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Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.

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Die formelle Entwickelung der Mechanik.
vor, wodurch alle Rechnungen eine viel grössere Symme-
trie und Uebersichtlichkeit gewinnen.

3. Auf die höchste Stufe der Entwickelung ist end-
lich die analytische Mechanik durch Lagrange gebracht
worden. Lagrange (Mecanique analytique, Paris 1788)
bestrebt sich, alle nothwendigen Ueberlegungen ein für
allemal
abzuthun, möglichst viel in einer Formel
darzustellen. Jeden vorkommenden Fall kann man nach
einem sehr einfachen symmetrischen und übersichtlichen
Schema behandeln, und was noch zu überlegen bleibt,
wird durch rein mechanische Kopfarbeit ausgeführt. Die
Lagrange'sche Mechanik ist eine grossartige Leistung in
Bezug auf die Oekonomie des Denkens.

In der Statik geht Lagrange von dem Princip der
virtuellen Verschiebungen aus. Auf eine Anzahl Massen-
punkte m1, m2, m3 ...., welche in gewissen Verbindungen
stehen, wirken die Kräfte P1, P2, P3 .... Erhalten
diese Punkte die unendlich kleinen mit den Verbin-
dungen verträglichen Verschiebungen p1, p2, p3 ...., so
ist für den Gleichgewichtsfall [Formel 1] , wobei wir
von dem bekannten Ausnahmefall, in welchem die
Gleichung in eine Ungleichung übergeht, absehen.

Beziehen wir nun das ganze System auf ein recht-
winkeliges Coordinatensystem. Die Coordinaten der
Massenpunkte seien x1 y1 z1, x2 y2 z2 .... Die Kräfte
mögen in die Componenten X1, Y1 Z1, X2 Y2 Z2 parallel
den Coordinatenaxen, und die Verschiebungen ebenfalls
parallel den Axen in [d]x1, [d]y1, [d]z1, [d]x2, [d]y2, [d]z2 ....
zerlegt werden. Bei Bestimmung der Arbeit kommt
für jede Kraftcomponente nur die parallele Verschiebung
ihres Angriffspunktes in Betracht, und der Ausdruck
des Princips ist
[Formel 2] wobei alle Indices für die einzelnen Punkte einzusetzen,
und die betreffenden Ausdrücke zu summiren sind.

Als Grundformel der Dynamik wird das D'Alem-
bert'sche Princip verwendet. Auf die Massenpunkte

Die formelle Entwickelung der Mechanik.
vor, wodurch alle Rechnungen eine viel grössere Symme-
trie und Uebersichtlichkeit gewinnen.

3. Auf die höchste Stufe der Entwickelung ist end-
lich die analytische Mechanik durch Lagrange gebracht
worden. Lagrange (Mécanique analytique, Paris 1788)
bestrebt sich, alle nothwendigen Ueberlegungen ein für
allemal
abzuthun, möglichst viel in einer Formel
darzustellen. Jeden vorkommenden Fall kann man nach
einem sehr einfachen symmetrischen und übersichtlichen
Schema behandeln, und was noch zu überlegen bleibt,
wird durch rein mechanische Kopfarbeit ausgeführt. Die
Lagrange’sche Mechanik ist eine grossartige Leistung in
Bezug auf die Oekonomie des Denkens.

In der Statik geht Lagrange von dem Princip der
virtuellen Verschiebungen aus. Auf eine Anzahl Massen-
punkte m1, m2, m3 ...., welche in gewissen Verbindungen
stehen, wirken die Kräfte P1, P2, P3 .... Erhalten
diese Punkte die unendlich kleinen mit den Verbin-
dungen verträglichen Verschiebungen p1, p2, p3 ...., so
ist für den Gleichgewichtsfall [Formel 1] , wobei wir
von dem bekannten Ausnahmefall, in welchem die
Gleichung in eine Ungleichung übergeht, absehen.

Beziehen wir nun das ganze System auf ein recht-
winkeliges Coordinatensystem. Die Coordinaten der
Massenpunkte seien x1 y1 z1, x2 y2 z2 .... Die Kräfte
mögen in die Componenten X1, Y1 Z1, X2 Y2 Z2 parallel
den Coordinatenaxen, und die Verschiebungen ebenfalls
parallel den Axen in [δ]x1, [δ]y1, [δ]z1, [δ]x2, [δ]y2, [δ]z2 ....
zerlegt werden. Bei Bestimmung der Arbeit kommt
für jede Kraftcomponente nur die parallele Verschiebung
ihres Angriffspunktes in Betracht, und der Ausdruck
des Princips ist
[Formel 2] wobei alle Indices für die einzelnen Punkte einzusetzen,
und die betreffenden Ausdrücke zu summiren sind.

Als Grundformel der Dynamik wird das D’Alem-
bert’sche Princip verwendet. Auf die Massenpunkte

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[439/0451] Die formelle Entwickelung der Mechanik. vor, wodurch alle Rechnungen eine viel grössere Symme- trie und Uebersichtlichkeit gewinnen. 3. Auf die höchste Stufe der Entwickelung ist end- lich die analytische Mechanik durch Lagrange gebracht worden. Lagrange (Mécanique analytique, Paris 1788) bestrebt sich, alle nothwendigen Ueberlegungen ein für allemal abzuthun, möglichst viel in einer Formel darzustellen. Jeden vorkommenden Fall kann man nach einem sehr einfachen symmetrischen und übersichtlichen Schema behandeln, und was noch zu überlegen bleibt, wird durch rein mechanische Kopfarbeit ausgeführt. Die Lagrange’sche Mechanik ist eine grossartige Leistung in Bezug auf die Oekonomie des Denkens. In der Statik geht Lagrange von dem Princip der virtuellen Verschiebungen aus. Auf eine Anzahl Massen- punkte m1, m2, m3 ...., welche in gewissen Verbindungen stehen, wirken die Kräfte P1, P2, P3 .... Erhalten diese Punkte die unendlich kleinen mit den Verbin- dungen verträglichen Verschiebungen p1, p2, p3 ...., so ist für den Gleichgewichtsfall [FORMEL], wobei wir von dem bekannten Ausnahmefall, in welchem die Gleichung in eine Ungleichung übergeht, absehen. Beziehen wir nun das ganze System auf ein recht- winkeliges Coordinatensystem. Die Coordinaten der Massenpunkte seien x1 y1 z1, x2 y2 z2 .... Die Kräfte mögen in die Componenten X1, Y1 Z1, X2 Y2 Z2 parallel den Coordinatenaxen, und die Verschiebungen ebenfalls parallel den Axen in δx1, δy1, δz1, δx2, δy2, δz2 .... zerlegt werden. Bei Bestimmung der Arbeit kommt für jede Kraftcomponente nur die parallele Verschiebung ihres Angriffspunktes in Betracht, und der Ausdruck des Princips ist [FORMEL] wobei alle Indices für die einzelnen Punkte einzusetzen, und die betreffenden Ausdrücke zu summiren sind. Als Grundformel der Dynamik wird das D’Alem- bert’sche Princip verwendet. Auf die Massenpunkte

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Zitationshilfe: Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/451>, abgerufen am 27.04.2024.