nicht
deutlich ſehen können. Der ſchöne, runde Fleck Plato im
Monde, der zehn d. Meilen im Durchmeſſer hat, wird ſchon mit
einem Fernrohr von zehnmaliger Vergrößerung, unter dem Winkel
ſeines Durchmeſſers von 45 Sec. ſehr deutlich geſehen. Mit einer
Vergrößerung von 200 würde man in einem lichtſtarken Fernrohre
wohl ſchon Gegenſtände im Monde erkennen, die eine halbe Meile
im Durchmeſſer haben und daher unter dem Winkel von 23/10 Sec.
erſcheinen. Es ſcheint daher keinem Zweifel unterworfen, daß die
Seleniten, wenn ſie anders den unſeren ähnliche Augen haben,
unſere großen Städte, Flüſſe u. dgl. ſehen können, und daß ſie
vielleicht im Großen viel genauere Karten von unſerer Erde be-
ſitzen, als alle unſere topographiſchen Bureaus zuſammen genommen,
die wahrſcheinlich ſehr in Verlegenheit kommen würden, wenn ſie
uns die genauen Karten von dem Innern Afrikas oder Neuhollands
vorzeigen ſollten.

§. 130. (Tages- und Jahreszeiten auf dem Monde.) Ueber
das ſonderbare Verhältniß der Jahres- und Tageszeiten, das auf-
dem Monde herrſcht, haben wir ſchon oben (I. S. 327) geſprochen.
Wegen der äußerſt geringen Schiefe ſeines Aequators gegen ſeine
Bahn, von bloß 66/10 Graden, verſchwindet der Unterſchied der
Jahreszeiten beinahe gänzlich, und die Sonne ſteht dort bei-
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[182/0192] Der Mond. ſie vielleicht das ganze damals bekannte Menſchengeſchlecht getroffen hat, haben ſie ohne Zweifel eben ſo ruhig angeſehen, als ſie jetzt noch den Zug unſerer Kriegsheere und das Gewühl unſerer Schlachten betrachten, in denen ſich unſere Brüder, oft ohne zu wiſſen, warum, in einer Stunde zu Tauſenden morden. Eine Stadt wie Wien z. B., von 3000 W. Klaftern im Durchmeſſer, würde, vom Monde geſehen, unter dem Winkel von 3½ Sec. erſcheinen. Mit einem Fernrohr, das nur 25 mal vergrößert, würde ihnen daher die Stelle, welche dieſe Stadt einnimmt, nahe eben ſo groß, als uns Uranus erſcheinen. Ueberhaupt ſehen wir eine Linie von 0,22 Meilen oder 5020 P. Fuß Länge auf der Oberfläche des Mondes, von der Erde betrachtet, unter dem Winkel von einer Secunde, daher wir Gegenſtände im Monde, die unſern einzelnen Häuſern, Feldern ꝛc. gleichen, noch nicht deutlich ſehen können. Der ſchöne, runde Fleck Plato im Monde, der zehn d. Meilen im Durchmeſſer hat, wird ſchon mit einem Fernrohr von zehnmaliger Vergrößerung, unter dem Winkel ſeines Durchmeſſers von 45 Sec. ſehr deutlich geſehen. Mit einer Vergrößerung von 200 würde man in einem lichtſtarken Fernrohre wohl ſchon Gegenſtände im Monde erkennen, die eine halbe Meile im Durchmeſſer haben und daher unter dem Winkel von 23/10 Sec. erſcheinen. Es ſcheint daher keinem Zweifel unterworfen, daß die Seleniten, wenn ſie anders den unſeren ähnliche Augen haben, unſere großen Städte, Flüſſe u. dgl. ſehen können, und daß ſie vielleicht im Großen viel genauere Karten von unſerer Erde be- ſitzen, als alle unſere topographiſchen Bureaus zuſammen genommen, die wahrſcheinlich ſehr in Verlegenheit kommen würden, wenn ſie uns die genauen Karten von dem Innern Afrikas oder Neuhollands vorzeigen ſollten. §. 130. (Tages- und Jahreszeiten auf dem Monde.) Ueber das ſonderbare Verhältniß der Jahres- und Tageszeiten, das auf- dem Monde herrſcht, haben wir ſchon oben (I. S. 327) geſprochen. Wegen der äußerſt geringen Schiefe ſeines Aequators gegen ſeine Bahn, von bloß 66/10 Graden, verſchwindet der Unterſchied der Jahreszeiten beinahe gänzlich, und die Sonne ſteht dort bei- nahe immer im Aequator oder im Zenithe der Bewohner dieſes

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/192>, abgerufen am 29.04.2024.