Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

ihn zu werfen, die ehedem sonnenhaft von jedem
Knopfe Fritz Nettenmair's geglänzt. Heute war der
Wiederschein sehr schwach. Vielleicht, weil ihr Auge
nicht den Boden gesucht, als es sein Blick berührte.
Er that einige gleichgültige Fragen und sagte dann:
"Du bist heute lustig gewesen." Sie sollte fühlen, er
wisse Alles, was im Haus geschehe, sei er auch selbst
nicht drinn. "Du hast gesungen." Sie sah ihn ruhig
an und sagte: ""Ja. Und morgen sing' ich wieder;
ich weiß nicht, warum ich nicht soll."" Er stand geräusch¬
voll vom Stuhle auf und ging mit lauten Tritten hin
und her. Er wollte sie einschüchtern. Sie erhob sich
ruhig und stand da, als erwarte sie einen Angriff,
den sie nicht fürchtete. Er trat ihr nah, lachte heischer
und machte eine Handbewegung, vor der sie erschreckend
zurückweichen sollte. Sie that es nicht. Aber das
Roth des beleidigten Gefühls trat auf ihre Wangen.
Sie war scharfsinnig geworden, argwöhnisch dem Gatten
gegenüber. Sie wußte, daß er sie und Apollonius
bewachen ließ. "Und hat er dir weiter nichts gesagt?"
fragte sie. ""Wer?"" fuhr Fritz Nettenmair auf. Er zog
die Schultern empor und meinte, er säh' aus wie der
im blauen Rock. Die junge Frau antwortete nicht. Sie
zeigte nach der Kammerthür, in der das kleine Aennchen
stand. "Der Spion! Der Zwischenträger!" preßte der
Mann hervor. Das Kind kam ängstlich mit zögernden
Schritten. Es war im Hemdchen. Fritz Nettenmair

ihn zu werfen, die ehedem ſonnenhaft von jedem
Knopfe Fritz Nettenmair's geglänzt. Heute war der
Wiederſchein ſehr ſchwach. Vielleicht, weil ihr Auge
nicht den Boden geſucht, als es ſein Blick berührte.
Er that einige gleichgültige Fragen und ſagte dann:
„Du biſt heute luſtig geweſen.“ Sie ſollte fühlen, er
wiſſe Alles, was im Haus geſchehe, ſei er auch ſelbſt
nicht drinn. „Du haſt geſungen.“ Sie ſah ihn ruhig
an und ſagte: „„Ja. Und morgen ſing' ich wieder;
ich weiß nicht, warum ich nicht ſoll.““ Er ſtand geräuſch¬
voll vom Stuhle auf und ging mit lauten Tritten hin
und her. Er wollte ſie einſchüchtern. Sie erhob ſich
ruhig und ſtand da, als erwarte ſie einen Angriff,
den ſie nicht fürchtete. Er trat ihr nah, lachte heiſcher
und machte eine Handbewegung, vor der ſie erſchreckend
zurückweichen ſollte. Sie that es nicht. Aber das
Roth des beleidigten Gefühls trat auf ihre Wangen.
Sie war ſcharfſinnig geworden, argwöhniſch dem Gatten
gegenüber. Sie wußte, daß er ſie und Apollonius
bewachen ließ. „Und hat er dir weiter nichts geſagt?“
fragte ſie. „„Wer?““ fuhr Fritz Nettenmair auf. Er zog
die Schultern empor und meinte, er ſäh' aus wie der
im blauen Rock. Die junge Frau antwortete nicht. Sie
zeigte nach der Kammerthür, in der das kleine Aennchen
ſtand. „Der Spion! Der Zwiſchenträger!“ preßte der
Mann hervor. Das Kind kam ängſtlich mit zögernden
Schritten. Es war im Hemdchen. Fritz Nettenmair

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0127" n="118"/>
ihn zu werfen, die ehedem &#x017F;onnenhaft von jedem<lb/>
Knopfe Fritz Nettenmair's geglänzt. Heute war der<lb/>
Wieder&#x017F;chein &#x017F;ehr &#x017F;chwach. Vielleicht, weil ihr Auge<lb/>
nicht den Boden ge&#x017F;ucht, als es &#x017F;ein Blick berührte.<lb/>
Er that einige gleichgültige Fragen und &#x017F;agte dann:<lb/>
&#x201E;Du bi&#x017F;t heute lu&#x017F;tig gewe&#x017F;en.&#x201C; Sie &#x017F;ollte fühlen, er<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;e Alles, was im Haus ge&#x017F;chehe, &#x017F;ei er auch &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
nicht drinn. &#x201E;Du ha&#x017F;t ge&#x017F;ungen.&#x201C; Sie &#x017F;ah ihn ruhig<lb/>
an und &#x017F;agte: &#x201E;&#x201E;Ja. Und morgen &#x017F;ing' ich wieder;<lb/>
ich weiß nicht, warum ich nicht &#x017F;oll.&#x201C;&#x201C; Er &#x017F;tand geräu&#x017F;ch¬<lb/>
voll vom Stuhle auf und ging mit lauten Tritten hin<lb/>
und her. Er wollte &#x017F;ie ein&#x017F;chüchtern. Sie erhob &#x017F;ich<lb/>
ruhig und &#x017F;tand da, als erwarte &#x017F;ie einen Angriff,<lb/>
den &#x017F;ie nicht fürchtete. Er trat ihr nah, lachte hei&#x017F;cher<lb/>
und machte eine Handbewegung, vor der &#x017F;ie er&#x017F;chreckend<lb/>
zurückweichen &#x017F;ollte. Sie that es nicht. Aber das<lb/>
Roth des beleidigten Gefühls trat auf ihre Wangen.<lb/>
Sie war &#x017F;charf&#x017F;innig geworden, argwöhni&#x017F;ch dem Gatten<lb/>
gegenüber. Sie wußte, daß er &#x017F;ie und Apollonius<lb/>
bewachen ließ. &#x201E;Und hat er dir weiter nichts ge&#x017F;agt?&#x201C;<lb/>
fragte &#x017F;ie. &#x201E;&#x201E;Wer?&#x201C;&#x201C; fuhr Fritz Nettenmair auf. Er zog<lb/>
die Schultern empor und meinte, er &#x017F;äh' aus wie der<lb/>
im blauen Rock. Die junge Frau antwortete nicht. Sie<lb/>
zeigte nach der Kammerthür, in der das kleine Aennchen<lb/>
&#x017F;tand. &#x201E;Der Spion! Der Zwi&#x017F;chenträger!&#x201C; preßte der<lb/>
Mann hervor. Das Kind kam äng&#x017F;tlich mit zögernden<lb/>
Schritten. Es war im Hemdchen. Fritz Nettenmair<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[118/0127] ihn zu werfen, die ehedem ſonnenhaft von jedem Knopfe Fritz Nettenmair's geglänzt. Heute war der Wiederſchein ſehr ſchwach. Vielleicht, weil ihr Auge nicht den Boden geſucht, als es ſein Blick berührte. Er that einige gleichgültige Fragen und ſagte dann: „Du biſt heute luſtig geweſen.“ Sie ſollte fühlen, er wiſſe Alles, was im Haus geſchehe, ſei er auch ſelbſt nicht drinn. „Du haſt geſungen.“ Sie ſah ihn ruhig an und ſagte: „„Ja. Und morgen ſing' ich wieder; ich weiß nicht, warum ich nicht ſoll.““ Er ſtand geräuſch¬ voll vom Stuhle auf und ging mit lauten Tritten hin und her. Er wollte ſie einſchüchtern. Sie erhob ſich ruhig und ſtand da, als erwarte ſie einen Angriff, den ſie nicht fürchtete. Er trat ihr nah, lachte heiſcher und machte eine Handbewegung, vor der ſie erſchreckend zurückweichen ſollte. Sie that es nicht. Aber das Roth des beleidigten Gefühls trat auf ihre Wangen. Sie war ſcharfſinnig geworden, argwöhniſch dem Gatten gegenüber. Sie wußte, daß er ſie und Apollonius bewachen ließ. „Und hat er dir weiter nichts geſagt?“ fragte ſie. „„Wer?““ fuhr Fritz Nettenmair auf. Er zog die Schultern empor und meinte, er ſäh' aus wie der im blauen Rock. Die junge Frau antwortete nicht. Sie zeigte nach der Kammerthür, in der das kleine Aennchen ſtand. „Der Spion! Der Zwiſchenträger!“ preßte der Mann hervor. Das Kind kam ängſtlich mit zögernden Schritten. Es war im Hemdchen. Fritz Nettenmair

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/127
Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/127>, abgerufen am 27.04.2024.