Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Vierdtes Buch [Spaltenumbruch]
nicht nöthig seine Hoffnung zum Käyserthumedurch Heyrathung der Julia zu befestigen. Weil aber es gefährlich schien/ so ein grosses Absehn nur auff zwey leicht verfallende Au- gen zu stellen/ wolte sie ihrem andern Sohne dem Tiberius gleichfals ans Bret helffen/ und also arbeitete sie an einer Vermählung des Tiberius mit Julien. Livia machte ihr folgenden Tag eine Lust-Reise auf des Käysers Vorwerg/ wel- ches zwischen dem Aricinischen Walde/ und dem See/ den man den Spiegel Dianens nennet/ gelegen ist; nahm dahin aber niemanden als ih- ren Sohn den Drusus/ und Octavien nebst An- tonien zu sich. Des Morgens war sie unter dem Scheine der Andacht gar früh auf/ und die gantze Gesellschafft muste mit ihr über den See in den gegen über liegenden Tempel fahren/ darinnen die Göttin Diana/ welche sich in die- sem rundten See offt bespiegelt haben soll/ inson- derheit von denen/ die zu heyrathen vorhaben/ andächtig verehret wird. Nach verrichtetem Gebete/ welches sie mit Fleiß zeitlicher als Octa- via und Antonia abbrach/ nahm sie ihren Sohn Drusus bey der Hand/ und führte ihn in die na- he darbey gelegene Höle der Egeria/ sie setzte sich auf das Marmel-Bild des Neptunus/ Drusus auf das der Thetys/ derer iedes ein starckes Qvell von sich spritzte. Hier auf fing Livia an: Du weist/ lieber Sohn/ daß die Mutter-Liebe eine der heftigsten Gemüths-Regungen unter ällen Müttern/ ich aber die sorgfältigste für ihre Kinder sey. Denn du irrest/ da du dir einbil- dest/ daß meine Schönheit oder ander Liebreitz den Käyser mir biß auf diese Stunde so unabsetz- lich verknüpfet halte/ welcher des Servilius J- sauricus holdselige Tochter seine Braut noch für der Vermählung nicht aus Staats-Sucht/ des Antonius schöne Tochter die junge Fulvia/ noch ehe er sie erkennet/ nicht wegen Zwytracht mit ihrer unverträglichen Mutter/ die frucht- bare Scribonia nicht wegen ihrer Eifersucht/ sondern alle drey aus blosser Lüsternheit und [Spaltenumbruch] Eckel verstossen hat. Glaube hingegen viel- mehr/ daß ich wegen deiner alle Verdrüßligkei- ten verschlucket/ alle Verläumbdungen der vom Käyser verstossenen Scribonia verschmertzet/ alle Schleen des Unglücks ihm verzuckert/ und mich mehrmals zur Magd gemacht habe/ umb mich nicht so wohl in der Würde einer Käyserin/ als dich in dem Vortheil eines Käyserlichen Sohnes zu erhalten. Der Himmel hat in meine Segel alle gute Winde blasen lassen/ also/ daß Augustus sich nicht so wohl einen Herrn der Welt/ als ich mich eine Beherrscherin des Kaisers zu rühmen habe. Eines fehlet mir nur noch zu meiner vollkommenen Glückseligkeit/ nehmlich die Unsterbligkeit/ welche mich über die Staffeln alles irrdischen Wohlstandes erhebe. Diese suchet nun zwar die Heucheley in der eitelen Vergötterung/ ich und die Wahrheit aber in rühmlichen Nachkommen. Denn wie kan ich mich bey der Welt und Nachwelt scheinbarer verewigen/ als wenn ich meine Kinder und Kin- des-Kinder auf den Römischen Käyser-Stuhl setze? Diese Würde/ hertzliebster Drusus/ hän- get dir zu/ nicht nur vom Verhängnüsse/ und meiner Fürsorge/ in der ich so gar deinen Bru- der Tiberius/ welchem das Alter sonst das Vor- Recht zueignet/ dir nachgesetzet; sondern schon selbst von der Zueignung des Käysers. Alleine der Grund des Glückes ist so voller Trübsand/ daß in selbtem schwerlich ein Ancker haftet; und die Gewohnheit der Fürsten ist so wetterwendig/ daß selbte mehr als mit einem Nagel muß ange- heftet werden. Du bist mit dem Augustus ja durch mich verknüpfet; aber solte ich das Haupt legen/ dörfte so wohl meine Hoffnung als dein Aufnehmen verfallen. Diesemnach habe ich auf eine neue Verbindung mit ihm gesonnen/ keine aber ist nachdrücklicher als des Geblütes. Fremde Tugend ist in unsern Augen Zwerges- Art/ aus unserer Anverwandten Mittelmässig- keiten aber machen wir Wunderwercke. Schaue dich nun selbst in dem grossen Schau- Platze
Vierdtes Buch [Spaltenumbruch]
nicht noͤthig ſeine Hoffnung zum Kaͤyſerthumedurch Heyrathung der Julia zu befeſtigen. Weil aber es gefaͤhrlich ſchien/ ſo ein groſſes Abſehn nur auff zwey leicht verfallende Au- gen zu ſtellen/ wolte ſie ihrem andern Sohne dem Tiberius gleichfals ans Bret helffen/ und alſo arbeitete ſie an einer Vermaͤhlung des Tiberius mit Julien. Livia machte ihr folgenden Tag eine Luſt-Reiſe auf des Kaͤyſers Vorwerg/ wel- ches zwiſchen dem Ariciniſchen Walde/ und dem See/ den man den Spiegel Dianens nennet/ gelegen iſt; nahm dahin aber niemanden als ih- ren Sohn den Druſus/ und Octavien nebſt An- tonien zu ſich. Des Morgens war ſie unter dem Scheine der Andacht gar fruͤh auf/ und die gantze Geſellſchafft muſte mit ihr uͤber den See in den gegen uͤber liegenden Tempel fahren/ darinnen die Goͤttin Diana/ welche ſich in die- ſem rundten See offt beſpiegelt haben ſoll/ inſon- derheit von denen/ die zu heyrathen vorhaben/ andaͤchtig verehret wird. Nach verrichtetem Gebete/ welches ſie mit Fleiß zeitlicher als Octa- via und Antonia abbrach/ nahm ſie ihren Sohn Druſus bey der Hand/ und fuͤhrte ihn in die na- he darbey gelegene Hoͤle der Egeria/ ſie ſetzte ſich auf das Marmel-Bild des Neptunus/ Druſus auf das der Thetys/ derer iedes ein ſtarckes Qvell von ſich ſpritzte. Hier auf fing Livia an: Du weiſt/ lieber Sohn/ daß die Mutter-Liebe eine der heftigſten Gemuͤths-Regungen unter aͤllen Muͤttern/ ich aber die ſorgfaͤltigſte fuͤr ihre Kinder ſey. Denn du irreſt/ da du dir einbil- deſt/ daß meine Schoͤnheit oder ander Liebreitz den Kaͤyſer mir biß auf dieſe Stunde ſo unabſetz- lich verknuͤpfet halte/ welcher des Servilius J- ſauricus holdſelige Tochter ſeine Braut noch fuͤr der Vermaͤhlung nicht aus Staats-Sucht/ des Antonius ſchoͤne Tochter die junge Fulvia/ noch ehe er ſie erkennet/ nicht wegen Zwytracht mit ihrer unvertraͤglichen Mutter/ die frucht- bare Scribonia nicht wegen ihrer Eiferſucht/ ſondern alle drey aus bloſſer Luͤſternheit und [Spaltenumbruch] Eckel verſtoſſen hat. Glaube hingegen viel- mehr/ daß ich wegen deiner alle Verdruͤßligkei- ten verſchlucket/ alle Verlaͤumbdungen der vom Kaͤyſer verſtoſſenen Scribonia verſchmertzet/ alle Schleen des Ungluͤcks ihm verzuckert/ und mich mehrmals zur Magd gemacht habe/ umb mich nicht ſo wohl in der Wuͤrde einer Kaͤyſerin/ als dich in dem Vortheil eines Kaͤyſerlichen Sohnes zu erhalten. Der Himmel hat in meine Segel alle gute Winde blaſen laſſen/ alſo/ daß Auguſtus ſich nicht ſo wohl einen Herrn der Welt/ als ich mich eine Beherrſcherin des Kaiſers zu ruͤhmen habe. Eines fehlet mir nur noch zu meiner vollkommenen Gluͤckſeligkeit/ nehmlich die Unſterbligkeit/ welche mich uͤber die Staffeln alles irrdiſchen Wohlſtandes erhebe. Dieſe ſuchet nun zwar die Heucheley in der eitelen Vergoͤtterung/ ich und die Wahrheit aber in ruͤhmlichen Nachkommen. Denn wie kan ich mich bey der Welt und Nachwelt ſcheinbarer verewigen/ als wenn ich meine Kinder und Kin- des-Kinder auf den Roͤmiſchen Kaͤyſer-Stuhl ſetze? Dieſe Wuͤrde/ hertzliebſter Druſus/ haͤn- get dir zu/ nicht nur vom Verhaͤngnuͤſſe/ und meiner Fuͤrſorge/ in der ich ſo gar deinen Bru- der Tiberius/ welchem das Alter ſonſt das Vor- Recht zueignet/ dir nachgeſetzet; ſondern ſchon ſelbſt von der Zueignung des Kaͤyſers. Alleine der Grund des Gluͤckes iſt ſo voller Truͤbſand/ daß in ſelbtem ſchwerlich ein Ancker haftet; und die Gewohnheit der Fuͤrſten iſt ſo wetterwendig/ daß ſelbte mehr als mit einem Nagel muß ange- heftet werden. Du biſt mit dem Auguſtus ja durch mich verknuͤpfet; aber ſolte ich das Haupt legen/ doͤrfte ſo wohl meine Hoffnung als dein Aufnehmen verfallen. Dieſemnach habe ich auf eine neue Verbindung mit ihm geſonnen/ keine aber iſt nachdruͤcklicher als des Gebluͤtes. Fremde Tugend iſt in unſern Augen Zwerges- Art/ aus unſerer Anverwandten Mittelmaͤſſig- keiten aber machen wir Wunderwercke. Schaue dich nun ſelbſt in dem groſſen Schau- Platze
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Vierdtes Buch
nicht noͤthig ſeine Hoffnung zum Kaͤyſerthume
durch Heyrathung der Julia zu befeſtigen.
Weil aber es gefaͤhrlich ſchien/ ſo ein groſſes
Abſehn nur auff zwey leicht verfallende Au-
gen zu ſtellen/ wolte ſie ihrem andern Sohne dem
Tiberius gleichfals ans Bret helffen/ und alſo
arbeitete ſie an einer Vermaͤhlung des Tiberius
mit Julien. Livia machte ihr folgenden Tag
eine Luſt-Reiſe auf des Kaͤyſers Vorwerg/ wel-
ches zwiſchen dem Ariciniſchen Walde/ und dem
See/ den man den Spiegel Dianens nennet/
gelegen iſt; nahm dahin aber niemanden als ih-
ren Sohn den Druſus/ und Octavien nebſt An-
tonien zu ſich. Des Morgens war ſie unter
dem Scheine der Andacht gar fruͤh auf/ und die
gantze Geſellſchafft muſte mit ihr uͤber den See
in den gegen uͤber liegenden Tempel fahren/
darinnen die Goͤttin Diana/ welche ſich in die-
ſem rundten See offt beſpiegelt haben ſoll/ inſon-
derheit von denen/ die zu heyrathen vorhaben/
andaͤchtig verehret wird. Nach verrichtetem
Gebete/ welches ſie mit Fleiß zeitlicher als Octa-
via und Antonia abbrach/ nahm ſie ihren Sohn
Druſus bey der Hand/ und fuͤhrte ihn in die na-
he darbey gelegene Hoͤle der Egeria/ ſie ſetzte ſich
auf das Marmel-Bild des Neptunus/ Druſus
auf das der Thetys/ derer iedes ein ſtarckes
Qvell von ſich ſpritzte. Hier auf fing Livia an:
Du weiſt/ lieber Sohn/ daß die Mutter-Liebe
eine der heftigſten Gemuͤths-Regungen unter
aͤllen Muͤttern/ ich aber die ſorgfaͤltigſte fuͤr ihre
Kinder ſey. Denn du irreſt/ da du dir einbil-
deſt/ daß meine Schoͤnheit oder ander Liebreitz
den Kaͤyſer mir biß auf dieſe Stunde ſo unabſetz-
lich verknuͤpfet halte/ welcher des Servilius J-
ſauricus holdſelige Tochter ſeine Braut noch fuͤr
der Vermaͤhlung nicht aus Staats-Sucht/ des
Antonius ſchoͤne Tochter die junge Fulvia/
noch ehe er ſie erkennet/ nicht wegen Zwytracht
mit ihrer unvertraͤglichen Mutter/ die frucht-
bare Scribonia nicht wegen ihrer Eiferſucht/
ſondern alle drey aus bloſſer Luͤſternheit und
Eckel verſtoſſen hat. Glaube hingegen viel-
mehr/ daß ich wegen deiner alle Verdruͤßligkei-
ten verſchlucket/ alle Verlaͤumbdungen der vom
Kaͤyſer verſtoſſenen Scribonia verſchmertzet/
alle Schleen des Ungluͤcks ihm verzuckert/ und
mich mehrmals zur Magd gemacht habe/ umb
mich nicht ſo wohl in der Wuͤrde einer Kaͤyſerin/
als dich in dem Vortheil eines Kaͤyſerlichen
Sohnes zu erhalten. Der Himmel hat in
meine Segel alle gute Winde blaſen laſſen/ alſo/
daß Auguſtus ſich nicht ſo wohl einen Herrn der
Welt/ als ich mich eine Beherrſcherin des Kaiſers
zu ruͤhmen habe. Eines fehlet mir nur noch zu
meiner vollkommenen Gluͤckſeligkeit/ nehmlich
die Unſterbligkeit/ welche mich uͤber die Staffeln
alles irrdiſchen Wohlſtandes erhebe. Dieſe
ſuchet nun zwar die Heucheley in der eitelen
Vergoͤtterung/ ich und die Wahrheit aber in
ruͤhmlichen Nachkommen. Denn wie kan ich
mich bey der Welt und Nachwelt ſcheinbarer
verewigen/ als wenn ich meine Kinder und Kin-
des-Kinder auf den Roͤmiſchen Kaͤyſer-Stuhl
ſetze? Dieſe Wuͤrde/ hertzliebſter Druſus/ haͤn-
get dir zu/ nicht nur vom Verhaͤngnuͤſſe/ und
meiner Fuͤrſorge/ in der ich ſo gar deinen Bru-
der Tiberius/ welchem das Alter ſonſt das Vor-
Recht zueignet/ dir nachgeſetzet; ſondern ſchon
ſelbſt von der Zueignung des Kaͤyſers. Alleine
der Grund des Gluͤckes iſt ſo voller Truͤbſand/
daß in ſelbtem ſchwerlich ein Ancker haftet; und
die Gewohnheit der Fuͤrſten iſt ſo wetterwendig/
daß ſelbte mehr als mit einem Nagel muß ange-
heftet werden. Du biſt mit dem Auguſtus ja
durch mich verknuͤpfet; aber ſolte ich das Haupt
legen/ doͤrfte ſo wohl meine Hoffnung als dein
Aufnehmen verfallen. Dieſemnach habe ich
auf eine neue Verbindung mit ihm geſonnen/
keine aber iſt nachdruͤcklicher als des Gebluͤtes.
Fremde Tugend iſt in unſern Augen Zwerges-
Art/ aus unſerer Anverwandten Mittelmaͤſſig-
keiten aber machen wir Wunderwercke.
Schaue dich nun ſelbſt in dem groſſen Schau-
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/450>, abgerufen am 17.06.2024. |