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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894.

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Kapitalisten zu verwandeln. Die da sagen, dass bloss Mangel an
Kapital existirt, machen entweder blosse Wortklauberei, da ja
in solchen Zeiten das inkonvertible Kapital in Folge von Ueber-
einfuhr und Ueberproduktion massenhaft vorhanden ist, oder sie
sprechen bloss von jenen Kreditrittern, die nun in der That in
Umstände gesetzt sind, wo sie nicht länger fremdes Kapital er-
halten um damit zu wirthschaften, und nun verlangen, die Bank
solle ihnen nicht nur das verlorne Kapital zahlen helfen, sondern
sie auch noch zur Fortsetzung des Schwindels befähigen.

Es ist Grundlage der kapitalistischen Produktion, dass das Geld,
als selbständige Form des Werths, der Waare gegenübertritt, oder
dass der Tauschwerth selbstständige Form im Geld erhalten muss,
und dies ist nur möglich, indem eine bestimmte Waare das
Material wird, in deren Werth sich alle andern Waaren messen,
dass sie eben dadurch die allgemeine Waare, die Waare par
excellence im Gegensatz zu allen andern Waaren wird. Dies muss
sich in doppelter Hinsicht zeigen, und namentlich bei kapitalistisch
entwickelten Nationen, die das Geld in grossem Maß ersetzen,
einerseits durch Kreditoperationen, andrerseits durch Kreditgeld.
In Zeiten der Klemme, wo der Kredit einschrumpft oder ganz auf-
hört, tritt plötzlich Geld als einziges Zahlungsmittel und wahres
Dasein des Werths absolut den Waaren gegenüber. Daher die
allgemeine Entwerthung der Waaren, die Schwierigkeit, ja die
Unmöglichkeit, sie in Geld zu verwandeln, d. h. in ihre eigne rein
phantastische Form. Zweitens aber: das Kreditgeld selbst ist nur
Geld, soweit es im Betrage seines Nominalwerths absolut das wirk-
liche Geld vertritt. Mit dem Goldabfluss wird seine Konvertibilität
in Geld problematisch, d. h. seine Identität mit wirklichem Gold.
Daher Zwangsmaßregeln, Heraufsetzung des Zinsfusses etc., um die
Bedingungen dieser Konvertibilität zu sichern. Dies kann mehr
oder minder auf die Spitze getrieben werden durch falsche Gesetz-
gebung, beruhend auf falschen Theorien vom Geld, und der Nation
aufgedrängt durch das Interesse der Geldhändler, der Overstone
und Konsorten. Die Grundlage aber ist gegeben mit der Grund-
lage der Produktionsweise selbst. Eine Entwerthung des Kredit-
geldes (gar nicht zu sprechen von einer übrigens nur imaginären
Entgeldung desselben) würde alle bestehenden Verhältnisse er-
schüttern. Der Werth der Waaren wird daher geopfert, um das
phantastische und selbständige Dasein dieses Werths im Geld zu
sichern. Als Geldwerth ist er überhaupt nur gesichert, so lange
das Geld gesichert ist. Für ein paar Millionen Geld müssen daher

Kapitalisten zu verwandeln. Die da sagen, dass bloss Mangel an
Kapital existirt, machen entweder blosse Wortklauberei, da ja
in solchen Zeiten das inkonvertible Kapital in Folge von Ueber-
einfuhr und Ueberproduktion massenhaft vorhanden ist, oder sie
sprechen bloss von jenen Kreditrittern, die nun in der That in
Umstände gesetzt sind, wo sie nicht länger fremdes Kapital er-
halten um damit zu wirthschaften, und nun verlangen, die Bank
solle ihnen nicht nur das verlorne Kapital zahlen helfen, sondern
sie auch noch zur Fortsetzung des Schwindels befähigen.

Es ist Grundlage der kapitalistischen Produktion, dass das Geld,
als selbständige Form des Werths, der Waare gegenübertritt, oder
dass der Tauschwerth selbstständige Form im Geld erhalten muss,
und dies ist nur möglich, indem eine bestimmte Waare das
Material wird, in deren Werth sich alle andern Waaren messen,
dass sie eben dadurch die allgemeine Waare, die Waare par
excellence im Gegensatz zu allen andern Waaren wird. Dies muss
sich in doppelter Hinsicht zeigen, und namentlich bei kapitalistisch
entwickelten Nationen, die das Geld in grossem Maß ersetzen,
einerseits durch Kreditoperationen, andrerseits durch Kreditgeld.
In Zeiten der Klemme, wo der Kredit einschrumpft oder ganz auf-
hört, tritt plötzlich Geld als einziges Zahlungsmittel und wahres
Dasein des Werths absolut den Waaren gegenüber. Daher die
allgemeine Entwerthung der Waaren, die Schwierigkeit, ja die
Unmöglichkeit, sie in Geld zu verwandeln, d. h. in ihre eigne rein
phantastische Form. Zweitens aber: das Kreditgeld selbst ist nur
Geld, soweit es im Betrage seines Nominalwerths absolut das wirk-
liche Geld vertritt. Mit dem Goldabfluss wird seine Konvertibilität
in Geld problematisch, d. h. seine Identität mit wirklichem Gold.
Daher Zwangsmaßregeln, Heraufsetzung des Zinsfusses etc., um die
Bedingungen dieser Konvertibilität zu sichern. Dies kann mehr
oder minder auf die Spitze getrieben werden durch falsche Gesetz-
gebung, beruhend auf falschen Theorien vom Geld, und der Nation
aufgedrängt durch das Interesse der Geldhändler, der Overstone
und Konsorten. Die Grundlage aber ist gegeben mit der Grund-
lage der Produktionsweise selbst. Eine Entwerthung des Kredit-
geldes (gar nicht zu sprechen von einer übrigens nur imaginären
Entgeldung desselben) würde alle bestehenden Verhältnisse er-
schüttern. Der Werth der Waaren wird daher geopfert, um das
phantastische und selbständige Dasein dieses Werths im Geld zu
sichern. Als Geldwerth ist er überhaupt nur gesichert, so lange
das Geld gesichert ist. Für ein paar Millionen Geld müssen daher

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[54/0063] Kapitalisten zu verwandeln. Die da sagen, dass bloss Mangel an Kapital existirt, machen entweder blosse Wortklauberei, da ja in solchen Zeiten das inkonvertible Kapital in Folge von Ueber- einfuhr und Ueberproduktion massenhaft vorhanden ist, oder sie sprechen bloss von jenen Kreditrittern, die nun in der That in Umstände gesetzt sind, wo sie nicht länger fremdes Kapital er- halten um damit zu wirthschaften, und nun verlangen, die Bank solle ihnen nicht nur das verlorne Kapital zahlen helfen, sondern sie auch noch zur Fortsetzung des Schwindels befähigen. Es ist Grundlage der kapitalistischen Produktion, dass das Geld, als selbständige Form des Werths, der Waare gegenübertritt, oder dass der Tauschwerth selbstständige Form im Geld erhalten muss, und dies ist nur möglich, indem eine bestimmte Waare das Material wird, in deren Werth sich alle andern Waaren messen, dass sie eben dadurch die allgemeine Waare, die Waare par excellence im Gegensatz zu allen andern Waaren wird. Dies muss sich in doppelter Hinsicht zeigen, und namentlich bei kapitalistisch entwickelten Nationen, die das Geld in grossem Maß ersetzen, einerseits durch Kreditoperationen, andrerseits durch Kreditgeld. In Zeiten der Klemme, wo der Kredit einschrumpft oder ganz auf- hört, tritt plötzlich Geld als einziges Zahlungsmittel und wahres Dasein des Werths absolut den Waaren gegenüber. Daher die allgemeine Entwerthung der Waaren, die Schwierigkeit, ja die Unmöglichkeit, sie in Geld zu verwandeln, d. h. in ihre eigne rein phantastische Form. Zweitens aber: das Kreditgeld selbst ist nur Geld, soweit es im Betrage seines Nominalwerths absolut das wirk- liche Geld vertritt. Mit dem Goldabfluss wird seine Konvertibilität in Geld problematisch, d. h. seine Identität mit wirklichem Gold. Daher Zwangsmaßregeln, Heraufsetzung des Zinsfusses etc., um die Bedingungen dieser Konvertibilität zu sichern. Dies kann mehr oder minder auf die Spitze getrieben werden durch falsche Gesetz- gebung, beruhend auf falschen Theorien vom Geld, und der Nation aufgedrängt durch das Interesse der Geldhändler, der Overstone und Konsorten. Die Grundlage aber ist gegeben mit der Grund- lage der Produktionsweise selbst. Eine Entwerthung des Kredit- geldes (gar nicht zu sprechen von einer übrigens nur imaginären Entgeldung desselben) würde alle bestehenden Verhältnisse er- schüttern. Der Werth der Waaren wird daher geopfert, um das phantastische und selbständige Dasein dieses Werths im Geld zu sichern. Als Geldwerth ist er überhaupt nur gesichert, so lange das Geld gesichert ist. Für ein paar Millionen Geld müssen daher

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/63>, abgerufen am 28.04.2024.