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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

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kürlich eine vordeutende Bewegung mit dem Arm.
Fritz Nettenmair ahnte ihren Sinn. Er wollte sich
aufraffen und wäre wieder umgesunken, stützte er sich
nicht mit beiden Händen. So lag er auf Händen
und Knieen vor dem Alten, als er den Angstruf aus¬
stieß: "Was willst du, Vater? Womit gehst du um?"
""Ich will sehn,"" erwiederte der Alte mit pfeifendem Flü¬
stern, ""ob ich's thun muß oder ob du's thun wirst, was
gethan sein muß. Und gethan muß es sein. Noch
weiß Niemand etwas, was zur Untersuchung führen
kann vor den Gerichten, als ich, deine Frau und der
Valentin. Für mich kann ich stehn, aber nicht für
die, daß sie's nicht verrathen, was sie wissen. Wenn
du jetzt herabfällst von der Rüstung, so daß die Leute
meinen können, du bist ohne Willen verunglückt, dann
ist die größte Schande verhütet. Der Schieferdecker,
der verunglückt, steht vor der Welt als ein ehrlicher
Todter, so ehrlich, als der Soldat, der auf dem
Schlachtfeld gestorben ist. Du bist solchen Tod nicht
werth, Bankerutirer. Dich sollte der Henker auf einer
Kuhhaut hinausschleifen auf den Richtplatz, Schand¬
bube, der du den Bruder umgebracht hast und hast
vergiften wollen das zukünftige Leben der unschuldi¬
gen Kinder und mein vergangenes, das voll Ehre ge¬
wesen ist. Du hast Schande genug gebracht über dein
Haus, du sollst nicht noch mehr Schande darüber brin¬
gen. Von mir sollen sie nicht sagen, daß mein Sohn,

kürlich eine vordeutende Bewegung mit dem Arm.
Fritz Nettenmair ahnte ihren Sinn. Er wollte ſich
aufraffen und wäre wieder umgeſunken, ſtützte er ſich
nicht mit beiden Händen. So lag er auf Händen
und Knieen vor dem Alten, als er den Angſtruf aus¬
ſtieß: „Was willſt du, Vater? Womit gehſt du um?“
„„Ich will ſehn,““ erwiederte der Alte mit pfeifendem Flü¬
ſtern, „„ob ich's thun muß oder ob du's thun wirſt, was
gethan ſein muß. Und gethan muß es ſein. Noch
weiß Niemand etwas, was zur Unterſuchung führen
kann vor den Gerichten, als ich, deine Frau und der
Valentin. Für mich kann ich ſtehn, aber nicht für
die, daß ſie's nicht verrathen, was ſie wiſſen. Wenn
du jetzt herabfällſt von der Rüſtung, ſo daß die Leute
meinen können, du biſt ohne Willen verunglückt, dann
iſt die größte Schande verhütet. Der Schieferdecker,
der verunglückt, ſteht vor der Welt als ein ehrlicher
Todter, ſo ehrlich, als der Soldat, der auf dem
Schlachtfeld geſtorben iſt. Du biſt ſolchen Tod nicht
werth, Bankerutirer. Dich ſollte der Henker auf einer
Kuhhaut hinausſchleifen auf den Richtplatz, Schand¬
bube, der du den Bruder umgebracht haſt und haſt
vergiften wollen das zukünftige Leben der unſchuldi¬
gen Kinder und mein vergangenes, das voll Ehre ge¬
weſen iſt. Du haſt Schande genug gebracht über dein
Haus, du ſollſt nicht noch mehr Schande darüber brin¬
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[215/0224] kürlich eine vordeutende Bewegung mit dem Arm. Fritz Nettenmair ahnte ihren Sinn. Er wollte ſich aufraffen und wäre wieder umgeſunken, ſtützte er ſich nicht mit beiden Händen. So lag er auf Händen und Knieen vor dem Alten, als er den Angſtruf aus¬ ſtieß: „Was willſt du, Vater? Womit gehſt du um?“ „„Ich will ſehn,““ erwiederte der Alte mit pfeifendem Flü¬ ſtern, „„ob ich's thun muß oder ob du's thun wirſt, was gethan ſein muß. Und gethan muß es ſein. Noch weiß Niemand etwas, was zur Unterſuchung führen kann vor den Gerichten, als ich, deine Frau und der Valentin. Für mich kann ich ſtehn, aber nicht für die, daß ſie's nicht verrathen, was ſie wiſſen. Wenn du jetzt herabfällſt von der Rüſtung, ſo daß die Leute meinen können, du biſt ohne Willen verunglückt, dann iſt die größte Schande verhütet. Der Schieferdecker, der verunglückt, ſteht vor der Welt als ein ehrlicher Todter, ſo ehrlich, als der Soldat, der auf dem Schlachtfeld geſtorben iſt. Du biſt ſolchen Tod nicht werth, Bankerutirer. Dich ſollte der Henker auf einer Kuhhaut hinausſchleifen auf den Richtplatz, Schand¬ bube, der du den Bruder umgebracht haſt und haſt vergiften wollen das zukünftige Leben der unſchuldi¬ gen Kinder und mein vergangenes, das voll Ehre ge¬ weſen iſt. Du haſt Schande genug gebracht über dein Haus, du ſollſt nicht noch mehr Schande darüber brin¬ gen. Von mir ſollen ſie nicht ſagen, daß mein Sohn,

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Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/224>, abgerufen am 29.04.2024.