Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Vierdtes Buch [Spaltenumbruch]
le vergebener Hoffnung. Jch habe deroglei-chen unnütze Arbeit in Augenschein genommen/ wo Seleucus Nicanor das Caspische und schwartze Meer zu vereinbaren gesucht. Als die Gniedier ein anhängendes Stücke von Carien abschneiden wollen/ hätte es ihnen A- pollo zu Delphis nicht nur untersagt/ sondern die Steine wären denen/ die durch selbige Fel- sen hauen wollen/ in die Augen gesprungen/ also/ daß sie davon abstehen musten. Pyr- rhus habe vergebens aus Epirus in Calabrien/ Xerxes über den Hellespont eine Brücke zu machen/ Diomedes das Gaganische Vorge- bürge von festem Lande abzureissen sich bemü- het. Daher wolte er es weder selbst wagen/ noch einem andern rathen/ es dem Drusus nachzuthun/ und die Natur zu meistern/ wel- che allen Dingen der Sterblichen am besten gerathen/ und so wohl ihren Ursprung/ als Ausfluß am weisesten eingerichtet hätte. Ja es würde durch solche Veränderung gleichsam die über Ströme und Berge herrschende Gott- heit/ denen die Vorwelt Heynen geweihet/ und Altäre gebauet/ beleidiget. Adgandester ant- wortete dem Thracischen Fürsten: Wenn aus blosser Ehrsucht/ oder einen wenigen Umweg zu verkürtzen/ Felsen durchbrechen/ aus blosser Eitelkeit Berge abtragen/ oder seltzame Gestal- ten daraus bilden/ und einen unbedachtsamen Eifer über einem etwan ertrunckenen Pferde schiffbare Ströme in seichte Regenbäche zerthei- len/ wie es Cyrus mit dem Flusse Gyndes ge- macht/ wegen eines freyern Aussehens von ei- nem Lusthause hohe Hügel wegräumen/ oder zu blosser Vergnügung des Auges auff fruchtba- ren Flächen rauhe Klippen über einander tra- gen wolte; müste er dem Rhemetalces in alle- wege beyfallen. Aber wenn derogleichen Wer- cke zum allgemeinen Nutz/ oder aus Noth/ und zu Abwendung allerhand Ungemachs/ angefan- gen würden/ hielte er sie in alle wege für löb- lich; Und da die Klugheit hierbey das Richt- [Spaltenumbruch] scheit führte/ würden sie auch mit gewünschtem Ausschlage/ ihr Stiffter aber mit unsterbli- chem Nachruhme beseligt. So wenig eine Mutter ihrem Kinde mit der Geburt zugleich alle Vollkommenheiten beylege; so wenig habe die Natur auch ihre Geschöpffe deroge- stalt gefertigt/ daß sie dem menschlichen Nach- dencken nichts daran zu verbessern übrig gelas- sen. Sie habe ja so viel wilde Bäume gezeugt/ daß die Kunst ihnen durch Pfropffung hülffe. Dem Agsteine und den schönsten Diamanten müsten die rauhesten Schalen abgeschliffen/ das Gold aus häßlichen Schlacken geschmeltzet/ die Perlen allererst durchlöchert werden. Der Mensch werde halb wild gebohren/ ja die Weiß- heit selbst sey anfangs eine Bäuerin/ und die gantze Welt Barbarn gewest. Warum solte menschlicher Witz nicht auch an rauhe Gebür- ge und unbeqveme Flüsse Hand anlegen dörf- fen? Welche die Natur mehrmahls selbst den Lauff der Ströme ändert/ ja durch Erdbeben/ unterirrdische Winde und andere Verrückun- gen der aus dem Meere in die Gebürge ge- henden Wasserröhre/ neue Flüsse machet/ und die Felsen in Seen verwandelt? Er wolte sich mit keinen Ungewißheiten/ als daß der Phö- nicische Hercules bey Gades/ das Mittelländi- sche und das grosse Welt-Meer/ der Cimmeri- sche die Ost- und West-See zusammen gegra- ben haben solle/ behelffen. Allein es habe nicht nur Drusus mit dem Rheine/ sondern auch Marius mit dem fast gantz versändeten Rho- dan/ den er an einem andern tiefferen/ und für dem Sturme sicheren Orte ins Meer geleitet/ es glücklich ausgeführt. Cyrus habe durch Ableitung deß Flusses Phrat sich der Stadt Babylon/ Käyser Julius mit Zertheilung des Flusses Sicoris/ Hispaniens bemächtigt/ Se- gimer mit Schwellung der Ocker die Haupt- Stadt der Campsacer erobert. Für weniger Zeit habe Grubenbrand/ der fürtreffliche Her- tzog der Sicambrer/ Longobarder und Estier/ den
Vierdtes Buch [Spaltenumbruch]
le vergebener Hoffnung. Jch habe deroglei-chen unnuͤtze Arbeit in Augenſchein genommen/ wo Seleucus Nicanor das Caſpiſche und ſchwartze Meer zu vereinbaren geſucht. Als die Gniedier ein anhaͤngendes Stuͤcke von Carien abſchneiden wollen/ haͤtte es ihnen A- pollo zu Delphis nicht nur unterſagt/ ſondern die Steine waͤren denen/ die durch ſelbige Fel- ſen hauen wollen/ in die Augen geſprungen/ alſo/ daß ſie davon abſtehen muſten. Pyr- rhus habe vergebens aus Epirus in Calabrien/ Xerxes uͤber den Helleſpont eine Bruͤcke zu machen/ Diomedes das Gaganiſche Vorge- buͤrge von feſtem Lande abzureiſſen ſich bemuͤ- het. Daher wolte er es weder ſelbſt wagen/ noch einem andern rathen/ es dem Druſus nachzuthun/ und die Natur zu meiſtern/ wel- che allen Dingen der Sterblichen am beſten gerathen/ und ſo wohl ihren Urſprung/ als Ausfluß am weiſeſten eingerichtet haͤtte. Ja es wuͤrde durch ſolche Veraͤnderung gleichſam die uͤber Stroͤme und Berge herrſchende Gott- heit/ denen die Vorwelt Heynen geweihet/ und Altaͤre gebauet/ beleidiget. Adgandeſter ant- wortete dem Thraciſchen Fuͤrſten: Wenn aus bloſſer Ehrſucht/ oder einen wenigen Umweg zu verkuͤrtzen/ Felſen durchbrechen/ aus bloſſer Eitelkeit Berge abtragen/ oder ſeltzame Geſtal- ten daraus bilden/ und einen unbedachtſamen Eifer uͤber einem etwan ertrunckenen Pferde ſchiffbare Stroͤme in ſeichte Regenbaͤche zerthei- len/ wie es Cyrus mit dem Fluſſe Gyndes ge- macht/ wegen eines freyern Ausſehens von ei- nem Luſthauſe hohe Huͤgel wegraͤumen/ oder zu bloſſer Vergnuͤgung des Auges auff fruchtba- ren Flaͤchen rauhe Klippen uͤber einander tra- gen wolte; muͤſte er dem Rhemetalces in alle- wege beyfallen. Aber wenn derogleichen Wer- cke zum allgemeinen Nutz/ oder aus Noth/ und zu Abwendung allerhand Ungemachs/ angefan- gen wuͤrden/ hielte er ſie in alle wege fuͤr loͤb- lich; Und da die Klugheit hierbey das Richt- [Spaltenumbruch] ſcheit fuͤhrte/ wuͤrden ſie auch mit gewuͤnſchtem Ausſchlage/ ihr Stiffter aber mit unſterbli- chem Nachruhme beſeligt. So wenig eine Mutter ihrem Kinde mit der Geburt zugleich alle Vollkommenheiten beylege; ſo wenig habe die Natur auch ihre Geſchoͤpffe deroge- ſtalt gefertigt/ daß ſie dem menſchlichen Nach- dencken nichts daran zu verbeſſern uͤbrig gelaſ- ſen. Sie habe ja ſo viel wilde Baͤume gezeugt/ daß die Kunſt ihnen durch Pfropffung huͤlffe. Dem Agſteine und den ſchoͤnſten Diamanten muͤſten die rauheſten Schalen abgeſchliffen/ das Gold aus haͤßlichen Schlacken geſchmeltzet/ die Perlen allererſt durchloͤchert werden. Der Menſch werde halb wild gebohren/ ja die Weiß- heit ſelbſt ſey anfangs eine Baͤuerin/ und die gantze Welt Barbarn geweſt. Warum ſolte menſchlicher Witz nicht auch an rauhe Gebuͤr- ge und unbeqveme Fluͤſſe Hand anlegen doͤrf- fen? Welche die Natur mehrmahls ſelbſt den Lauff der Stroͤme aͤndert/ ja durch Erdbeben/ unterirrdiſche Winde und andere Verruͤckun- gen der aus dem Meere in die Gebuͤrge ge- henden Waſſerroͤhre/ neue Fluͤſſe machet/ und die Felſen in Seen verwandelt? Er wolte ſich mit keinen Ungewißheiten/ als daß der Phoͤ- niciſche Hercules bey Gades/ das Mittellaͤndi- ſche und das groſſe Welt-Meer/ der Cimmeri- ſche die Oſt- und Weſt-See zuſammen gegra- ben haben ſolle/ behelffen. Allein es habe nicht nur Druſus mit dem Rheine/ ſondern auch Marius mit dem faſt gantz verſaͤndeten Rho- dan/ den er an einem andern tiefferen/ und fuͤr dem Sturme ſicheren Orte ins Meer geleitet/ es gluͤcklich ausgefuͤhrt. Cyrus habe durch Ableitung deß Fluſſes Phrat ſich der Stadt Babylon/ Kaͤyſer Julius mit Zertheilung des Fluſſes Sicoris/ Hiſpaniens bemaͤchtigt/ Se- gimer mit Schwellung der Ocker die Haupt- Stadt der Campſacer erobert. Fuͤr weniger Zeit habe Grubenbrand/ der fuͤrtreffliche Her- tzog der Sicambrer/ Longobarder und Eſtier/ den
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Vierdtes Buch
le vergebener Hoffnung. Jch habe deroglei-
chen unnuͤtze Arbeit in Augenſchein genommen/
wo Seleucus Nicanor das Caſpiſche und
ſchwartze Meer zu vereinbaren geſucht. Als
die Gniedier ein anhaͤngendes Stuͤcke von
Carien abſchneiden wollen/ haͤtte es ihnen A-
pollo zu Delphis nicht nur unterſagt/ ſondern
die Steine waͤren denen/ die durch ſelbige Fel-
ſen hauen wollen/ in die Augen geſprungen/
alſo/ daß ſie davon abſtehen muſten. Pyr-
rhus habe vergebens aus Epirus in Calabrien/
Xerxes uͤber den Helleſpont eine Bruͤcke zu
machen/ Diomedes das Gaganiſche Vorge-
buͤrge von feſtem Lande abzureiſſen ſich bemuͤ-
het. Daher wolte er es weder ſelbſt wagen/
noch einem andern rathen/ es dem Druſus
nachzuthun/ und die Natur zu meiſtern/ wel-
che allen Dingen der Sterblichen am beſten
gerathen/ und ſo wohl ihren Urſprung/ als
Ausfluß am weiſeſten eingerichtet haͤtte. Ja
es wuͤrde durch ſolche Veraͤnderung gleichſam
die uͤber Stroͤme und Berge herrſchende Gott-
heit/ denen die Vorwelt Heynen geweihet/ und
Altaͤre gebauet/ beleidiget. Adgandeſter ant-
wortete dem Thraciſchen Fuͤrſten: Wenn aus
bloſſer Ehrſucht/ oder einen wenigen Umweg
zu verkuͤrtzen/ Felſen durchbrechen/ aus bloſſer
Eitelkeit Berge abtragen/ oder ſeltzame Geſtal-
ten daraus bilden/ und einen unbedachtſamen
Eifer uͤber einem etwan ertrunckenen Pferde
ſchiffbare Stroͤme in ſeichte Regenbaͤche zerthei-
len/ wie es Cyrus mit dem Fluſſe Gyndes ge-
macht/ wegen eines freyern Ausſehens von ei-
nem Luſthauſe hohe Huͤgel wegraͤumen/ oder zu
bloſſer Vergnuͤgung des Auges auff fruchtba-
ren Flaͤchen rauhe Klippen uͤber einander tra-
gen wolte; muͤſte er dem Rhemetalces in alle-
wege beyfallen. Aber wenn derogleichen Wer-
cke zum allgemeinen Nutz/ oder aus Noth/ und
zu Abwendung allerhand Ungemachs/ angefan-
gen wuͤrden/ hielte er ſie in alle wege fuͤr loͤb-
lich; Und da die Klugheit hierbey das Richt-
ſcheit fuͤhrte/ wuͤrden ſie auch mit gewuͤnſchtem
Ausſchlage/ ihr Stiffter aber mit unſterbli-
chem Nachruhme beſeligt. So wenig eine
Mutter ihrem Kinde mit der Geburt zugleich
alle Vollkommenheiten beylege; ſo wenig
habe die Natur auch ihre Geſchoͤpffe deroge-
ſtalt gefertigt/ daß ſie dem menſchlichen Nach-
dencken nichts daran zu verbeſſern uͤbrig gelaſ-
ſen. Sie habe ja ſo viel wilde Baͤume gezeugt/
daß die Kunſt ihnen durch Pfropffung huͤlffe.
Dem Agſteine und den ſchoͤnſten Diamanten
muͤſten die rauheſten Schalen abgeſchliffen/ das
Gold aus haͤßlichen Schlacken geſchmeltzet/
die Perlen allererſt durchloͤchert werden. Der
Menſch werde halb wild gebohren/ ja die Weiß-
heit ſelbſt ſey anfangs eine Baͤuerin/ und die
gantze Welt Barbarn geweſt. Warum ſolte
menſchlicher Witz nicht auch an rauhe Gebuͤr-
ge und unbeqveme Fluͤſſe Hand anlegen doͤrf-
fen? Welche die Natur mehrmahls ſelbſt den
Lauff der Stroͤme aͤndert/ ja durch Erdbeben/
unterirrdiſche Winde und andere Verruͤckun-
gen der aus dem Meere in die Gebuͤrge ge-
henden Waſſerroͤhre/ neue Fluͤſſe machet/ und
die Felſen in Seen verwandelt? Er wolte ſich
mit keinen Ungewißheiten/ als daß der Phoͤ-
niciſche Hercules bey Gades/ das Mittellaͤndi-
ſche und das groſſe Welt-Meer/ der Cimmeri-
ſche die Oſt- und Weſt-See zuſammen gegra-
ben haben ſolle/ behelffen. Allein es habe nicht
nur Druſus mit dem Rheine/ ſondern auch
Marius mit dem faſt gantz verſaͤndeten Rho-
dan/ den er an einem andern tiefferen/ und fuͤr
dem Sturme ſicheren Orte ins Meer geleitet/
es gluͤcklich ausgefuͤhrt. Cyrus habe durch
Ableitung deß Fluſſes Phrat ſich der Stadt
Babylon/ Kaͤyſer Julius mit Zertheilung des
Fluſſes Sicoris/ Hiſpaniens bemaͤchtigt/ Se-
gimer mit Schwellung der Ocker die Haupt-
Stadt der Campſacer erobert. Fuͤr weniger
Zeit habe Grubenbrand/ der fuͤrtreffliche Her-
tzog der Sicambrer/ Longobarder und Eſtier/
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/426>, abgerufen am 17.06.2024. |