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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Regeln für das Verhältniss von Einnahme und Ausgabe.
Verhältnisse bei den drei letzteren Warmblütern verhalten, geht aus den
vorliegenden Thatsachen nicht mit Sicherheit hervor, da die Fütterungsart
sehr abweichend war. Die Vergleichung der Erfolge annähernd gleicher
Fütterung bei den Katzen I. und III. ergiebt, dass sich die vom geringen
Körpergewicht trotz etwas reichlicherer Nahrung doch weniger mästet,
als die schwerere. Diese Beobachtung erhält um so mehr Werth, als
sie in Uebereinstimmung ist mit den von Erlach bei Respirationsver-
suchen gewonnenen Erfahrungen (p. 359).

Betheiligung der einzelnen Atome oder Atomgruppen
an dem gesammten Verluste. 1. Im Allgemeinen kann es als gil-
tig angenommen werden, dass eine Atomgruppe, oder die aus ihrer Zer-
setzung hervorgehenden Verbindungen, in dem Maasse aus dem Leibe
wieder ausgeschieden werden, in welchem sie in der Nahrung enthalten
waren. Daraus folgt, dass die qualitative Zusammensetzung des Orga-
nismus unabhängig von derjenigen der Nahrung bestehen bleibt; jedoch
unter der Beschränkung, dass einem bestimmten Verhältnisse, in wel-
chem ein jedes Atom in der Nahrung erscheint, auch ein bestimmter
Sättigungsgrad des thierischen Körpers mit diesem Atome entspricht.
Wenn sich demnach in der Nahrung die Menge einer Verbindung für
einige Zeit bleibend ändert, so werden nicht unmittelbar darauf, dieser
Aenderung genau entsprechend, die Umsetzungsprodukte jenes Nahrungs-
mittels in den Ausscheidungen vermehrt oder vermindert werden, son-
dern es lagert sich, wenn die Aufnahme steigt, zuerst in den Körper
ein Theil der Verbindung ab, und umgekehrt, es schwindet ein Theil
des abgelagerten Stoffes, wenn sich die Gewichtsmenge desselben in der
Nahrung minderte.

Die Erläuterung dieser eben so wichtigen als eigenthümlichen Erscheinung bietet
vorzugsweise nur dann Schwierigkeiten, wenn das im Ueberschuss aufgenommene
Atom nicht wieder einfach abgeschieden werden kann in der Verbindung, in welcher
es sich gerade findet, wie z. B. Salze und Wasser, sondern vorher zerlegt und oxy-
dirt werden muss. Das erste Problem, was sich unter Voraussetzung der Nothwen-
digkeit einer vorgängigen Spaltung entgegenstellt, läuft darauf hinaus, zu entschei-
den, ob die Spaltung innerhalb des Gefässsystems oder ausserhalb desselben, in den
Organen, resp. deren Flüssigkeiten, geschehe. Die Erfahrung entscheidet, wenn nicht
durchaus, doch wenigstens theilweise für die letztere Alternative, da in der Leber,
den Muskeln u. s. w. die Zerlegung des Eiweisses, der Fette u. s. w. vor sich
ging; nachweislich wurde auch bei einer Vermehrung des Fleisch- oder Zuckerge-
haltes der Nahrung ein wesentliches intermediär zersetzendes Organ, die Leber, zu
reichlicherer Zuckerbildung veranlasst. Nach der Feststellung dieses verlangt man zu-
nächst zu wissen, warum ein lebhafterer Strom dieses oder jenes Stoffes in das Blut
auch eine Beschleunigung seines Austrittes aus demselben herbeiführt. Es liegt nahe,
anzunehmen, dass dieses in Folge mehrerer, schon öfter erwähnter Einrichtungen ge-
schehe, die wir im Ganzen als das Streben zum Gleichgewichte der Diffusion und me-
chanischen Spannung zwischen Blut und Gewebsflüssigkeiten bezeichnet haben. Ge-
setzt, es sei damit die beschleunigte Absonderung in die Zersetzungsherde klar ge-
worden, so würde angegeben sein, warum mit der vermehrten Dichtigkeitder Lösungen

Regeln für das Verhältniss von Einnahme und Ausgabe.
Verhältnisse bei den drei letzteren Warmblütern verhalten, geht aus den
vorliegenden Thatsachen nicht mit Sicherheit hervor, da die Fütterungsart
sehr abweichend war. Die Vergleichung der Erfolge annähernd gleicher
Fütterung bei den Katzen I. und III. ergiebt, dass sich die vom geringen
Körpergewicht trotz etwas reichlicherer Nahrung doch weniger mästet,
als die schwerere. Diese Beobachtung erhält um so mehr Werth, als
sie in Uebereinstimmung ist mit den von Erlach bei Respirationsver-
suchen gewonnenen Erfahrungen (p. 359).

Betheiligung der einzelnen Atome oder Atomgruppen
an dem gesammten Verluste. 1. Im Allgemeinen kann es als gil-
tig angenommen werden, dass eine Atomgruppe, oder die aus ihrer Zer-
setzung hervorgehenden Verbindungen, in dem Maasse aus dem Leibe
wieder ausgeschieden werden, in welchem sie in der Nahrung enthalten
waren. Daraus folgt, dass die qualitative Zusammensetzung des Orga-
nismus unabhängig von derjenigen der Nahrung bestehen bleibt; jedoch
unter der Beschränkung, dass einem bestimmten Verhältnisse, in wel-
chem ein jedes Atom in der Nahrung erscheint, auch ein bestimmter
Sättigungsgrad des thierischen Körpers mit diesem Atome entspricht.
Wenn sich demnach in der Nahrung die Menge einer Verbindung für
einige Zeit bleibend ändert, so werden nicht unmittelbar darauf, dieser
Aenderung genau entsprechend, die Umsetzungsprodukte jenes Nahrungs-
mittels in den Ausscheidungen vermehrt oder vermindert werden, son-
dern es lagert sich, wenn die Aufnahme steigt, zuerst in den Körper
ein Theil der Verbindung ab, und umgekehrt, es schwindet ein Theil
des abgelagerten Stoffes, wenn sich die Gewichtsmenge desselben in der
Nahrung minderte.

Die Erläuterung dieser eben so wichtigen als eigenthümlichen Erscheinung bietet
vorzugsweise nur dann Schwierigkeiten, wenn das im Ueberschuss aufgenommene
Atom nicht wieder einfach abgeschieden werden kann in der Verbindung, in welcher
es sich gerade findet, wie z. B. Salze und Wasser, sondern vorher zerlegt und oxy-
dirt werden muss. Das erste Problem, was sich unter Voraussetzung der Nothwen-
digkeit einer vorgängigen Spaltung entgegenstellt, läuft darauf hinaus, zu entschei-
den, ob die Spaltung innerhalb des Gefässsystems oder ausserhalb desselben, in den
Organen, resp. deren Flüssigkeiten, geschehe. Die Erfahrung entscheidet, wenn nicht
durchaus, doch wenigstens theilweise für die letztere Alternative, da in der Leber,
den Muskeln u. s. w. die Zerlegung des Eiweisses, der Fette u. s. w. vor sich
ging; nachweislich wurde auch bei einer Vermehrung des Fleisch- oder Zuckerge-
haltes der Nahrung ein wesentliches intermediär zersetzendes Organ, die Leber, zu
reichlicherer Zuckerbildung veranlasst. Nach der Feststellung dieses verlangt man zu-
nächst zu wissen, warum ein lebhafterer Strom dieses oder jenes Stoffes in das Blut
auch eine Beschleunigung seines Austrittes aus demselben herbeiführt. Es liegt nahe,
anzunehmen, dass dieses in Folge mehrerer, schon öfter erwähnter Einrichtungen ge-
schehe, die wir im Ganzen als das Streben zum Gleichgewichte der Diffusion und me-
chanischen Spannung zwischen Blut und Gewebsflüssigkeiten bezeichnet haben. Ge-
setzt, es sei damit die beschleunigte Absonderung in die Zersetzungsherde klar ge-
worden, so würde angegeben sein, warum mit der vermehrten Dichtigkeitder Lösungen

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[448/0464] Regeln für das Verhältniss von Einnahme und Ausgabe. Verhältnisse bei den drei letzteren Warmblütern verhalten, geht aus den vorliegenden Thatsachen nicht mit Sicherheit hervor, da die Fütterungsart sehr abweichend war. Die Vergleichung der Erfolge annähernd gleicher Fütterung bei den Katzen I. und III. ergiebt, dass sich die vom geringen Körpergewicht trotz etwas reichlicherer Nahrung doch weniger mästet, als die schwerere. Diese Beobachtung erhält um so mehr Werth, als sie in Uebereinstimmung ist mit den von Erlach bei Respirationsver- suchen gewonnenen Erfahrungen (p. 359). Betheiligung der einzelnen Atome oder Atomgruppen an dem gesammten Verluste. 1. Im Allgemeinen kann es als gil- tig angenommen werden, dass eine Atomgruppe, oder die aus ihrer Zer- setzung hervorgehenden Verbindungen, in dem Maasse aus dem Leibe wieder ausgeschieden werden, in welchem sie in der Nahrung enthalten waren. Daraus folgt, dass die qualitative Zusammensetzung des Orga- nismus unabhängig von derjenigen der Nahrung bestehen bleibt; jedoch unter der Beschränkung, dass einem bestimmten Verhältnisse, in wel- chem ein jedes Atom in der Nahrung erscheint, auch ein bestimmter Sättigungsgrad des thierischen Körpers mit diesem Atome entspricht. Wenn sich demnach in der Nahrung die Menge einer Verbindung für einige Zeit bleibend ändert, so werden nicht unmittelbar darauf, dieser Aenderung genau entsprechend, die Umsetzungsprodukte jenes Nahrungs- mittels in den Ausscheidungen vermehrt oder vermindert werden, son- dern es lagert sich, wenn die Aufnahme steigt, zuerst in den Körper ein Theil der Verbindung ab, und umgekehrt, es schwindet ein Theil des abgelagerten Stoffes, wenn sich die Gewichtsmenge desselben in der Nahrung minderte. Die Erläuterung dieser eben so wichtigen als eigenthümlichen Erscheinung bietet vorzugsweise nur dann Schwierigkeiten, wenn das im Ueberschuss aufgenommene Atom nicht wieder einfach abgeschieden werden kann in der Verbindung, in welcher es sich gerade findet, wie z. B. Salze und Wasser, sondern vorher zerlegt und oxy- dirt werden muss. Das erste Problem, was sich unter Voraussetzung der Nothwen- digkeit einer vorgängigen Spaltung entgegenstellt, läuft darauf hinaus, zu entschei- den, ob die Spaltung innerhalb des Gefässsystems oder ausserhalb desselben, in den Organen, resp. deren Flüssigkeiten, geschehe. Die Erfahrung entscheidet, wenn nicht durchaus, doch wenigstens theilweise für die letztere Alternative, da in der Leber, den Muskeln u. s. w. die Zerlegung des Eiweisses, der Fette u. s. w. vor sich ging; nachweislich wurde auch bei einer Vermehrung des Fleisch- oder Zuckerge- haltes der Nahrung ein wesentliches intermediär zersetzendes Organ, die Leber, zu reichlicherer Zuckerbildung veranlasst. Nach der Feststellung dieses verlangt man zu- nächst zu wissen, warum ein lebhafterer Strom dieses oder jenes Stoffes in das Blut auch eine Beschleunigung seines Austrittes aus demselben herbeiführt. Es liegt nahe, anzunehmen, dass dieses in Folge mehrerer, schon öfter erwähnter Einrichtungen ge- schehe, die wir im Ganzen als das Streben zum Gleichgewichte der Diffusion und me- chanischen Spannung zwischen Blut und Gewebsflüssigkeiten bezeichnet haben. Ge- setzt, es sei damit die beschleunigte Absonderung in die Zersetzungsherde klar ge- worden, so würde angegeben sein, warum mit der vermehrten Dichtigkeitder Lösungen

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/464>, abgerufen am 29.04.2024.