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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

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uns Alle denkst; drum rede nur jovial vom Herzen
weg, ich mach's auch so."" Apollonius ließ die beab¬
sichtigte Einleitung weg. Er hatte klug und vorsichtig
sein gelernt, aber klug und vorsichtig gegen einen Bruder
sein, hätte ihm Falschheit geschienen. Selbst, hätte er
die Falschheit des Bruders gekannt, er wäre nicht auf
dessen Gedanken von den gleichen Waffen gekommen.
Er hätte sich seine Erfahrung als Täuschung ausgeredet.

"Ich glaube, Fritz," begann er herzlich, "wir hätten
anders gegeneinander sein sollen, als wir seither ge¬
wesen sind." Er nahm aus Gutmüthigkeit die halbe
Schuld auf sich. Der Bruder schob ihm in Gedanken
die ganze zu, und wollte jovial das Gegentheil ver¬
sichern, als Apollonius fortfuhr. "Es war nicht zwischen
uns, wie sonst, und wie es sein sollte. Die Ursache
davon ist, soviel ich weiß, nur der Widerwille deiner
Frau gegen mich. Oder weißt du noch eine andere?"
""Ich weiß keine,"" sagte der Bruder mit bedauerndem
Achselzucken; aber er dachte an Apollonius Heimkunft
gegen seinen Rath, an den Ball, an die Berathung
auf dem Kirchenboden, an seine Verdrängung von der
Reparatur, an den ganzen Plan des Bruders, an das
was davon ausgeführt, an das was noch auszuführen
war. Er dachte daran, daß Apollonius eben an dem
Letzteren arbeite, und wie viel darauf ankomme, seine
nächste Absicht zu errathen und zu vereiteln. Apollonius
sprach indeß fort und hatte keine Ahnung von dem,

7*

uns Alle denkſt; drum rede nur jovial vom Herzen
weg, ich mach's auch ſo.““ Apollonius ließ die beab¬
ſichtigte Einleitung weg. Er hatte klug und vorſichtig
ſein gelernt, aber klug und vorſichtig gegen einen Bruder
ſein, hätte ihm Falſchheit geſchienen. Selbſt, hätte er
die Falſchheit des Bruders gekannt, er wäre nicht auf
deſſen Gedanken von den gleichen Waffen gekommen.
Er hätte ſich ſeine Erfahrung als Täuſchung ausgeredet.

„Ich glaube, Fritz,“ begann er herzlich, „wir hätten
anders gegeneinander ſein ſollen, als wir ſeither ge¬
weſen ſind.“ Er nahm aus Gutmüthigkeit die halbe
Schuld auf ſich. Der Bruder ſchob ihm in Gedanken
die ganze zu, und wollte jovial das Gegentheil ver¬
ſichern, als Apollonius fortfuhr. „Es war nicht zwiſchen
uns, wie ſonſt, und wie es ſein ſollte. Die Urſache
davon iſt, ſoviel ich weiß, nur der Widerwille deiner
Frau gegen mich. Oder weißt du noch eine andere?“
„„Ich weiß keine,““ ſagte der Bruder mit bedauerndem
Achſelzucken; aber er dachte an Apollonius Heimkunft
gegen ſeinen Rath, an den Ball, an die Berathung
auf dem Kirchenboden, an ſeine Verdrängung von der
Reparatur, an den ganzen Plan des Bruders, an das
was davon ausgeführt, an das was noch auszuführen
war. Er dachte daran, daß Apollonius eben an dem
Letzteren arbeite, und wie viel darauf ankomme, ſeine
nächſte Abſicht zu errathen und zu vereiteln. Apollonius
ſprach indeß fort und hatte keine Ahnung von dem,

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[99/0108] uns Alle denkſt; drum rede nur jovial vom Herzen weg, ich mach's auch ſo.““ Apollonius ließ die beab¬ ſichtigte Einleitung weg. Er hatte klug und vorſichtig ſein gelernt, aber klug und vorſichtig gegen einen Bruder ſein, hätte ihm Falſchheit geſchienen. Selbſt, hätte er die Falſchheit des Bruders gekannt, er wäre nicht auf deſſen Gedanken von den gleichen Waffen gekommen. Er hätte ſich ſeine Erfahrung als Täuſchung ausgeredet. „Ich glaube, Fritz,“ begann er herzlich, „wir hätten anders gegeneinander ſein ſollen, als wir ſeither ge¬ weſen ſind.“ Er nahm aus Gutmüthigkeit die halbe Schuld auf ſich. Der Bruder ſchob ihm in Gedanken die ganze zu, und wollte jovial das Gegentheil ver¬ ſichern, als Apollonius fortfuhr. „Es war nicht zwiſchen uns, wie ſonſt, und wie es ſein ſollte. Die Urſache davon iſt, ſoviel ich weiß, nur der Widerwille deiner Frau gegen mich. Oder weißt du noch eine andere?“ „„Ich weiß keine,““ ſagte der Bruder mit bedauerndem Achſelzucken; aber er dachte an Apollonius Heimkunft gegen ſeinen Rath, an den Ball, an die Berathung auf dem Kirchenboden, an ſeine Verdrängung von der Reparatur, an den ganzen Plan des Bruders, an das was davon ausgeführt, an das was noch auszuführen war. Er dachte daran, daß Apollonius eben an dem Letzteren arbeite, und wie viel darauf ankomme, ſeine nächſte Abſicht zu errathen und zu vereiteln. Apollonius ſprach indeß fort und hatte keine Ahnung von dem, 7*

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Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/108>, abgerufen am 28.04.2024.