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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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verletzt durch die künstlich gesteigerte Temperatur, die mit Abfällen des
Rohmaterials geschwängerte Atmosphäre, den betäubenden Lärm u. s. w.,
abgesehn von der Lebensgefahr unter dicht gehäufter Maschinerie, die mit
der Regelmässigkeit der Jahreszeiten ihre industriellen Schlachtbülletins
producirt. Die Oekonomisirung der gesellschaftlichen
Produktionsmittel
, erst im Fabriksystem treibhausmässig gereift,
wird in der Hand des Kapitals zugleich zum systematischen Raub
an den Lebensbedingungen des Arbeiters während der
Arbeit
, wie an Raum, Luft, Licht und persönlichen Schutzmitteln wider
die lebensgefährlichen oder gesundheitswidrigen Umstände des Produk-
tionsprozesses, von Vorrichtungen zur Bequemlichkeit des Arbeiters gar
nicht zu sprechen191). Nennt Fourier mit Unrecht die Fabriken "gemäs-

durch seine Arbeit, und vermittelst des Strafreglements, noch obendrein "Schuld-
ner" seines erlauchten "Master" wird. Erbauliche Züge über den Lohnabzugs-
Scharfsinn der Fabrikautokraten lieferte auch die jüngste Baumwollkrise. "Ich
hatte selbst", sagt Fabrikinspektor R. Baker, "vor kurzem gerichtliche Verfol-
gung wider einen Baumwollfabrikanten einzuleiten, weil er in diesen schweren und
qualvollen Zeitläuften 10 d. von einigen der von ihm beschäftigten "jungen"
(mehr als dreizehnjährigen) Arbeiter abzog für das ärztliche Alterscertifikat, das
ihm nur 6 d. kostet, und wofür das Gesetz nur einen Abzug von 3 d., das Her-
kommen gar keinen erlaubt ... Ein andrer Fabrikant, um denselben Zweck ohne
Konflikt mit dem Gesetz zu erreichen, belastet jedes der armen Kinder, die für ihn
arbeiten, mit einem Shilling als Sportel für Erlernung der Kunst und des Myste-
riums zu spinnen, sobald das ärztliche Zeugniss sie reif für diese Beschäftigung er-
klärt. Es existiren also Unterströmungen, die man kennen muss, um solche
ausserordentliche Phänomene, wie strikes zu Zeiten wie die gegenwärtige (es
handelt sich um einen strike in der Fabrik zu Darwen, Juni 1863, unter den Maschi-
nenwebern) zu begreifen." Reports of Insp. of Fact. for 30th April
1863. (Die Fabrikberichte gehn immer weiter als ihr officielles Datum.)
191) Im Ersten Kapitel des Dritten Buchs werde ich berichten über einen
jüngster Zeit angehörigen Feldzug der englischen Fabrikanten gegen die Klauseln
des Fabrikakts zum Schutz der Gliedmassen der "Hände" vor lebensgefährlicher
Maschinerie. Hier genüge ein Citat aus einem officiellen Bericht des Fabrik-
inspektor Leonhard Horner: "Ich habe Fabrikanten mit unentschuldbarer
Frivolität von einigen der Unglücksfälle sprechen hören, z. B. der Verlust eines
Fingers sei eine Kleinigkeit. Das Leben und die Aussichten eines Arbeiters hängen
so sehr von seinen Fingern ab, dass ein solcher Verlust ein äusserst ernstes Ereig-
niss für ihn ist. Wenn ich solch gedankenlos Geschwätz höre, stelle ich die Frage:
Unterstellt, Sie brauchten einen zusätzlichen Arbeiter, und ihrer zwei meldeten

verletzt durch die künstlich gesteigerte Temperatur, die mit Abfällen des
Rohmaterials geschwängerte Atmosphäre, den betäubenden Lärm u. s. w.,
abgesehn von der Lebensgefahr unter dicht gehäufter Maschinerie, die mit
der Regelmässigkeit der Jahreszeiten ihre industriellen Schlachtbülletins
producirt. Die Oekonomisirung der gesellschaftlichen
Produktionsmittel
, erst im Fabriksystem treibhausmässig gereift,
wird in der Hand des Kapitals zugleich zum systematischen Raub
an den Lebensbedingungen des Arbeiters während der
Arbeit
, wie an Raum, Luft, Licht und persönlichen Schutzmitteln wider
die lebensgefährlichen oder gesundheitswidrigen Umstände des Produk-
tionsprozesses, von Vorrichtungen zur Bequemlichkeit des Arbeiters gar
nicht zu sprechen191). Nennt Fourier mit Unrecht die Fabriken „gemäs-

durch seine Arbeit, und vermittelst des Strafreglements, noch obendrein „Schuld-
ner“ seines erlauchten „Master“ wird. Erbauliche Züge über den Lohnabzugs-
Scharfsinn der Fabrikautokraten lieferte auch die jüngste Baumwollkrise. „Ich
hatte selbst“, sagt Fabrikinspektor R. Baker, „vor kurzem gerichtliche Verfol-
gung wider einen Baumwollfabrikanten einzuleiten, weil er in diesen schweren und
qualvollen Zeitläuften 10 d. von einigen der von ihm beschäftigten „jungen“
(mehr als dreizehnjährigen) Arbeiter abzog für das ärztliche Alterscertifikat, das
ihm nur 6 d. kostet, und wofür das Gesetz nur einen Abzug von 3 d., das Her-
kommen gar keinen erlaubt … Ein andrer Fabrikant, um denselben Zweck ohne
Konflikt mit dem Gesetz zu erreichen, belastet jedes der armen Kinder, die für ihn
arbeiten, mit einem Shilling als Sportel für Erlernung der Kunst und des Myste-
riums zu spinnen, sobald das ärztliche Zeugniss sie reif für diese Beschäftigung er-
klärt. Es existiren also Unterströmungen, die man kennen muss, um solche
ausserordentliche Phänomene, wie strikes zu Zeiten wie die gegenwärtige (es
handelt sich um einen strike in der Fabrik zu Darwen, Juni 1863, unter den Maschi-
nenwebern) zu begreifen.“ Reports of Insp. of Fact. for 30th April
1863. (Die Fabrikberichte gehn immer weiter als ihr officielles Datum.)
191) Im Ersten Kapitel des Dritten Buchs werde ich berichten über einen
jüngster Zeit angehörigen Feldzug der englischen Fabrikanten gegen die Klauseln
des Fabrikakts zum Schutz der Gliedmassen der „Hände“ vor lebensgefährlicher
Maschinerie. Hier genüge ein Citat aus einem officiellen Bericht des Fabrik-
inspektor Leonhard Horner: „Ich habe Fabrikanten mit unentschuldbarer
Frivolität von einigen der Unglücksfälle sprechen hören, z. B. der Verlust eines
Fingers sei eine Kleinigkeit. Das Leben und die Aussichten eines Arbeiters hängen
so sehr von seinen Fingern ab, dass ein solcher Verlust ein äusserst ernstes Ereig-
niss für ihn ist. Wenn ich solch gedankenlos Geschwätz höre, stelle ich die Frage:
Unterstellt, Sie brauchten einen zusätzlichen Arbeiter, und ihrer zwei meldeten
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[418/0437] verletzt durch die künstlich gesteigerte Temperatur, die mit Abfällen des Rohmaterials geschwängerte Atmosphäre, den betäubenden Lärm u. s. w., abgesehn von der Lebensgefahr unter dicht gehäufter Maschinerie, die mit der Regelmässigkeit der Jahreszeiten ihre industriellen Schlachtbülletins producirt. Die Oekonomisirung der gesellschaftlichen Produktionsmittel, erst im Fabriksystem treibhausmässig gereift, wird in der Hand des Kapitals zugleich zum systematischen Raub an den Lebensbedingungen des Arbeiters während der Arbeit, wie an Raum, Luft, Licht und persönlichen Schutzmitteln wider die lebensgefährlichen oder gesundheitswidrigen Umstände des Produk- tionsprozesses, von Vorrichtungen zur Bequemlichkeit des Arbeiters gar nicht zu sprechen 191). Nennt Fourier mit Unrecht die Fabriken „gemäs- 190) 191) Im Ersten Kapitel des Dritten Buchs werde ich berichten über einen jüngster Zeit angehörigen Feldzug der englischen Fabrikanten gegen die Klauseln des Fabrikakts zum Schutz der Gliedmassen der „Hände“ vor lebensgefährlicher Maschinerie. Hier genüge ein Citat aus einem officiellen Bericht des Fabrik- inspektor Leonhard Horner: „Ich habe Fabrikanten mit unentschuldbarer Frivolität von einigen der Unglücksfälle sprechen hören, z. B. der Verlust eines Fingers sei eine Kleinigkeit. Das Leben und die Aussichten eines Arbeiters hängen so sehr von seinen Fingern ab, dass ein solcher Verlust ein äusserst ernstes Ereig- niss für ihn ist. Wenn ich solch gedankenlos Geschwätz höre, stelle ich die Frage: Unterstellt, Sie brauchten einen zusätzlichen Arbeiter, und ihrer zwei meldeten 190) durch seine Arbeit, und vermittelst des Strafreglements, noch obendrein „Schuld- ner“ seines erlauchten „Master“ wird. Erbauliche Züge über den Lohnabzugs- Scharfsinn der Fabrikautokraten lieferte auch die jüngste Baumwollkrise. „Ich hatte selbst“, sagt Fabrikinspektor R. Baker, „vor kurzem gerichtliche Verfol- gung wider einen Baumwollfabrikanten einzuleiten, weil er in diesen schweren und qualvollen Zeitläuften 10 d. von einigen der von ihm beschäftigten „jungen“ (mehr als dreizehnjährigen) Arbeiter abzog für das ärztliche Alterscertifikat, das ihm nur 6 d. kostet, und wofür das Gesetz nur einen Abzug von 3 d., das Her- kommen gar keinen erlaubt … Ein andrer Fabrikant, um denselben Zweck ohne Konflikt mit dem Gesetz zu erreichen, belastet jedes der armen Kinder, die für ihn arbeiten, mit einem Shilling als Sportel für Erlernung der Kunst und des Myste- riums zu spinnen, sobald das ärztliche Zeugniss sie reif für diese Beschäftigung er- klärt. Es existiren also Unterströmungen, die man kennen muss, um solche ausserordentliche Phänomene, wie strikes zu Zeiten wie die gegenwärtige (es handelt sich um einen strike in der Fabrik zu Darwen, Juni 1863, unter den Maschi- nenwebern) zu begreifen.“ Reports of Insp. of Fact. for 30th April 1863. (Die Fabrikberichte gehn immer weiter als ihr officielles Datum.)

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/437>, abgerufen am 29.04.2024.