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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Die Finanzgewalt.
verständlich wieder nach aussen wirken3. Oder man giebt dem Gesetz
die Bedeutung einer Instruktion für die mit der Ausführung des
Etats betrauten Behörden, also einer Bestimmung des Inhalts ihrer
Dienstpflicht4.

Jedenfalls können wir an dem Staatshaushaltsgesetz nicht vorüber
gehen, ohne den Einfluss genauer abzugrenzen, welchen es auf unser
Gebiet auszuüben berufen ist.

Wie für den Begriff des Gesetzes (oben § 5), so hat auch für
die Bestimmung des Anteils der Volksvertretung an der Finanz-
verwaltung das neuzeitliche Verfassungsrecht angeknüpft an Rechts-
ideen der vorausgegangenen Zeit. Bei den älteren Verfassungen tritt
das deutlich hervor in der Ordnung der Steuerauflagen. Diese ge-
schieht grundsätzlich auf Zeit und stellt nicht, wie sonst das ver-
fassungsmässige Gesetz, nur einen gemeinsamen Akt vor, den Volks-
vertretung und Regierung zusammen gegenüber den Unterthanen
erlassen, sondern wird zugleich aufgefasst als eine Bewilligung,
welche die Volksvertretung der Regierung macht. Niemals würde
man ein Polizeigesetz zugleich als die Bewilligung von Polizei-
massregeln zu Gunsten des einen gesetzgebenden Faktors durch den
anderen auffassen. Das Bild der Landstände, welche dem Fürsten
"mit einer Geldsumme beispringen", ist aber in dieser Steuer-
bewilligung noch lebendig5. Die Formeln für das neue Verfassungs-
recht haben wir freilich aus Frankreich bezogen, unmittelbar oder
über Belgien. Aber gerade dort sind die Zusammenhänge mit den
gleichen altständischen Anschauungen ganz unverkennbar6.

3 v. Roenne, Preuss. St.R. I S. 633, 634; v. Martitz in Tüb. Ztschft.
Bd. 36 S. 271; Seidler, Budget u. Budgetrecht S. 221 ff.
4 Bornhak, Preuss. St.R. III S. 591 ff.; Arndt in Arch. f. öff. R. III
S. 540 ff. Über den richtigen Sachverhalt in dieser Beziehung: Laband, St.R.
II S. 1001 Anm. 1.
5 Über den geschichtlichen Zusammenhang: Gneist, Ges. u. Budg. S. 136 ff.;
Seydel, Bayr. St.R. IV S. 291. Zu weit geht Pfizer, R. der Steuerverwilligung,
wenn er in der heimatlichen Verfassung geradezu das "altwürttembergische Recht
der Selbstbesteuerung" verwirklicht findet; Stände und Volksvertretung, Selbst-
besteuerung und Zustimmung zum Steuergesetz sind doch auch wieder sehr ver-
schiedene Dinge.
6 Gneist, Ges. u. Budg. S. 118, sieht am neuen französischen Staatsrechte
grundsätzlich und so auch hier ein völliges Aufgeben der "Rechtskontinuität". Das
Gegenteil ist richtig: Toqueville, l'ancien regime et la revolution S. 313 ff.;
Leroy-Beaulieu, science des fin. II S. 4 ff.; vor allem Desmousseaux de
Givre
im Correspondant Bd. 42 S. 217 ff.

Die Finanzgewalt.
verständlich wieder nach auſsen wirken3. Oder man giebt dem Gesetz
die Bedeutung einer Instruktion für die mit der Ausführung des
Etats betrauten Behörden, also einer Bestimmung des Inhalts ihrer
Dienstpflicht4.

Jedenfalls können wir an dem Staatshaushaltsgesetz nicht vorüber
gehen, ohne den Einfluſs genauer abzugrenzen, welchen es auf unser
Gebiet auszuüben berufen ist.

Wie für den Begriff des Gesetzes (oben § 5), so hat auch für
die Bestimmung des Anteils der Volksvertretung an der Finanz-
verwaltung das neuzeitliche Verfassungsrecht angeknüpft an Rechts-
ideen der vorausgegangenen Zeit. Bei den älteren Verfassungen tritt
das deutlich hervor in der Ordnung der Steuerauflagen. Diese ge-
schieht grundsätzlich auf Zeit und stellt nicht, wie sonst das ver-
fassungsmäſsige Gesetz, nur einen gemeinsamen Akt vor, den Volks-
vertretung und Regierung zusammen gegenüber den Unterthanen
erlassen, sondern wird zugleich aufgefaſst als eine Bewilligung,
welche die Volksvertretung der Regierung macht. Niemals würde
man ein Polizeigesetz zugleich als die Bewilligung von Polizei-
maſsregeln zu Gunsten des einen gesetzgebenden Faktors durch den
anderen auffassen. Das Bild der Landstände, welche dem Fürsten
„mit einer Geldsumme beispringen“, ist aber in dieser Steuer-
bewilligung noch lebendig5. Die Formeln für das neue Verfassungs-
recht haben wir freilich aus Frankreich bezogen, unmittelbar oder
über Belgien. Aber gerade dort sind die Zusammenhänge mit den
gleichen altständischen Anschauungen ganz unverkennbar6.

3 v. Roenne, Preuſs. St.R. I S. 633, 634; v. Martitz in Tüb. Ztschft.
Bd. 36 S. 271; Seidler, Budget u. Budgetrecht S. 221 ff.
4 Bornhak, Preuſs. St.R. III S. 591 ff.; Arndt in Arch. f. öff. R. III
S. 540 ff. Über den richtigen Sachverhalt in dieser Beziehung: Laband, St.R.
II S. 1001 Anm. 1.
5 Über den geschichtlichen Zusammenhang: Gneist, Ges. u. Budg. S. 136 ff.;
Seydel, Bayr. St.R. IV S. 291. Zu weit geht Pfizer, R. der Steuerverwilligung,
wenn er in der heimatlichen Verfassung geradezu das „altwürttembergische Recht
der Selbstbesteuerung“ verwirklicht findet; Stände und Volksvertretung, Selbst-
besteuerung und Zustimmung zum Steuergesetz sind doch auch wieder sehr ver-
schiedene Dinge.
6 Gneist, Ges. u. Budg. S. 118, sieht am neuen französischen Staatsrechte
grundsätzlich und so auch hier ein völliges Aufgeben der „Rechtskontinuität“. Das
Gegenteil ist richtig: Toqueville, l’ancien régime et la révolution S. 313 ff.;
Leroy-Beaulieu, science des fin. II S. 4 ff.; vor allem Desmousseaux de
Givré
im Correspondant Bd. 42 S. 217 ff.
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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/400>, abgerufen am 28.04.2024.