Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Drittes Buch [Spaltenumbruch]
Artavasdes stiessen hierauf zusammen/ undschnidten dem Antonius bey Phraata alle Le- bens-Mittel ab/ endlichen aber liessen sie ihm solche wieder zu/ und erklärten sich gegen seine Gesandschafft/ daß sie die Römer aus Gna- de unbeschädigt wolten zurück ziehen lassen. So bald aber die Belägerung aufgehoben ward/ la- gen ihnen die Parthen in Eisen/ wenn auch Mardus ein den Römern getreuer Parthe zu ihrem grossen Vortheil ihnen nicht einen ber- gichten Weg in Armenien abzulencken gewie- sen/ ja zu Versicherung sich selbst hätte binden lassen/ und einen sonderbaren Vortheil sich ge- gen die Parthische Reiterey zu stellen gewiesen/ oder auch die Gallier sich so tapfer gehalten hät- ten/ wäre ihres Gebeines nicht davon kommen. Wiewohl ihrer täglich viel für Hunger ver- schmachteten/ oder zum Feinde überlieffen/ dessen unvorsichtige Grausamkeit und Unwissenheit/ daß man feindlichen Uberläuffern Pflaumen streichen/ und seidene Küssen unterlegen solle/ alleine verhinderte/ daß nicht das gan- tze Heer den Antonius verließ. Jnsonderheit wurden die Gallier und andere frembde Hülffs-Völcker sehr erbittert/ daß Titius und Canidius den fürtrefflichen Gallischen Fürsten Flavius/ der den Rücken der Römer alle Tage mit unsterblichem Ruhme beschirmete/ unter de- nen ihn übermannenden Feinden alleine baden/ und nebst 3000. Galliern durch das Ungewit- ter der Persischen Pfeile zerfleischen ließ. Jß- mene konte bey dieser Erzehlung sich abermals des Lächelns nicht enthalten/ muste auch auf der Königin bewegliches Ersuchen und Saloninens Stillschweigen bekennen/ daß diese Gallier eitel Deutsche/ und der von den Römern wegen seiner weissen Haare so genante Flavius ihr Bluts- Freund gewesen sey/ der nach der Belägerung Alesiens mit dem Antonius in Jtalien/ und fol- gends in Morgenland gezogen wäre. Nach diesem Flavius hätte auch Ernst Hertzog Herr- manns Bruder derogleichen zum Nahmen be- [Spaltenumbruch] kommen. Salonine fing hierauf an ferner zu erzehlen: Nach oberwehntem Verlust wuchs den Parthen wieder der Muth/ die Römer aber geriethen in äuserste Kleinmuth und Drangsal/ also/ daß das Gersten-Brodt gegen Silber aus- gewogen ward/ und sie so gar mit wahnsinnig- machenden Kräutern den Hunger stillen mu- sten/ wiewohl Antonius mit seiner Beredsamkeit und Freygebigkeit sie zu unglaublicher Gedult bewegte/ und mit aufgehobenen Händen in Trauer-Kleidern anruffte: Daß sie das dem Römischen Heere bestimmte Unheil auf seinen Kopf ausgiessen möchten. Endlich hätten sie sich vollends auf die Schlachtbanck geliefert/ als sie gegen ein erblicktes Gebürge wegen Durst ihren Zug nahmen/ wenn nicht Manesens Vetter Mithridates sie gewarnigt/ und daß un- ter selbigen Bergen die gantze Parthische Macht auf sie wegelagert/ berichtet hätte. Endlich entstund wegen ermangelnden Wassers ein Auf- ruhr im Läger/ also/ daß man so gar selbst des Feldherrn kostbare Sachen plünderte. Ja An- tonius gerieth in solche Verzweifelung/ daß er ihm seinen Freygelassenen Rhamnus schweren ließ/ er wolte ihm den Kopf abschneiden/ wormit er weder lebendig in des Feindes Hände geliefert/ noch auch unter den Todten erkennet würde. Aber Mithridates kam abermals ans Läger/ und ver- gewisserte sie/ daß eine Tage-Reise von dar ein süsser Fluß/ und über selbtem das Ziel sey/ wie weit die Parther sie zu verfolgen entschlossen wären. Welches denn auch also erfolgte; wie- wohl die Römer 6. Tage noch mit Furcht und Zittern forteileten/ biß sie den Fluß Araxes/ der Meden von Armenien trennet/ erreichten/ da- selbst aber/ und insonderheit die Verwundeten/ unter dem Taurischen Schnee-Gebürge einen neuen Feind/ nemlich die Kälte antraffen. Ar- tabazes hätte ohne Schwerdtschlag mit blosser Entziehung des Schiff-Gefässes an dem Flusse Araxes die Römer vertilgen können/ Phraates und Artavasdes verwarnigten ihn auch/ daß er dem
Drittes Buch [Spaltenumbruch]
Artavasdes ſtieſſen hierauf zuſammen/ undſchnidten dem Antonius bey Phraata alle Le- bens-Mittel ab/ endlichen aber lieſſen ſie ihm ſolche wieder zu/ und erklaͤrten ſich gegen ſeine Geſandſchafft/ daß ſie die Roͤmer aus Gna- de unbeſchaͤdigt wolten zuruͤck ziehen laſſen. So bald aber die Belaͤgerung aufgehoben ward/ la- gen ihnen die Parthen in Eiſen/ wenn auch Mardus ein den Roͤmern getreuer Parthe zu ihrem groſſen Vortheil ihnen nicht einen ber- gichten Weg in Armenien abzulencken gewie- ſen/ ja zu Verſicherung ſich ſelbſt haͤtte binden laſſen/ und einen ſonderbaren Vortheil ſich ge- gen die Parthiſche Reiterey zu ſtellen gewieſen/ oder auch die Gallier ſich ſo tapfer gehalten haͤt- ten/ waͤre ihres Gebeines nicht davon kommen. Wiewohl ihrer taͤglich viel fuͤr Hunger ver- ſchmachteten/ oder zum Feinde uͤberlieffen/ deſſen unvorſichtige Grauſamkeit und Unwiſſenheit/ daß man feindlichen Uberlaͤuffern Pflaumen ſtreichen/ und ſeidene Kuͤſſen unterlegen ſolle/ alleine verhinderte/ daß nicht das gan- tze Heer den Antonius verließ. Jnſonderheit wurden die Gallier und andere frembde Huͤlffs-Voͤlcker ſehr erbittert/ daß Titius und Canidius den fuͤrtrefflichen Galliſchen Fuͤrſten Flavius/ der den Ruͤcken der Roͤmer alle Tage mit unſterblichem Ruhme beſchirmete/ unter de- nen ihn uͤbermannenden Feinden alleine baden/ und nebſt 3000. Galliern durch das Ungewit- ter der Perſiſchen Pfeile zerfleiſchen ließ. Jß- mene konte bey dieſer Erzehlung ſich abermals des Laͤchelns nicht enthalten/ muſte auch auf der Koͤnigin bewegliches Erſuchen und Saloninens Stillſchweigen bekennen/ daß dieſe Gallier eitel Deutſche/ und der von den Roͤmern wegen ſeiner weiſſen Haare ſo genante Flavius ihr Bluts- Freund geweſen ſey/ der nach der Belaͤgerung Aleſiens mit dem Antonius in Jtalien/ und fol- gends in Morgenland gezogen waͤre. Nach dieſem Flavius haͤtte auch Ernſt Hertzog Herr- manns Bruder derogleichen zum Nahmen be- [Spaltenumbruch] kommen. Salonine fing hierauf an ferner zu erzehlen: Nach oberwehntem Verluſt wuchs den Parthen wieder der Muth/ die Roͤmer aber geriethen in aͤuſerſte Kleinmuth und Drangſal/ alſo/ daß das Gerſten-Brodt gegen Silber aus- gewogen ward/ und ſie ſo gar mit wahnſinnig- machenden Kraͤutern den Hunger ſtillen mu- ſten/ wiewohl Antonius mit ſeiner Beredſamkeit und Freygebigkeit ſie zu unglaublicher Gedult bewegte/ und mit aufgehobenen Haͤnden in Trauer-Kleidern anruffte: Daß ſie das dem Roͤmiſchen Heere beſtim̃te Unheil auf ſeinen Kopf ausgieſſen moͤchten. Endlich haͤtten ſie ſich vollends auf die Schlachtbanck geliefert/ als ſie gegen ein erblicktes Gebuͤrge wegen Durſt ihren Zug nahmen/ wenn nicht Maneſens Vetter Mithridates ſie gewarnigt/ und daß un- ter ſelbigen Bergen die gantze Parthiſche Macht auf ſie wegelagert/ berichtet haͤtte. Endlich entſtund wegen ermangelnden Waſſers ein Auf- ruhr im Laͤger/ alſo/ daß man ſo gar ſelbſt des Feldherrn koſtbare Sachen pluͤnderte. Ja An- tonius gerieth in ſolche Verzweifelung/ daß er ihm ſeinen Freygelaſſenen Rhamnus ſchweren ließ/ er wolte ihm den Kopf abſchneiden/ wormit er weder lebendig in des Feindes Haͤnde geliefert/ noch auch unter den Todten erkeñet wuͤrde. Aber Mithridates kam abermals ans Laͤger/ und ver- gewiſſerte ſie/ daß eine Tage-Reiſe von dar ein ſuͤſſer Fluß/ und uͤber ſelbtem das Ziel ſey/ wie weit die Parther ſie zu verfolgen entſchloſſen waͤren. Welches denn auch alſo erfolgte; wie- wohl die Roͤmer 6. Tage noch mit Furcht und Zittern forteileten/ biß ſie den Fluß Araxes/ der Meden von Armenien trennet/ erreichten/ da- ſelbſt aber/ und inſonderheit die Verwundeten/ unter dem Tauriſchen Schnee-Gebuͤrge einen neuen Feind/ nemlich die Kaͤlte antraffen. Ar- tabazes haͤtte ohne Schwerdtſchlag mit bloſſer Entziehung des Schiff-Gefaͤſſes an dem Fluſſe Araxes die Roͤmer vertilgen koͤnnen/ Phraates und Artavasdes verwarnigten ihn auch/ daß er dem
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Drittes Buch
Artavasdes ſtieſſen hierauf zuſammen/ und
ſchnidten dem Antonius bey Phraata alle Le-
bens-Mittel ab/ endlichen aber lieſſen ſie ihm
ſolche wieder zu/ und erklaͤrten ſich gegen ſeine
Geſandſchafft/ daß ſie die Roͤmer aus Gna-
de unbeſchaͤdigt wolten zuruͤck ziehen laſſen. So
bald aber die Belaͤgerung aufgehoben ward/ la-
gen ihnen die Parthen in Eiſen/ wenn auch
Mardus ein den Roͤmern getreuer Parthe zu
ihrem groſſen Vortheil ihnen nicht einen ber-
gichten Weg in Armenien abzulencken gewie-
ſen/ ja zu Verſicherung ſich ſelbſt haͤtte binden
laſſen/ und einen ſonderbaren Vortheil ſich ge-
gen die Parthiſche Reiterey zu ſtellen gewieſen/
oder auch die Gallier ſich ſo tapfer gehalten haͤt-
ten/ waͤre ihres Gebeines nicht davon kommen.
Wiewohl ihrer taͤglich viel fuͤr Hunger ver-
ſchmachteten/ oder zum Feinde uͤberlieffen/ deſſen
unvorſichtige Grauſamkeit und Unwiſſenheit/
daß man feindlichen Uberlaͤuffern Pflaumen
ſtreichen/ und ſeidene Kuͤſſen unterlegen ſolle/
alleine verhinderte/ daß nicht das gan-
tze Heer den Antonius verließ. Jnſonderheit
wurden die Gallier und andere frembde
Huͤlffs-Voͤlcker ſehr erbittert/ daß Titius und
Canidius den fuͤrtrefflichen Galliſchen Fuͤrſten
Flavius/ der den Ruͤcken der Roͤmer alle Tage
mit unſterblichem Ruhme beſchirmete/ unter de-
nen ihn uͤbermannenden Feinden alleine baden/
und nebſt 3000. Galliern durch das Ungewit-
ter der Perſiſchen Pfeile zerfleiſchen ließ. Jß-
mene konte bey dieſer Erzehlung ſich abermals
des Laͤchelns nicht enthalten/ muſte auch auf der
Koͤnigin bewegliches Erſuchen und Saloninens
Stillſchweigen bekennen/ daß dieſe Gallier eitel
Deutſche/ und der von den Roͤmern wegen ſeiner
weiſſen Haare ſo genante Flavius ihr Bluts-
Freund geweſen ſey/ der nach der Belaͤgerung
Aleſiens mit dem Antonius in Jtalien/ und fol-
gends in Morgenland gezogen waͤre. Nach
dieſem Flavius haͤtte auch Ernſt Hertzog Herr-
manns Bruder derogleichen zum Nahmen be-
kommen. Salonine fing hierauf an ferner zu
erzehlen: Nach oberwehntem Verluſt wuchs
den Parthen wieder der Muth/ die Roͤmer aber
geriethen in aͤuſerſte Kleinmuth und Drangſal/
alſo/ daß das Gerſten-Brodt gegen Silber aus-
gewogen ward/ und ſie ſo gar mit wahnſinnig-
machenden Kraͤutern den Hunger ſtillen mu-
ſten/ wiewohl Antonius mit ſeiner Beredſamkeit
und Freygebigkeit ſie zu unglaublicher Gedult
bewegte/ und mit aufgehobenen Haͤnden in
Trauer-Kleidern anruffte: Daß ſie das dem
Roͤmiſchen Heere beſtim̃te Unheil auf ſeinen
Kopf ausgieſſen moͤchten. Endlich haͤtten ſie
ſich vollends auf die Schlachtbanck geliefert/
als ſie gegen ein erblicktes Gebuͤrge wegen Durſt
ihren Zug nahmen/ wenn nicht Maneſens
Vetter Mithridates ſie gewarnigt/ und daß un-
ter ſelbigen Bergen die gantze Parthiſche Macht
auf ſie wegelagert/ berichtet haͤtte. Endlich
entſtund wegen ermangelnden Waſſers ein Auf-
ruhr im Laͤger/ alſo/ daß man ſo gar ſelbſt des
Feldherrn koſtbare Sachen pluͤnderte. Ja An-
tonius gerieth in ſolche Verzweifelung/ daß er
ihm ſeinen Freygelaſſenen Rhamnus ſchweren
ließ/ er wolte ihm den Kopf abſchneiden/ wormit
er weder lebendig in des Feindes Haͤnde geliefert/
noch auch unter den Todten erkeñet wuͤrde. Aber
Mithridates kam abermals ans Laͤger/ und ver-
gewiſſerte ſie/ daß eine Tage-Reiſe von dar ein
ſuͤſſer Fluß/ und uͤber ſelbtem das Ziel ſey/ wie
weit die Parther ſie zu verfolgen entſchloſſen
waͤren. Welches denn auch alſo erfolgte; wie-
wohl die Roͤmer 6. Tage noch mit Furcht und
Zittern forteileten/ biß ſie den Fluß Araxes/ der
Meden von Armenien trennet/ erreichten/ da-
ſelbſt aber/ und inſonderheit die Verwundeten/
unter dem Tauriſchen Schnee-Gebuͤrge einen
neuen Feind/ nemlich die Kaͤlte antraffen. Ar-
tabazes haͤtte ohne Schwerdtſchlag mit bloſſer
Entziehung des Schiff-Gefaͤſſes an dem Fluſſe
Araxes die Roͤmer vertilgen koͤnnen/ Phraates
und Artavasdes verwarnigten ihn auch/ daß er
dem
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/276>, abgerufen am 16.06.2024. |